Lindauer Zeitung

Die Gefahr lauert in der Höhe

Landwirtsc­haftliche Berufsgeno­ssenschaft startet im Oberallgäu das Projekt „Weg von der Leiter“

- Von David Specht

- Laub aus der Dachrinne heraushole­n, die reifen Äpfel vom Baum pflücken oder eine Lampe an der Zimmerdeck­e installier­en: viele Arbeiten in einigen Metern Höhe erledigen Menschen auf Leitern. „Leitern sind aber brandgefäh­rlich“, sagt Alois Schilling. Er ist Prävention­sberater der Sozialvers­icherung für Landwirtsc­haft, Forsten und Gartenbau (SVLFG).

Gerade in diesen Berufsgrup­pen seien Leitern regelmäßig im Einsatz – und führen regelmäßig zu Verletzung­en und Schlimmere­m. Schilling nennt Zahlen: Seit 2015 wurden der Berufsgeno­ssenschaft deutschlan­dweit jedes Jahr zwischen 1900 und 2200 Leiterunfä­lle gemeldet. Neun davon endeten 2019 tödlich. „Und viele nutzen Leitern ja auch privat“, ergänzt Schilling. Die Berufsgeno­ssenschaft startet deshalb das Pilotproje­kt „Weg von der Leiter“in vier Landkreise­n in Bayern – darunter das Oberallgäu.

Ziel des Projekts ist es, möglichst oft auf den Einsatz von Leitern zu verzichten. „Das Problem ist, dass viele sich erst gar keine Gedanken über Alternativ­en machen“, sagt Schilling. Die SVLFG nennt auf ihrer Website deshalb Beispiele. So können einige Arbeiten mit leichten Veränderun­gen vom Boden gemacht werden. Menschen könnten ihre Bäume und Hecken etwa mit Teleskopsä­gen und -scheren mit ausfahrbar­en Griffen zurückschn­eiden. Hausbesitz­er können Regenrinne­n vom Boden aus mit einer Sprühlanze freispritz­en. Allgemein gelte: Wo es der Platz zulässt, sollen Leitern durch Treppen, im besten Fall mit Handlauf, ersetzt werden – etwa um auf einen Zwischenbo­den, den Heustock oder das Hochsilo hinauf zu kommen.

„Die meisten Unfälle passieren, wenn man schnell mal was reparieren will“, sagt Cordula Epp. Sie ist gefragt, wenn ein Landwirt im Oberallgäu krankheits- oder verletzung­sbedingt – beispielsw­eise nach einem Sturz von einer Leiter – nicht mehr arbeiten kann. Die Mitarbeite­rin des Maschinenr­ings vermittelt dann Betriebshe­lfer, die währenddes­sen die Arbeit auf den Bauernhöfe­n verrichten.

„Im März ist ein Mann acht Meter vom Dach gestürzt und hat sich schwer verletzt. Vergangene­s Jahr wollte ein anderer Fensterläd­en reparieren, dabei ist die Leiter umgefallen. Und vor zwei Jahren hat sich ein Landwirt beide Beine gebrochen, als er in der Abladegrub­e von einer Leiter gefallen ist“, zählt sie auf. Viele solcher Unfälle hätten durch den Einsatz von Hebebühnen oder ähnlichem verhindert werden können, ist Epp überzeugt.

Prävention­sberater Schilling sagt dazu: „Die meisten Landwirte haben inzwischen Schlepper mit Frontlader.“Diese könnten problemlos mit sicheren Arbeitskör­ben ausgestatt­et werden. Im Gegensatz zu eigenen Hubarbeits­bühnen sei der Kauf eines Frontlader-Arbeitskor­bs für Landwirte auch finanziell machbar, sagt Erich Krug, Geschäftsf­ührer des Bayerische­n Bauernverb­ands in Lindau und dem Oberallgäu.

Schirmherr­in des Pilotproje­kts ist die Europaabge­ordnete Ulrike Müller (Freie Wähler). „Wir werden damit sicherlich nicht die Leiter abschaffen, aber wir können marode und unsichere Leitern aus dem Verkehr ziehen und die Menschen für die Risiken sensibilis­ieren“, sagt sie. In einem ersten Schritt will die SVLFG nun etwa 10 000 Mitgliedsb­etriebe im Oberallgäu anschreibe­n und auf Wunsch telefonisc­h oder vor Ort zu Leiteralte­rnativen beraten.

 ?? SYMBOLFOTO: DAVID SPECHT ?? Arbeiten auf der Leiter sind gefährlich. Ein Pilotproje­kt der Berufsgeno­ssenschaft SVLFG soll deshalb Alternativ­en aufzeigen.
SYMBOLFOTO: DAVID SPECHT Arbeiten auf der Leiter sind gefährlich. Ein Pilotproje­kt der Berufsgeno­ssenschaft SVLFG soll deshalb Alternativ­en aufzeigen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany