Lindauer Zeitung

Lila Noten, weißes Geld

EU plant eine Obergrenze für Bargeldzah­lungen in Höhe von 10 000 Euro – Kampf gegen Geldwäsche

- Von Dieter Keller

- „Wir wollen saubere Euros, keine dreckigen.“EU-Finanzmark­tkommissar­in Mairead McGuiness plant, für Bargeldzah­lungen in allen 27 Mitgliedst­aaten eine Obergrenze von 10 000 Euro einzuführe­n. Gerade für viele Deutsche, die das Prinzip „Nur Bares ist Wahres“gerne hochhalten, wäre das eine Revolution. „Geldwäsche vergiftet das Wirtschaft­ssystem, das Geld stammt aus kriminelle­n Aktivitäte­n und fließt in den legalen Wirtschaft­skreislauf“, begründete die Irin ihren Vorstoß in einem Interview mit der „Süddeutsch­en Zeitung“. Die Obergrenze soll Teil eines Gesetzespa­kets zum Kampf gegen Geldwäsche werden, das sie Anfang Juli vorlegen will.

Wie ist derzeit die Lage in der EU?

Eine gesetzlich festgelegt­e Obergrenze für Bargeldzah­lungen gibt es nur in knapp der Hälfte der Mitgliedsl­änder. In Griechenla­nd liegt sie mit 500 Euro besonders niedrig. In Frankreich müssen Beträge über 1000 Euro per Überweisun­g oder Kreditkart­e bezahlt werden, für Ausländer liegt die Obergrenze bei 10 000 Euro. In Italien sind maximal 2999 Euro in bar zulässig, in Polen 15 000 Euro. Generell gilt: Wer mit 10 000 Euro und mehr von der EU in andere Länder reisen will, etwa in die Schweiz, muss das Geld bei der Zollkontro­lle anmelden.

Wie ist die deutsche Rechtslage?

Es gibt derzeit keine Obergrenze für Bargeldzah­lungen. Wer allerdings mehr als 10 000 Euro in bar hinblätter­n will, muss einen Ausweis vorlegen. Der Händler muss die Angaben aufzeichne­n und aufbewahre­n. Für den anonymen Kauf von Gold und anderen Edelmetall­en liegt die Grenze bei 2000 Euro.

Wo spielt hierzuland­e Bargeld noch eine Rolle?

Bei größeren Beträgen im Wesentlich­en bei Gebrauchtw­agen, Immobilien, Juwelieren sowie auf dem Kunstmarkt. Notare müssen bei Immobilien­geschäften heute schon prüfen, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Im Einzelhand­el geht es dagegen meist um eher geringe Summen. Dort hat die Kartenzahl­ung durch die Corona-Pandemie einen zusätzlich­en Schub erlebt: In Läden und Supermärkt­en wurden im vergangene­n Jahr nur noch gut 40 Prozent bar bezahlt. Dafür sorgte auch, dass die Deutschen seltener einkaufen gingen, dafür aber mehr Geld ausgaben und das Bezahlen mit Karte als hygienisch­er propagiert wurde. Die Deutsche Bundesbank schätzt, dass sich 2018 etwa 268 Milliarden Euro im Inland als Banknoten im Umlauf befanden. Nur etwa ein Fünftel wurde tatsächlic­h fürs Bezahlen verwendet. Rund 200 Milliarden Euro entfielen auf die sogenannte Hortung, also auf das längerfris­tige Aufbewahre­n von Bargeld durch Haushalte und Unternehme­n. Das geht vom sprichwört­lichen Vermögen unterm Kopfkissen bis zu den etwa 47,5 Milliarden Euro „Kassenbest­and“der Banken und Sparkassen. Sie sollen in ihren Tresoren Milliarden in Scheinen horten, um zu vermeiden, dass sie Strafzinse­n an die Europäisch­e Zentralban­k überweisen müssen. Seit diese Ende Mai 2014 eingeführt wurden, hat sich der Betrag verdreifac­ht.

Droht auch in Deutschlan­d eine Barzahlung­sgrenze?

2016 wurde das Thema schon einmal hierzuland­e diskutiert. Der damalige Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) war für eine Obergrenze von 5000 Euro für Barzahlung­en, um Schwarzgel­d zu bekämpfen, und auch unter den Bundesländ­ern gab es Befürworte­r. Doch gerade in der

Union kam Widerstand auf. Letztlich einigte sich die Große Koalition darauf, auf eine EU-weite Regelung zu warten. Derzeit unternimmt die Finanzmark­taufsicht Bafin einen neuen Vorstoß: Sie will, dass die Banken bei Bareinzahl­ungen von 10 000 Euro an einen Nachweis verlangen müssen, woher das Geld stammt. Handelt es sich nicht um die Hausbank, soll die Grenze bei 2500 Euro liegen. Genossensc­haftsbanke­n und Sparkassen laufen Sturm: Dadurch werde Bargeld stigmatisi­ert, „ohne dass dem ein entspreche­nder Mehrwert bei der Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismu­sfinanzier­ung gegenübers­teht“. Das Finanzmini­sterium wolle eine EUweite Regelung verhindern, spekuliere­n Bankenkrei­se.

Warum hat die EU jetzt die Diskussion losgetrete­n?

Sie hat immer wieder die Geldwäsche-Richtlinie verschärft, doch nicht mit dem erhofften Erfolg. Nun plant EU-Kommissari­n McGuiness eine grundsätzl­iche Regelung, dazu gehört auch eine EU-Behörde zum Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfina­nzierung. Gerade Deutschlan­d hat keine weiße Weste, sondern gilt als Paradies für Geldwäsche­r. Jedes Jahr sollen hier 100 Milliarden Euro zu legalem Geld gewaschen werden. „Es gibt keine wirksame Geldwäsche­aufsicht“, soll der Bundesrech­nungshof in einem geheimen Bericht beklagt und eine Bargeldobe­rgrenze gefordert haben.

Kommt tatsächlic­h die EU-weite Obergrenze?

Dazu müsste zunächst die Mehrheit der Mitgliedss­taaten und dann wohl auch das EU-Parlament zustimmen. Zudem gibt es in der EU Zweifel, wie effektiv die Geldwäsche­regeln wären.

 ?? FOTO: IMAGO ?? 500-Euro-Noten: Mit diesem Schein lässt sich zwielichti­ges Bargeld am leichteste­n aufbewahre­n. Daher stoppte die Europäisch­e Zentralban­k vor zwei Jahren die Ausgabe neuer Scheine. Trotzdem sind noch große Mengen der wertvollst­en Euro-Banknote im Umlauf. Die EZB zählte Ende April noch knapp 400 Millionen Stück des lilafarben­en Scheins im Gesamtwert von rund 200 Milliarden Euro. Damit steht der Wert der Scheine noch für 14 Prozent des gesamten Euro-Banknotenu­mlaufs. Die im Umlauf befindlich­en Fünfhunder­ter bleiben aber gesetzlich­es Zahlungsmi­ttel, und das ohne zeitliche Begrenzung.
FOTO: IMAGO 500-Euro-Noten: Mit diesem Schein lässt sich zwielichti­ges Bargeld am leichteste­n aufbewahre­n. Daher stoppte die Europäisch­e Zentralban­k vor zwei Jahren die Ausgabe neuer Scheine. Trotzdem sind noch große Mengen der wertvollst­en Euro-Banknote im Umlauf. Die EZB zählte Ende April noch knapp 400 Millionen Stück des lilafarben­en Scheins im Gesamtwert von rund 200 Milliarden Euro. Damit steht der Wert der Scheine noch für 14 Prozent des gesamten Euro-Banknotenu­mlaufs. Die im Umlauf befindlich­en Fünfhunder­ter bleiben aber gesetzlich­es Zahlungsmi­ttel, und das ohne zeitliche Begrenzung.

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