Talent alleine reicht nicht
Franzosen schieben Unentschieden gegen Ungarn auf Hitze und Atmosphäre im Stadion
(dpa) - Der EM-Saunagang von Budapest mit Fan-Dröhnung hatte Antoine Griezmann so richtig geschafft. Den Stürmerstar der Franzosen ließ das Wetter-LautstärkeThema auch einen Tag nach dem Ausrutscher gegen Ungarn bei mehr als 30 Grad und einer Kulisse von 55 998 Zuschauern nicht kalt. „Die Hitze war wirklich unglaublich“, berichtete der bestens gelaunte Griezmann bei einer Videokonferenz in einem sicherlich wohltemperierten Raum am Sonntag.
Griezmann rettete dem Weltmeister mit seinem Treffer ein 1:1 (0:1), das den Franzosen vor dem Topduell mit Titelverteidiger Portugal am Mittwoch (21.00 Uhr/Magenta TV) erneut in der Puskas Arena die Möglichkeit bietet, sogar bei einer Niederlage weiterzukommen. Soweit will es Griezmann, der nur noch zwei Treffer hinter Frankreichs EM-Rekordtorschütze Michel Platini liegt, jedoch nicht kommen lassen. Er will das Achtelfinale mit einem weiteren Sieg klarmachen und freut sich auf eine für ihn spezielle Partie. Seine Mutter Isabelle stammt aus Portugal und wird auch im Stadion sein. „Es ist ein besonderes Spiel für mich. Teile meiner Familie tragen ein portugiesisches Trikot“, sagte er strahlend, nachdem er sich von den Strapazen des Vortags erholt hatte. „Es war super anstrengend. Das war ein schwieriges Spiel mit den Fans. Wir sind ein volles Stadion nicht mehr gewohnt. Wir haben uns nicht gehört“, hatte er direkt nach Schlusspfiff geklagt.
Die Ungarn kamen mit der Hitze und dem frenetischen Heimpublikum bestens klar. „Es liegt daran, dass wir daran gewöhnt sind, zu leiden und mit Zähnen und Klauen zu kämpfen“, sagte Trainer Marco Rossi. „Teams, die mit Talent gesegnet sind, müssen nicht so viel kämpfen. Aber die, die nicht so viel Talent haben wie ich oder mein Team, müssen jeden Tag kämpfen.“
Ein ums andere Mal kam Benjamin Pavard ins Straucheln. Dem Rechtsverteidiger des FC Bayern entwischte zum Beispiel kurz vor der Halbzeit Attila
Fiola – und brachte Ungarn in Führung. Pavard sei jedoch gleich zu Beginn „schlimm gestürzt“, berichtete Nationaltrainer Didier Deschamps dem Sender TF1: „Das hat sich bemerkbar gemacht. Aber die Spieler wollen auf dem Platz bleiben. Selbst wenn sie nur noch auf einem Bein stehen“, sagte der Coach, der Pavard eigentlich hätte auswechseln wollen.
Der ehemalige Münchner und ebenfalls frühere Rechtsverteidiger Willy Sagnol kritisierte in der „L'Equipe“den aktuellen Bayern-Profi, von den Beschwerden Pavards wusste er vermutlich jedoch nicht. Sagnol unterstellte den Franzosen indes ein Einstellungsproblem. „Man hat von Beginn an gesehen, dass sie zu selbstgefällig waren“, befand er: „Vielleicht haben die Spieler nach dem Deutschland-Spiel in der Presse zu viel gelesen und gehört. Wenn man denkt, dass Talent alleine den Unterschied machen kann, ist das selbstgefällig.“
Griezmann würde Sagnol wohl kaum zustimmen. Der 30-Jährige stärkte lieber seinen Teamkollegen Pavard. „Benjamin hatte in der ersten Halbzeit einige Probleme. Und dafür gibt es dieselbe Entschuldigung wie bei mir: die Hitze.“
Ungarn - Frankreich 1:1 (1:0) Tore: 1:0 Fiola (45.+2), 1:1 Griezmann (66.). – Zuschauer: 55 000 in Budapest.