Mit neuen Frisuren gegen Italien
Die Schweiz steht mit dem Rücken zur Wand – Sie greift zu ungewöhnlichen Mitteln
(SID) - Die Frisur sitzt. Granit Xhaka und Manuel Akanji kamen in Rom mit frisch gebleichten Haaren an, Nico Elvedi mit Strähnen. Um im richtungweisenden Gruppenspiel gegen Italien gut auszusehen, hatten sich die Schweizer Nationalspieler einen Friseur ins Mannschaftshotel bestellt. „Es geht auch um Psychologie, sie wollten ein Zeichen setzen“, sagte Adrian Arnold, Kommunikationschef des Schweizerischen Fußball-Verbandes (SFV), vor dem „ewigen“Duell (21 Uhr/ARD und MagentaTV) gegen die Azzurri.
Ein Zeichen? Die Italiener werden sich nach ihrem furiosen EM-Auftakt von ein paar neuen Frisuren beim angeschlagenen Gegner kaum beeindrucken lassen. Das bärenstarke Team von Roberto Mancini will vielmehr mit dem Schwung vom glanzvollen 3:0 gegen die Türkei bereits das Ticket für das Achtelfinale buchen. Die Schweiz steht nach dem mageren 1:1 gegen Wales dagegen schon massiv unter Druck. Da ist der Nati offensichtlich jedes Mittel recht, um sich für die haarige Aufgabe im Stadio Olimpico Mut zu machen. Schon jetzt hat die vor dem Turnier herrschende Euphorie der Eidgenossen, die zuletzt vor 67 Jahren das Viertelfinale bei einem großen Turnier erreicht haben, arg gelitten. Da war noch von einer goldenen Generation die Rede gewesen. Man habe das „Potenzial, Geschichte zu schreiben und endlich einmal dieses verdammte Viertelfinale zu erreichen“, hatte Führungsspieler Xhaka betont. Und jetzt? Herrscht eher die Angst, sogar schon in der Gruppenphase zu scheitern.
„Italien ist der klare Favorit“, sagte Trainer Vladimir Petkovic kleinlaut und fügte wenig überzeugend an: „Wir sind noch drin, und wir probieren, gegen Italien zu punkten. Wir gehen nicht weg von unserer Philosophie. Auch gegen Italien wollen wir ohne Angst auf den Platz gehen.“Auch der Gladbacher Keeper Yann Sommer bemühte die üblichen Parolen. Es seien im 59. Duell gegen Italien und dann am Sonntag gegen die Türkei schließlich „noch zwei Partien zu spielen. Wir haben weiterhin alles in den eigenen Händen.“
Allerdings wartet auf „Deutschland II“mit seinen zwölf BundesligaProfis eine aktuell kaum lösbare Aufgabe. Italien wartet mit Monster-Serien auf: seit 28 Spielen ungeschlagen, zuletzt neun Siege in Serie mit 28:0 Toren, 875 Minuten ohne Gegentreffer – und: Die letzte Niederlage gegen die Schweiz liegt 28 Jahre zurück.
Kein Wunder, wenn das Selbstvertrauen bei den Azzurri, die vom ersten EM-Titel seit 1968 träumen, riesig ist. Mittelfeldspieler Jorginho zog schon Vergleiche zum FC Chelsea, mit dem er die Champions League gewonnen hat. Das Team sei „wundervoll und hungrig“, sagte er. Die Mannschaft wolle „immer weiter gewinnen“.
Der Vater des Erfolgs ist Mancini, der den einstigen Catenaccio-Experten ein neues Offensiv-Konzept verpasste. „Ich sage seit drei Jahren: Selbst in Führung wird weiter offensiv und auf Pressing gespielt“, betonte der 56-Jährige.
Längst ist beim viermaligen Weltmeister nach der WM-Apokalypse 2018 der unbedingte Glaube an die glorreichen Zeiten zurückgekehrt. Mancini muss die kollektive Jubelstimmung der Tifosi sogar schon bremsen. „Es ist ein langer Weg, es gibt andere starke Mannschaften“, sagte er nach dem Traumstart, angesprochen auf die Favoritenrolle. „Wir bleiben mit den Füßen auf dem Boden, träumen aber weiter“, sagte Verbandschef Gabriele Gravina: Denn die Träume sind im italienischen Lager nach gerade einmal einer Partie schon wieder groß. Zunächst einmal muss die Elf von Trainer Mancini aber beweisen, dass sie auch gegen stärkere Gegner zu solch einer Leistung fähig ist. „Das ist eine Mannschaft, auf die wir aufpassen müssen“, warnte Mittelfeldspieler Jorginho vor dem wohl stärksten Gruppenkonkurrenten. Mancini prophezeite: „Das wird ein schwieriges Spiel. Sie haben viele gute Spieler, uns erwartet ein hartes Match.“