„hallo.immo“fokusiert besonderen Markt
Drei Unternehmer möchten die Beratungsbranche rund um Immobilien umkrempeln
- Dass er einmal Mitgründer eines Start-ups sein würde, hätte der Tettnanger Geschäftsmann Edgar Kellermann vor einiger Zeit sicher noch nicht gedacht. „hallo.immo“heißt die App, die der Immobilienberater gemeinsam mit der Tettnanger Agentur Alpenblickdrei herausgebracht hat. Dass es dazu gekommen ist, basiert auf einem Zufall. Doch als er, Marvin Lang und André Koller das Potenzial erkannt hatten, war den dreien klar: „Wir haben ein Produkt.“
Kellermann arbeitet mit seinem Unternehmen „Immobilienschneiderei“in einem speziellen Anlagesektor. Er berät und vermittelt beim Kauf von vermieteten Immobilien als Kapitalanlage. Anders als beim Kauf selbst genutzter Immobilien gibt es hier weitere Faktoren, die wichtig in Beratungsgesprächen sind. Da geht es dann nicht nur um die Frage von Zins und Tilgung, sondern auch rund um die Möglichkeiten der Vermarktung oder die Betriebskostenabrechnung.
Nun ist für Kellermann als Berater eine zentrale Anforderung, komplexe Sachverhalte auf möglichst einfache Art und Weise vermitteln zu können. Doch während es bei vielen anderen Geschäftsfeldern im Internet moderne Möglichkeiten gibt, verschiedene Lösungsansätze etwa durch das einfache Bewegen von Schiebereglern quasi in Echtzeit und selbsterklärend zu verdeutlichen, macht Kellermann in seinem Geschäftsfeld eher eine Art Altbackenheit aus. Dort dominierten Excel-Tabellen und sonstige Speziallösungen, die nicht mehr zeitgemäß seien, sagt er. Weder in der Darstellung noch in der Pflege.
Das fand Kellermann immer schon unbefriedigend. Er spricht hier gern von der Entwicklung von der Steinzeit (Ausfüllen von Formularen von Hand vor 30 Jahren) bis hin zum Stehenbleiben im Mittelalter (über Excel-Lösungen, lange Tabellen oder Ähnliches) und davon, dass er die Moderne in seinem Geschäftsfeld immer vermisst habe. Der Leidensdruck war allerdings nie so groß, dass er von sich aus unter die IT-Unternehmer gegangen wäre. Dafür sorgte eher ein Zufall.
Denn Marvin Lang und André Koller von der Agentur Alpenblickdrei sind seine Mieter, arbeiten quasi eine Tür weiter. Und während Kellermann sich mit der Vermarktung vermieteter Immobilien auskennt, sind Lang und Koller spezialisiert auf Marketing und Softwarelösungen. Bei ihnen bestellte Kellermann zuerst einmal nur einen Rechner für seine Homepage der Immobilienschneiderei. Den fertigte Alpenblickdrei dann auch an. Mit Schiebereglern können potenzielle Kunden dort herumspielen. Wenn sie weitere Informationen haben möchten, öffnet sich ein Formular, in dem sie ihre EMail-Adresse hinterlassen können. Diese Form des Marketings nutzen viele Unternehmen.
Und dann kamen die ersten Anrufe von Immobilienberatern, die auch so etwas haben wollten. Als es mehr wurden, gingen Lang und Koller eine Tür weiter und suchten Kellermann auf. Lang: „Wir hatten das ja exklusiv im Auftrag gebaut. Deswegen hätten wir das individuell bauen müssen. Deswegen mussten wir uns kurzschließen.“Aus diesem Gespräch entstand dann die Idee, das zu einem Produkt zu machen. „Wir haben eigentlich eine Lösung für ein unausgesprochenen Wunsch entwickelt“, sagt Kellermann im Rückblick. Das Zusammentreffen mit Kellermann betrachten Lang und Koller ebenfalls als Glücksfall: „Wir wären von uns aus ja auch nie auf die Idee gekommen, so einen Rechner zu entwickeln.“
Dadurch, dass Kellermann schon lange im Markt unterwegs ist, kennt er die Anforderungen, die er selbst und andere Berater in dem Umfeld haben. Seine Mieter und neuen Geschäftspartner von Alpenblickdrei können das dann in die Software übersetzen und haben einen klaren Plan, wie sie das Produkt weiterentwickeln möchten. Der ursprüngliche Internet-Rechner als Marketing-Instrument soll so zu einem Werkzeug für Beratungen werden, wo Kunden mit einem Blick aufs Display in Echtzeit sehen können, wie sich etwa eine geringere Rate oder ein höherer Eigenkapitaleinsatz auswirken. Das soll recht bald mit Blick auf mehrere Immobilien funktionieren, auch in Teams und mit Anbindung an die eigene Datenbank.
Einen Testlauf mit 25 Beratern hat das Start-up hallo.immo zu Beginn des Jahres durchlaufen, mittlerweile sind die Tettnanger damit auch am Markt vertreten. Lang und Koller sagen, sie seien verblüfft gewesen, dass so etwas wie ihre Softwarelösung nicht zum Standard gehöre. Kellermann sagt mit Blick auf den Beratermarkt in diesem speziellen Segment, dass es eben keinen Goliath gebe, sondern nur viele kleine Davids – auch wenn es natürlich einzelne größere Organisationen gebe, die das Segment vermietete Immobilie in ihrem Gesamtportfolio hätten. Aber insgesamt sei das recht kleinteilig.
In einem Branchenreport von 2018 spricht das Statistische Bundesamt in Deutschland von rund 76 000 tätigen Personen in dem Feld der Vermittlung von Wohnimmobilien für Dritte. Darunter waren etwa 3500 Inhaber und rund 45 000 Angestellte, die 8,9 Milliarden Euro Gesamtumsatz erzielt haben. Der gesamte Immobilienmarkt hatte 2018 einen Umfang von 142,5 Milliarden Euro mit rund 526 000 Beschäftigten.
Allerdings ist für Kellermann, Lang und Koller bei der Entwicklung nur das eigene Spezialsegment interessant. Kellermann sagt klar: „Ich kenne mich nur darin aus. Ich habe in meinen ganzen Berufsjahren nur einmal eine Immobilie an jemanden verkauft, der dann selbst eingezogen ist.“Das sei einfach ein Zufall gewesen, aber es sei eben nicht sein Gebiet. Die Marktchancen bewerten sie wegen der Nachfragen als gut, die Software gibt es im Abo-Modell. Erste Kunden gibt es bereits. Jetzt hoffen sie, sagt Kellermann, dass die Rakete zünde. Aufs Mittelalter soll so gleich der Mondflug folgen.