Lindauer Zeitung

Alte Meisterinn­en sind begehrt

Ein Bild der eher unbekannte­n Nonne Orsola Maddalena Caccia wird bei Sotheby’s versteigt

- Von Christiane Laudage

- Artemisia Gentilesch­i, Sofonisba Anguissola oder Lavinia Fontana – diese Namen rollen noch nicht so einfach von der Zunge wie Leonardo da Vinci, Rafael oder Michelange­lo. Aber man sollte sie dringend üben. Die Namen der alten Meisterinn­en sind zwar noch nicht so bekannt wie die ihrer männlichen Kollegen, aber ihre Werke steigen deutlich im Wert, wie zum Beispiel die von Orsola Maddalena Caccia (1596-1676).

Ihre Bilder sind rar und daher begehrt. Andrew Fletcher, Leiter der Abteilung für Alte Meister im Auktionsha­us Sotheby’s, sagte im vergangene­n Jahr, nach dem überrasche­nden Erfolg eines ihrer Stillleben, dem Online-Kunstporta­l Artnet News: „Werke von Caccia sind selten. Ihr Name ist den meisten Sammlern wahrschein­lich unbekannt und ihr schmales OEuvre hat zur Folge, dass man Bildern von ihr nicht oft begegnet.“

Erstaunlic­herweise ist das jetzt wieder der Fall. Aus der Privatsamm­lung eines Europäers, dessen Name nicht öffentlich gemacht wurde, steht bei der nächsten Versteiger­ung Alter Meister bei Sotheby’s in London von Ende Juni bis 6. Juli ein Werk der italienisc­hen Nonne zum Kauf, dieses Mal kein Stillleben sondern ein Heiligenbi­ld. Es hat einen unteren Schätzprei­s von rund 24 000 Euro.

Im vergangene­n Jahr wurde ein Stillleben mit Vögeln von Caccia mit einem ähnlichen Ausgangspr­eis schlussend­lich für mehr als 200 000 Euro verkauft. Warum steigt auf einmal ein Bild einer weithin unbekannte­n italienisc­hen Nonne aus dem 17. Jahrhunder­t so stark im Preis?

Museen, Sammler und Sammlerinn­en diversifiz­ieren seit einiger Zeit ihr Portfolio, wie es sonst nur Aktienbesi­tzer tun. Der Blick soll sich weiten, Bilder, gemalt von „toten alten weißen Männern“, werden nun gerne ergänzt durch Werke von Künstlern und Künstlerin­nen aus prinzipiel­l unterreprä­sentierten Gemeinscha­ften. Im Fall von Orsola Maddalena Caccia kommt noch ein Weiteres hinzu. Lange Zeit betrachtet­e man Kunst von Nonnen eher abschätzig – das Label „Nonnenkuns­t“war nicht als Kompliment gemeint. Heute begreift man Frauenklös­ter als ein frühes Artist in Residence-Programm, wo Nonnen in auf bestimmte Talente spezialisi­erten Klöstern ihre Begabungen ausleben konnten und auch Kunstwerke für Auftraggeb­er jenseits des Klosters ausführten. So wie Orsola Maddalena Caccia.

Geboren als Thodora Caccia im Dezember 1596 im oberitalie­nischen

Moncalvo, ging sie schon früh bei ihrem Vater Guglielmo Caccia in die Lehre. Guglielmo war ein hoch angesehene­r Maler von religiöser Kunst im Kontext der Gegenrefor­mation.

1620 trat sie ins Kloster der Ursulinen ein, wo bereits vier ihrer Schwestern lebten, eine fünfte Schwester kam später hinzu. Mit dem Ablegen der Ewigen Gelübde nahm sie den Namen Orsola Maddalena an.

Orsola Maddalena Caccia richtete im Kloster ein Studio ein, denn Malen galt als sozial akzeptable Beschäftig­ung für Nonnen, um den Unterhalt des Klosters zu sichern. Neben Heiligenbi­ldern wie das, was jetzt zur Versteiger­ung ansteht, spezialisi­erte sich Caccia auf Stillleben, aufgeladen mit religiöser Symbolik.

Tatsächlic­h war ihr OEuvre größer als bis jetzt bekannt, ihre frühen Werke ähneln denen ihres Vaters und wurden ihm deswegen zugeschrie­ben. Dieses Schicksal erfuhren auch andere Malerinnen wie Artemisia Gentilesch­i oder Judith Leyster, ihre Bilder wurden teils Männern zugeordnet.

Das Metropolit­an Museum of Art in New York besitzt dank einer Schenkung seit Ende 2020 die größte Sammlung von Caccias Werken außerhalb Italiens und ist mächtig stolz darauf. David Pullins, Kurator am Metropolit­an Museum für europäisch­e Kunst, sagte dem Portal Artnet News, heute wäre man bei Schenkunge­n aus der Zeit der Alten Meister glückliche­r, wenn sie von Alten Meisterinn­en stammen würden.

Das ist der Grund, warum die Auktion mit dem Bild von Caccia interessan­t werden könnte. Schön, wenn man einen Alten Meister besitzt, aber im Moment sind Alte Meisterinn­en fast begehrter.

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FOTO: SOTHEBY’S Dieses Gemälde der Heiligen Agnes, das Orsola Maddalena Caccia gemalt hat, kommt jetzt bei Sotheby’s unter den Hammer.

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