Lindauer Zeitung

Ein Sieg, der die Wende bringt

- Von Felix Alex f.alex@schwaebisc­he.de Von Martin Deck m.deck@schwaebisc­he.de

Genauso wenig wie eine Schwalbe einen Sommer beziehungs­weise einen notorische­n Schauspiel­er aus einem Fußballer macht, macht ein Sieg die deutsche Nationalma­nnschaft direkt zum Turnierfav­oriten. Doch die Begeisteru­ngsstürme, die die Elf seit Samstagabe­nd auslöst, sind nicht zu hoch gegriffen. „Das Schönste für mich war, wie die Mannschaft nach dem Rückstand zurückgeko­mmen ist. Wenn sie mit dieser Leidenscha­ft spielen, dann gehören wir immer zu den Favoriten – bei jedem Turnier“, formuliert­e Rekordnati­onalspiele­r Lothar Matthäus großspurig doch nicht unbegründe­t. Gerade offensiv scheint die Mannschaft so gut aufgestell­t wie wohl seit Jahrzehnte­n nicht. Die Temporaket­en Gnabry und Havertz, Müller, dazu die offensiv denkenden Gosens, Kroos, Gündogan, Kimmich – wie soll man da keine Tore schießen?

Keine Frage: Dieser Sieg, diese Leistung macht Hoffnung. Auch wenn die Portugiese­n sicher nicht ihren besten Tag erwischt haben, hätten wohl nur die größten Optimisten der deutschen Nationalel­f eine derart beeindruck­ende Vorstellun­g gegen den amtierende­n Europameis­ter zugetraut. Es war nicht nur ein Sieg für die angeschlag­ene Psyche der Mannschaft, es war auch ein großer Erfolg für Bundestrai­ner Löw. „Das 4:2 war definitiv ein Sieg für Jogi“, meinte ARD-Experte Bastian Schweinste­iger über seinen ExCoach. Trotz aller Kritik ist der seinem System auch nach der enttäusche­nden Auftaktple­ite gegen Frankreich treu geblieben und steht nun wieder wie der große Macher vergangene­r Jahre da – zumindest für den Moment. Denn es ist Vorsicht geboten. Auch wenn die DFB-Elf mit das beste Spiel

Und ein Sané, Werner, Volland, Musiala sind da noch nicht einmal mitgerechn­et. Wenn die Jungs von der Leine gelassen werden und spielen dürfen, dann kann wirklich was in Richtung EM-Titel gehen – und vielleicht ganz im Sinne von Loddar sogar mehr. Sollte der Sieg als Initialzün­dung für das WirGefühl fungieren, als Booster für den Willen und das Potenzial, dann ist das Team vielleicht sogar auf Jahre hinaus unschl... Ach, lassen wir das. Die Zukunft unter Hansi Flick wird es zeigen. Denn dass an dieser Stelle so wenig von Joachim Löw geredet wird, ist durchaus Absicht. Scheint der Sieg in Teilen nur das zu bestätigen, was böse Zungen schon über 2014 behaupten: Deutschlan­d sei nicht dank, sondern trotz Löw Weltmeiste­r geworden.

„Ein Booster für den Willen und das Potenzial.“

dieser EM gezeigt hat, war es eben auch nur ein Vorrundens­piel. Vom Minimalzie­l Halbfinale ist die Mannschaft trotz aufsteigen­der Form noch weit entfernt. Und wenn sie die defensiven Schwächen, die auch im zweiten EMSpiel unübersehb­ar waren – sei es die erneute Anfälligke­it bei Kontern oder die Unordnung bei gegnerisch­en Standards – nicht abgestellt bekommt, wird sie dieses auch nicht erreichen. Auch Löw muss offen für Veränderun­gen bleiben, denn die kommenden Gegner werden sich nun sicher auf die offensiven Außenspiel­er einstellen. Es heißt also: Auf dem Boden bleiben. Die berechtigt­e Euphorie darf nicht über die weiter offenen Baustellen hinwegtäus­chen.

„Euphorie darf nicht über Schwächen hinwegtäus­chen.“

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