Auf Kosten der Kinder
Kramen wir den Zyniker heraus – und ja – Vergleiche hinken, aber dennoch: Es gibt schon ein paar Dinge, die ähneln sich in Deutschland, Europa und Indien. Wahlen stehen oder standen an und die Parteien machen oder machten sich locker. Corona scheint oder schien besiegt, die Bevölkerungen durften zu Großveranstaltungen. In Indien waren es riesige Polit-Demos, in Europa tarnen sich solche Zusammenrottungen derzeit als FußballEuropameisterschaft. Wer wagt es schon, König Fußball in die Schranken zu weisen, wenn gerade die Stimmung nach eineinhalb Jahren Corona-Pandemie wieder besser wird?
Vielleicht geht ja die Rechnung auf, dass die Menschen nach einem gelungenen Sommerurlaub wohlgemut bei der Bundestagswahl ihr Kreuzchen machen und so für Kontinuität sorgen. Dass dann die DeltaMutante möglicherweise den Schulbetrieb erheblich in Mitleidenschaft ziehen könnte, wird mehrheitlich noch dementiert. Die Kanzlerin, die sich nicht mehr zur Wahl stellt, hat erheblich an Einfluss verloren, national wie international. Die deutschen Bundesländer haben sie in den vergangenen Monaten überstimmt oder gar ignoriert, jetzt warnt Angela Merkel erneut.
Die Noch-Regierungschefin zeigt sich skeptisch, ob volle Stadien in europäischen Staaten die richtige Antwort auf die augenblickliche Situation seien. Die Frage sollte von anderen Politikern auch gestellt werden, ob Superspreader-Ereignisse länderübergreifend bei Delta wirklich sein müssen? Es ist ärgerlich, wenn die hiesige Gastronomie und Hotellerie trotz detaillierter Hygienekonzepte ihre Häuser geschlossen halten mussten, aber beim milliardenschweren Profifußball Sicherheit in den Stadien suggeriert wird, obgleich außerhalb dieser Tempel wenig kontrolliert werden kann.
Glaubt denn jemand, dass die nicht nur freudetrunkenen Schotten nach dem historischen Unentschieden gegen die Engländer im DeltaHotspot London Abstandsregeln einhielten? So bleibt nur die simple Hoffnung, dass im Herbst nicht wieder die Kinder die Zeche zahlen müssen.