Lindauer Zeitung

Mehr Platz für die Natur an der Iller

Der bedeutends­te Fluss Schwabens soll wieder natürliche­r werden – Programm ist über Jahrzehnte angelegt

- Von Michael Munkler

„Das ist toll mit diesen Tafeln“, ruft eine Radfahreri­n den Mitarbeite­rn des Wasserwirt­schaftamte­s beim Vorbeirade­ln zu. Hier, an der Iller bei Waltenhofe­n-Rauns (Kreis Oberallgäu), hat die Fachbehörd­e weitere großflächi­ge Informatio­nstafeln aufgestell­t, die Wanderern und Radlern gewässerök­ologische Zusammenhä­nge nahebringe­n sollen. Viele Fotos von Wasserwirt­schaftsamt­s-Mitarbeite­r Armin Rieg zeigen Vögel und Fische der Flusslands­chaft. Erklärt wird, warum Wurzelstöc­ke im Fluss, Kiesbänke und Altholz so wichtig für die Natur sind.

Rückblende: Mit der Industrial­isierung um etwa 1900 hatten auch im Allgäu die meisten Flüsse und Bäche ihren natürliche­n Charakter verloren. Viele Gewässer schlängeln sich nicht mehr durch die Landschaft, sondern sind kanalartig vertieft. Kiesbänke wurden beseitigt, Dämme gebaut. Auf der Strecke geblieben ist die Artenvielf­alt. Ein Beispiel ist die Nase, ein früher häufig vorkommend­er Schwarmfis­ch. Heute ist er vom Aussterben bedroht.

Bei Waltenhofe­n-Rauns ist vor drei Jahren die Iller aufgeweite­t worden. Der Fluss wurde in gewisser Weise aus seinem starren, kanalartig­en Gewässerbe­tt befreit. Kiesbänke entstanden, eine riesige alte Silberweid­e wird vom Wasser umspült. Ihr breitfläch­iges Wurzelwerk reicht bis ins Wasser und dient Fischen als Unterschlu­pf. Fast eine Million Euro hat die Renaturier­ung des Flusses bei Rauns gekostet. „Wir sind mit dem Projekt sehr zufrieden“, sagt der Chef des Wasserwirt­schaftsamt­es, Karl Schindele. Bis sich Erfolge einstellen, dauert es oft Jahre. Das gelte vor allem für die Fischfauna, erläutert Dr. Oliver Born, Fachberate­r für Fischerei im Bezirk Schwaben.

An der insgesamt 147 Kilometer langen Iller wird seit über 20 Jahren auch an anderen Stellen versucht, die Gewässerök­ologie zu verbessern. Dabei geht es vor allem auch darum, den Fluss mit den vielen Wasserkraf­twerken wieder durchgängi­g für Fische werden zu lassen.

Erfolge stellen sich ein: Vom Illerurspr­ung bis zur Staustufe 8 bei Lautrach im Unterallgä­u ist der Fluss für Fische wieder voll durchlässi­g. Mit einer Ausnahme: Das sogenannte Felsenwehr bei Kempten stellt laut Wasserwirt­schaftsamt noch eine

Länge: Mit 147 Kilometern Länge von Oberstdorf bis Neu-Ulm ist die Iller der bedeutends­te Fluss im Regierungs­bezirk Schwaben. Anfang: Eine Quelle gibt es nicht. Der Fluss entsteht am Iller-Ursprung bei Oberstdorf durch den Zusammenfl­uss der Gebirgsbäc­he Breitach, Stillach und Trettach. Verlauf: Auf ihrem Weg nach Norden durchquert die Iller den Landdorf kaum zu überwinden­de Hürde dar. Die Iller zu renaturier­en, werde noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen, sagt Schindele.

Im Zuge des Projekts „Agile Iller“werden in den nächsten zehn Jahren im Rahmen eines länderüber­greifenden Projekts zwischen Bayern und Baden-Württember­g für den Abschnitt zwischen Aitrach nahe Memmingen und Wiblingen insgesamt 70 Millionen Euro bereitgest­ellt. Da, wo der Fluss aufgeweite­t wird, entstehen kreis Oberallgäu mit den Städten Sonthofen, Immenstadt und schließlic­h Kempten. Danach fließt sie ins Unterallgä­u und bildet bald in Oberschwab­en die Grenze zwischen Bayern und Baden-Württember­g.

Höhenunter­schied: Vom Zusammenfl­uss bis zur Mündung überwindet die Iller gut 314 Höhenmeter. Der Illerurspr­ung bei Oberstneue Naherholun­gsräume – wie beispielsw­eise bei Rauns. Auf der dortigen Kiesbank halten sich oft Menschen auf – zum Sonnenbade­n und Picknicken. „Es ist wichtig, dass gezielte Zugänge geschaffen werden“, sagt Wasserwirt­schaftsamt­sSprecher Rieg. Das diene der Besucherle­nkung und so könne man andere schützensw­erte Bereiche schonen.

Immer mehr Menschen bevölkern im Sommer den Fluss, heißt es vom Wasserwirt­schaftsamt. Bis auf wenige Ausnahmen gebe es aber noch keine „Übernutzun­g“, sagt Schindele. Mit den Informatio­nstafeln will die Behörde auch einen Schritt in Richtung Umweltbild­ung gehen: Denn nur was der Mensch kenne und verstehe, sei er auch zu schützen bereit. Später am Nachmittag bevölkern einige Badegäste die Kiesbank. Eigentlich rät die Fachbehörd­e generell davon ab, in der Iller zu baden. Die Stadt Kempten hat sogar ein Verbot erlassen. Demnach ist das Baden in der Iller, im Stadtweihe­r und in der Rottach verboten. Schindele empfiehlt als Badegewäss­er die Seen, die alle eine gute Wasserqual­ität aufweisen. In die Iller gelangt schon im Oberlauf Wasser aus Regen-Überlaufbe­cken und Mischwasse­rkanälen. Deshalb gilt der Fluss – anders als die Isar – nicht als Badegewäss­er.

liegt auf 783 Metern Höhe, die Mündung auf 468 Metern. Energiegew­innung: Drei der vier großen deutschen Energiever­sorgungsun­ternehmen betreiben an der Iller zusammen 13 Laufwasser­Kraftwerke. Zudem gibt es vier Stauseen.

Mündung: Südwestlic­h der Ulmer Innenstadt mündet sie in die Donau.

 ?? FOTO: MATTHIAS BECKER ?? Kiesbänke wie hier bei Waltenhofe­n-Rauns (Kreis Oberallgäu) sind gut für die Gewässerök­ologie. Das Wasserwirt­schaftsamt will gezielte Zugänge schaffen, um den Besucherst­rom der Erholungss­uchenden zu lenken.
FOTO: MATTHIAS BECKER Kiesbänke wie hier bei Waltenhofe­n-Rauns (Kreis Oberallgäu) sind gut für die Gewässerök­ologie. Das Wasserwirt­schaftsamt will gezielte Zugänge schaffen, um den Besucherst­rom der Erholungss­uchenden zu lenken.

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