Erzkonservativer Jurist Raisi neuer iranischer Präsident
Sieg seines Vertrauten spielt Ali Khamenei in die Hände – Der Revolutionsführer läutet das Ende der Republik ein
- Der erzkonservative Jurist Ebrahim Raisi hat die Präsidentenwahl im Iran gewonnen – aber der eigentliche Sieger ist Revolutionsführer Ali Khamenei (Foto: AFP). Er hat nun einen Präsidenten, der politisch vollkommen von ihm abhängig ist. Raisis Wahl läutet nach Ansicht von Beobachtern das Ende der Republik und den Beginn einer Diktatur unter dem 82-jährigen Khamenei ein. Der Westen muss weiter mit einer aggressiven iranischen Außenpolitik rechnen. Die USA wollen deshalb noch vor Raisis Amtsübernahme in sechs Wochen eine Neubelebung des Atomvertrages mit dem Iran unter Dach und Fach bringen.
Khamenei hatte die Wahl ganz auf seinen 60-jährigen Vertrauten Raisi zugeschnitten, der bisher Chef der iranischen Justiz war. Der von Khamenei kontrollierte Wächterrat schloss prominente Rivalen Raisis von der Wahl aus. Raisi ist ein Präsident von Khameneis Gnaden: Der Iran-Experte Alex Vatanka vom Nahost-Institut in Washington sagte dem britischen „Guardian“, Khamenei und die mächtige Revolutionsgarde seien sicher, Raisi kontrollieren und so das Überleben des Regimes sichern zu können. Bei der Wahl am Freitag zeigte sich, dass sich Millionen Iraner vom System abgewandt haben. Nach offiziellen Zahlen erhielt Raisi zwar 62 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die Beteiligung lag aber nur bei 49 Prozent der rund 59 Millionen registrierten Wähler – ein historischer Tiefstand. Bei der letzten Wahl 2017 betrug die Beteiligung über 70 Prozent. Fast vier Millionen Wähler gaben am Freitag aus Protest ungültige Stimmzettel ab, das waren dreimal so viele wie vor vier Jahren. Khamenei nahm diese Unzufriedenheit in Kauf, weil er ein anderes Ziel hatte: Mit Raisis Sieg ist die Machtübernahme der Hardliner komplett. Sie stellen mit Khamenei den Revolutionsführer und damit den mächtigsten Mann im Land, beherrschen das Parlament und schicken nun einen ihrer Vertreter ins Präsidentenamt. Medienberichten zufolge könnte Raisi den früheren Atom-Unterhändler Said Dschalili zum Außenminister
Beliebt ist Irans designierter Präsident Ebrahim Raisi bei vielen Landesleuten nicht – aber gefürchtet. Ende der 1980er Jahre sei er als damals junger Jurist von einer iranischen Stadt in die andere geflogen und habe Hinrichtungen angeordnet, erzählen sich ältere Iraner nach Angaben des IranExperten Eskandar Sadeghi von der Londoner Goldsmith-Universität. Die Exil-Oppositionsgruppe NCRI nennt Raisi einen „Massenmörder“, und auch Amnesty International fordert Ermittlungen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die USA haben Raisi mit Sanktionen belegt, was Auftritte im Ausland diplomatisch knifflig machen könnte. Doch Raisi, 60, dürfte sich davon nicht beeindrucken lassen. Das PräsidenGalgen
ernennen. Dschalili ist ein ehemaliger Büroleiter Khameneis und zählt ebenfalls zu den Hardlinern. Die Wahl ist eine Wegscheide, tenamt soll für ihn nur eine Zwischenstation zu noch höheren Weihen sein. Er stammt aus einer frommen Familie in Maschhad im Nordosten des Iran und trägt den schwarzen Turban eines „Seyyed“, eines Nachfahrens des Propheten Mohammed. In Qom studierte Raisi einst Theologie und islamisches Recht bei seinem heutigen Förderer, Revolutionsführer Ali Khamenei. In den ersten Jahren nach der islamischen Revolution machte sich Raisi als Vollstrecker einen Namen. 1988 soll er als Staatsanwalt an der Massenhinrichtung von rund 5000 angeblichen Staatsfeinden beteiligt gewesen sein: Er gehörte nach Recherchen von Amnesty International zu einer „Todes-Kommission“, die Angeklagte reihenweise zum weil sie den Dualismus an der Spitze der Islamischen Republik beendet. Nach der Verfassung ist der – vom konservativen Expertenrat bestimmte
schickte. Später stieg Raisi zum Oberstaatsanwalt in Teheran, zum iranischen Generalstaatsanwalt und schließlich zum Chef der Justiz auf. Nach Einschätzung der USBehörden machte sich Raisi auch bei der Niederschlagung von Protesten nach der manipulierten Präsidentenwahl 2009 schuldig. In seiner Zeit als Chef der iranischen Justiz seit 2017 gingen die Behörden mit drakonischer Härte gegen Andersdenkende vor. Allein von
2017 bis 2020 wurden im Iran nach Zählung von Menschenrechtlern mehr als 1300 Menschen hingerichtet, Hunderte weitere wurden von Sicherheitskräften bei Demonstrationen getötet. In seiner politischen Laufbahn war sein Ruf als gnadenloser Hardliner zunächst ein – Revolutionsführer zwar der entscheidende Mann. Doch der vom Volk frei gewählte Präsident bildet ein politisches Gegengewicht. Häufig
Hindernis: 2017 unterlag er bei der Präsidentenwahl dem Reformer Hassan Ruhani. Im Wahlkampf präsentierte sich Raisi als Mann des Volkes, der Korruption und Armut ausmerzen will. In den vergangenen Jahren hatte er hohe Staatsbeamte vor Gericht stellen lassen, darunter auch Richter. Die mächtigsten Gruppen im Staat, wie die Revolutionsgarde blieben jedoch verschont. Außenpolitisch ist Raisi bisher kaum in Erscheinung getreten. In seinen wenigen Kommentaren über das Ausland blieb er seinem Ruf als Hardliner treu. Im Januar drohte er dem früheren US-Präsidenten Donald Trump mit einem Attentat als Vergeltung für den US-Mordanschlag auf den iranischen General Qassem Soleimani ein Jahr zuvor.
in seinen mehr als 30 Jahren als Revolutionsführer musste Khamenei mit Präsidenten konkurrieren, die eigene mächtige Seilschaften anführten oder sich auf eine große öffentliche Unterstützung stützen konnten. Ab sofort ist der Präsident klar dem Revolutionsführer untergeordnet. Kritiker wie Ex-Präsident Mohammed Khatami hatten deshalb vor der Wahl vor einem Ende der Republik gewarnt. Khameini wolle ganz bewusst republikanische Elemente abschaffen, meint Ali Vaez, Iran-Experte der Denkfabrik International Crisis Group. Der 82-jährige Revolutionsführer wolle strukturelle Veränderungen durchsetzen, die seinem Amt die ganze Macht sichern – auch über seine Lebenszeit hinaus, sagte Vaez dem Magazin „New Yorker“. Dass sich Raisi als Präsident gegen diese Pläne wehrt, ist unwahrscheinlich: Er ist als Nachfolger von Khamenei als Revolutionsführer im Gespräch. Nach der Wahl versprach Raisi, seine Regierung werde für alle Iraner arbeiten und gegen die grassierende Korruption vorgehen. Ob Khamenei das erlauben wird, ist unsicher, weil viele mächtige Gruppen wie die Revolutionsgarde wirtschaftliche Vorteile genießen, die ihnen bei geordneten Verhältnissen verschlossen wären. Innenpolitisch wird Raisi zudem daran gemessen werden, ob er die sanktionsbeladene iranische Wirtschaft wieder flott bekommt. In der Außenpolitik dürfte sich Raisi an die Vorgaben von Khamenei und der Revolutionsgarde halten, die den iranischen Einfluss im Irak, in Syrien und im Libanon unbedingt erhalten wollen. Wirtschaftliche Zwänge dürften Khamenei und Raisi jedoch dazu bewegen, das Atomabkommen mit dem Westen zu reparieren, um die US-Sanktionen möglichst rasch zu beenden. Die seit dem Frühjahr laufenden Wiener Gespräche über das Atomabkommen sollten am Sonntag wie geplant weitergehen. Auch die USA dringen auf einen schnellen Abschluss. Die Nachrichtenplattform Axios zitierte einen US-Regierungsvertreter mit den Worten, es sei fraglich, ob es nach Raisis Amtsantritt Anfang August noch eine Einigung geben könne. Die israelische Regierung warnte dagegen, Raisis Wahl sei ein „Weckruf“, der den Westen davon abhalten sollte, mit dem Iran zu verhandeln.