FPÖ-Chef Kickl setzt auf Angriff
Neuer Parteichef der Rechtspopulisten in Österreich sieht Schnittmengen mit der Identitären Bewegung
- Wuff. Wuff. Der Schauspieler Christoph Grissemann persifliert ihn gern als kläffend: Herbert Kickl, der neue Chef der Freiheitlichen Partei Österreichs ist praktisch immer im Angriffsmodus. Niemand hätte vor dem Auftauchen des Ibiza-Videos vor zwei Jahren gedacht, dass der klassische Mann der zweiten Reihe jemals die Rechtspopulisten anführen könnte.
Denn Kickl ist, jenseits seiner eingefleischten Anhänger, einfach nicht populär. Am Parteitag am Sonntag bekam er auch nur 88 Prozent der Stimmen der Delegierten – HeinzChristian Strache hatte zuletzt knapp 99 Prozent seiner Leute hinter sich. Eine Trachtenkapelle musste am Sonntag in Wiener Neustadt aufmarschieren und Kickl nahm den Taktstock in die Hand. Die FPÖ will sich von ihrem Erbe lösen. Denn nach dem Abgang von Strache und dem Skandal um seine Aussagen, die vermuten lassen, dass er bestechbar war, geriet auch die FPÖ in eine tiefe Krise und wurde von dem moderateren Hofer und von Kickl gemeinsam geführt. Doch Hofer gab kürzlich auf, was auch damit zu tun hatte, dass Kickl ständig gegen ihn stichelte. Inhaltlich war der Graben zwischen den beiden längst sichtbar. Denn Kickl weigerte sich im Parlament eine Maske zu tragen und stellte sich völlig ungeniert an die Seite der rechten Verschwörungstheoretiker, die während der Pandemie vor allem „Kurz muss weg!“schrien, wenn sie sich zu Demonstrationen zusammenfanden. „Kurz muss weg!“ist nun auch ein wichtiger Bestandteil der Kickl-Propaganda. Seine Abneigung gegen den jungen Kanzler, mit dem er einst selbst in einer Regierung saß – Kickl war damals Innenminister – hat auch damit zu tun, dass Kurz nach dem Auftauchen des Ibiza-Videos den Rücktritt von Kickl verlangte, obwohl dieser eigentlich nichts damit zu tun hatte. Kickl attackiert aber auch deshalb die ÖVP, weil diese sich unter Sebastian Kurz dieselben Themen – nämlich Migration und Islam – geschappt hat, die die FPÖ zuvor schon jahrelang besetzt hatte. Kickl scheint die Attacken gegen die ÖVP, die wegen der bekanntgewordenen Chatnachrichten unter anderem von Kurz, in einer schweren Krise steckt, zu genießen. Er nennt sie „türkise KarrieristenBagage“, „größtes politisches Blendwerk der Zweiten Republik“und die Parteispitze ein „türkises Wimmerl auf einem schwarzen Korpus“. Damit spielt er darauf an, dass Kurz die Parteifarbe von Schwarz auf Türkis ändern ließ. Ein „Wimmerl“wird in Österreich ein Pickel genannt.
Parteiintern haben einige auch Probleme mit dem extremen AntiÖVP-Kurs von Kickl. In Oberösterreich etwa ist die FPÖ in einer Koalition mit der ÖVP – diese will man nicht gefährden, indem Kickl dauernd gegen den Kanzler wettert. Sicher ist: Der neue FPÖ-Chef, der eigenen Aussagen zufolge „inhaltliche Schnittmengen“der FPÖ „in einzelnen Bereichen“mit den rechtsextremen Identitären sieht – etwa wenn es um den UN-Migrationspakt geht, wird die Partei noch weiter nach rechts führen. Der Kärntner, der eine Zeit lang Publizistik und Philosophie studierte, war in den 1990erjahren vor allem für die Wahlkampforganisation zuständig und textete für Jörg
Haider, den er als seinen „Lehrmeister“bezeichnete, den fremdenfeindlichen Inhalt der Kampagnen, etwa: „Wiener Blut – zu viel Fremdes tut niemand gut“oder „Daham statt Islam“und „Pummerin statt Muezzin“– die Pummerin ist die Kirchenglocke des Stephansdoms in Wien. Später war er Generalsekretär der FPÖ, 2017 wurde er schließlich Innenminister und wurde für seinen extrem migrationsfeindlichen Kurs bekannt.
Bei einer Pressekonferenz im Januar 2018 sprach er davon, Asylwerber „konzentriert an einem Ort zu halten“. Er nannte die Erstaufnahmezentren in „Ausreisezentren“um und schuf eine neue GrenzschutzPolizeieinheit
namens Puma. Und er sprach im Rahmen der Diskussion um das Asylrecht öffentlich davon, dass „der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“.
Gefährlich wurde es erst, als die Polizei im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung eine Razzia durchführte, was zu einem schwerwiegenden Vertrauensverlust bei ausländischen Nachrichtendiensten führte. Auch wenn es keine Partei gibt, die mit der FPÖ unter Herbert Kickl nun koalieren würde, so darf man ihn nicht unterschätzen. Kaum einer weiß besser, wie man Polit-Marketing betreibt. Seine Reden sind inhaltlich oft gruselig, aber er weiß, wie man Spannung aufbaut, er spielt mit der Sprache und er ist intelligent. Kickl kennt zudem die Partei in- und auswendig. Der Mann ohne jegliche Beißhemmung wird dem angeschlagenen Kurz weiter Ärger bereiten und er wird den Ton auch deshalb noch verschärfen, weil er ohnehin nicht so schnell in eine Regierung kommen wird. Zu seinem Stellvertreter wurde am Sonntag übrigens Udo Landbauer gewählt, jener Mann, der 2018 vorübergehend seine politischen Funktionen zurücklegte, nachdem ein Liederbuch der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt mit rassistischen und antisemitischen Inhalten bekannt geworden war. Landbauer war Vize-Vorsitzenderafp genau dieser Burschenschaft. Unter Kickl ist so einer wie Landbauer offensichtlich wieder salonfähig.