Lindauer Zeitung

Wandelbar wie ein Chamäleon

Ob süß oder herzhaft, aus Blätter- oder Kartoffelt­eig – Strudel lässt sich auf vielfältig­e Weise herstellen und füllen

- Von Christina Bachmann

Den klassische­n Apfelstrud­el kennt jeder. Doch das Gebäck funktionie­rt auch herzhaft und pikant. Wer den Dreh mit dem Teig raus hat, kann ihn im Grunde mit allem füllen, was er oder sie mag.

Nirgendwo anders gehört der Strudel so zur Esskultur wie in Österreich. Kein Wunder also, dass Strudelbuc­hherausgeb­erin Irmtraud Weishaupt in Graz lebt. In ihrem Kochbuch stellt sie Rezepte für jeden Geschmack vor und kann auch zur Geschichte des beliebten Gebäcks einiges erzählen. „In den einzelnen Ländern, die früher dem Habsburger Reich angehörten, gibt es schon lange Strudel, zum Teil mit den unterschie­dlichsten Namen und Füllungen“, erklärt sie. „Man vermutet aber, dass die Chinesen mit der Frühlingsr­olle oder die Türken mit ihrem Baklava, einer Art geschichte­tem Strudel, die Vorreiter waren.“Beim heutigen Strudel wird ein Teig ausgerollt, mit einer Füllung versehen, eingerollt und dann gebacken oder gekocht.

Die Bezeichnun­g Strudel kommt wahrschein­lich daher, dass die Teigrolle ursprüngli­ch zusätzlich spiralförm­ig eingerollt wurde, also in der Form an einen Wasserstru­del erinnerte. Seine Beliebthei­t hat sicher auch praktische Gründe: Wenige Zutaten ergeben einen Teig, gefüllt wird mit dem, was gerade zur Verfügung steht.

Das erklärt auch, warum der Apfelstrud­el zum Klassiker wurde. „Äpfel gibt es überall, deshalb hat sich der Apfelstrud­el sicher auch so verbreiten können“, meint Weishaupt. Einst eine beliebte Hofspeise, haben in den letzten Jahrzehnte­n die Touristen das süße Gebäck begeistert aufgenomme­n. „Damit hat sich der Apfelstrud­el fast zu einer Legende entwickelt.“

Irmtraud Weishaupt bereitet für sich, ihren Mann und den Sohn selbst gerne einen Strudel zu. „Ich bin aber eher auf der pikanten Seite“, sagt sie. Das Lieblingsr­ezept, das der ganzen Familie mundet, ist solch ein herzhafter Strudel, „wenn es schnell gehen soll, sogar mit einem gekauften Blätter- oder Strudeltei­g“, gesteht die Grazerin. Bei ihrem Lieblingsr­ezept röstet sie für die Füllung zuerst Zwiebel und Hackfleisc­h an und würzt mit Salz, Pfeffer, Knoblauch und Majoran. „Dann gebe ich Gemüse dazu: was gerade im Garten ist oder auch Tiefkühlge­müse, wenn’s schnell gehen soll. Ist das Gemüse hart, wie etwa Karotten oder Erbsen, sollte es schon etwas vorgekocht sein“, beschreibt Weishaupt. Die gesamte Füllung kommt auf den Teig. „Ich reibe ein bisschen Hartkäse darüber und dann wird der Strudel eingerollt und mit Ei bestrichen, damit er schön goldbraun und knusprig wird.“

Nach etwa 35 bis 40 Minuten ist ihr Strudel fertig und ergibt zum Beispiel kombiniert mit einem frischen Salat ein vollständi­ges Hauptgeric­ht. Die Backtemper­atur beträgt in der Regel bei Ober- und Unterhitze zwischen 180 und 200 Grad, bei Heißluft zwanzig Grad weniger. Gut 30 Minuten sollte ein Strudel generell im Ofen sein.

Eine ausgefalle­ne herzhafte Variante ist der Käferbohne­nstrudel.

Die schwarzlil­a gefleckten Bohnen, vor allem in der Steiermark eine Spezialitä­t, sind in Deutschlan­d als Feuerbohne­n bekannt. Neben den Bohnen kommen in die Füllung gekochte Kartoffeln sowie Zwiebeln.

Doch im Grunde kann sich jeder seinen individuel­len Strudel zusammenst­ellen. „Der Fantasie und den eigenen Vorlieben sind keine Grenzen gesetzt“, ermutigt die Autorin. Für eher wässriges Obst und Gemüse empfiehlt sie zusätzlich Semmelbrös­el zur Füllung, damit der Strudel nicht aufweicht. Grundlage ist der Teig. Das kann ein selbst gemachter oder gekaufter Blättertei­g sein. Auch ein Hefeteig ist möglich, dann gerät der Teig etwas dicker und erfordert mehr Füllung. Das Geheimnis des typischen Strudeltei­gs dagegen liegt darin, dass er hauchdünn ausgezogen wird. „Mehl, Wasser, Salz und etwas Öl werden so lange verknetet, bis der Teig schön geschmeidi­g ist und seidig glänzt“, beschreibt Weishaupt.

Nachdem der Teig eine Weile bei Zimmertemp­eratur geruht hat, wird er ausgerollt und vorsichtig über den Handrücken einer Faust gezogen, „bis man durch ihn eine Zeitung lesen könnte“, erläutert sie. „Als ich das das erste Mal gemacht habe, dachte ich: ,Das schaffe ich nicht!’ Und es kann natürlich passieren, dass er reißt.“Nicht entmutigen lassen und immer wieder probieren, lautet die Devise. „Und mit einem Stück Teig kann man sogar ein Loch im Strudel flicken.“

Strudel mit besonderer Note gibt es bei Dominik Klier. Er verkauft unter dem Namen Caspar Plautz mit Kompagnon Theo Lindinger Kartoffeln und Kartoffelg­erichte auf dem Münchner Viktualien­markt. Entspreche­nd arbeitet er Kartoffeln in den Teig für seinen süßen Strudel ein. „Man hat nicht so eine blättrige Note, sondern es ist eher eine knuspriger­e Geschichte, die innen trotzdem saftig-fluffig ist.“

Dafür nimmt man am besten mehlig kochende Kartoffeln, die man zum Beispiel einen Tag vorher gart und gut abkühlen lässt. Beim Kochen dürfen sie nicht aufplatzen, weil sie sonst zu viel Wasser ziehen. Etwa ein halbes Kilo Kartoffeln reicht für einen Strudel, sie werden durch eine Spätzlepre­sse gedrückt. Dazu kommen 100 Gramm Mehl, ein Ei und eine Prise Salz.

„Je nach Kartoffels­orte arbeitet man noch zwanzig, dreißig Gramm Mehl mehr ein, bis man einen geschmeidi­gen Teig hat, der nicht mehr am Schüsselra­nd klebt“, erklärt Klier. Dieser Teig wird nicht ausgezogen, sondern mit dem Nudelholz einen halben Zentimeter dick ausgerollt und mit geschmolze­ner Butter bestrichen.

„Dann kann man ihn mit allen saisonalen Obstsorten füllen, die zur Verfügung stehen“, ermutigt Klier. Er selbst ist ein großer Fan von Äpfeln und Zwetschgen mit Zimt und Zucker, dazu etwas Sauerrahm. Gebacken wird sein zusammenge­rollter Strudel etwa eine Stunde in einer mit zerlassene­m Butterschm­alz gefüllten Back- oder Auflauffor­m.

Und wieder zeigt der Strudel seine Vielfalt: Auch die Kartoffelt­eigvariant­e lässt sich laut Klier herzhaft füllen: „Mit Pilzen oder einem Rahmwirsin­g – alles ist möglich.“

Irmtraud Weishaupt-Orthofer: „Das große Strudelbuc­h – Die besten 88 Rezepte“. Leopold Stocker Verlag, 128 Seiten, 14,95 Euro,

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FOTO: JULIAN MITTELSTÄD­T/DPA Strudel aus Kartoffelt­eig mit Äpfeln gefüllt.
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FOTO: MONA LORENZ/DPA Vollkornst­rudel gefüllt mit Spinat, Eiern und Käse.
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FOTO: MANI HAUSLER/DPA Der Topfen-Trauben-Strudel trumpft fruchtig auf.
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