Grafische Kunst zeigt sich subtil, üppig und fein zugleich
Radierungen von Eckhard Froeschlin und Helm Zirkelbach in der Fähre in Bad Saulgau
- Nach sechs Monaten coronabedingter Pause in der Galerie Fähre konnte jetzt endlich die Ausstellung mit Radierungen von Eckhard Froeschlin und Helm Zirkelbach „Oh Captain, My Captain! - Geätzte Hommagen" eröffnet werden.
Wer erinnert sich nicht an diesen Ausruf, der die Ausstellung übertitelt? Auch wenn man den Dichter Walt Whitman nicht kennt, so wurde doch seit dem 1989 publizierten Film „Der Club der toten Dichter“seine Totenklage für den ermordeten Präsidenten Abraham Lincoln von 1865 legendär bekannt.
In der Fähre-Ausstellung dominiert diesmal Schwarz-Weiß, es ist eine reine Grafikausstellung mit Radierungen, die nicht nur in ihrer vielschichtigen Technik, sondern auch in ihren Formaten überraschen.
Eckhard Froeschlin, 1953 in Tettnang geboren und Helm Zirkelbach, 1962 in Schorndorf geboren, zeigen jeweils etwa 50 Arbeiten – vom kleinen Blatt bis zum überlebensgroßen Hochformat. Während Froeschlin mehr der Literatur zuneigt und Motive aus dem Werk und der Persönlichkeit bekannter Dichter wie Hölderlin, Kafka oder Borges und Künstlern wie Munch, Matisse oder Hopper schöpft, widmet sich Helm Zirkelbach der Lyrik und der Musik sowie auf poetische Weise der Natur.
Froeschlin verdichtet in seinen technisch raffiniert aufgebauten Bilderzählungen historische Szenen, Motive oder Personen hintergründig zur Satire oder zu einer zitatreichen Anspielung wie im „Ballhaus 1789“(1989), das er als eine Hommage an die Maler Tiepolo und Jacques Louis David versteht. Viele seiner Radierungen sind in ihren historischen Motiven komplex, sozialkritisch und politisch aktuell – und locken den Betrachter mit einer subtilen malerischen Haptik, die trotz der Abwesenheit von Farbe eine beträchtliche Sogwirkung entfaltet.
Ganz erstaunlich auch Froeschlins Dichter- oder Künstlerporträts als „Kurzbiografien“, in denen er die Andeutung eines Gesichts mit weiteren Angaben versieht wie bei „Renoir in Cagnes“die von Arthritis verformte Hand des Malers mit dem daran festgebundenen Pinsel. In solchen Blättern oder im „Porträt Ezra Pound“mit einigen Gedichtzeilen liegt eine bewundernswert genaue Zusammenfassung sprechender Details, die sich biografischer Geschwätzigkeit völlig enthält.
Helm Zirkelbachs Reihe „Winterreise“(2000) erschafft Stimmungsbilder
einer erstarrten und schemenhaften Natur, einzelne Motive wie „Der greise Kopf“oder „Die Krähe“illustrieren die von Schubert 1827 vertonten Gedichte von Wilhelm Müller ganz konkret in wenigen reduzierten Formen. Landschaftsmotive wie der „Bodensee“, „An den Äther“oder die fünfteilige Serie „Ein ewig Hugärtle“(regionaler Ausdruck für einen Obstgarten im Rems-Murr-Kreis) begreifen die Naturerscheinungen in ihren grafischen Linien als ebenso statisch wie dynamisch bewegt.
Anders nähert sich der Grafiker der Lyrik Walt Whitmans in hier 21 Blättern in A4-Größe: symbolische Motive wechseln mit abstrakten Bildnissen oder Porträts. Freier im Ausdruck oder Stimmung wirken neun Blätter aus der Reihe „Hommage à Chopin“, akustisch unterlegt mit Klaviermusik aus den 24 Préludes op. 28. Passend zur Dur- oder Moll-Tonart legen sich die intensiven Farben in Zwei- oder Dreiklängen über die Weichgrundätzung der Partitur im Hintergrund.
Fazit: Wer sich für die handwerkliche Perfektion der grafischen Kunst interessiert, der findet hier reichlich Anschauung.
Bis 1. August, Öffnungszeiten: Di.-So. und Fei. 14-17 Uhr.