Warum das Herzlich zu bleibt
Landratsamt verhängt gegen die Lindenberger Betreiberin ein Bußgeld
- Das Geschäftsleben normalisiert sich allmählich. Die allermeisten Läden und Cafés in Lindenberg haben wieder geöffnet. Eine Ausnahme liegt im Zentrum der Stadt. Das Laden-Café Herzlich ist geschlossen und wird das möglicherweise noch eine Zeit lang bleiben. Das Landratsamt hat der Betreiberin die gaststättenrechtliche Erlaubnis entzogen, ein Bußgeld in vierstelliger Höhe verhängt und das Betreiben eines Ladengeschäftes mit Kundenverkehr bis auf Weiteres untersagt. Anlass sind Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz. Für zusätzliche Diskussionen sorgt eine Spendenkampagne, die die Betreiberin im Internet gestartet hat.
Das Herzlich befindet sich im früheren Stadt-Café an der Hauptstraße. Geführt wird es von Barbara Niemann, die sich aus einer Hartz-IV-Situation heraus selbstständig gemacht hat. Aufgrund der besonderen Atmosphäre hat das Laden-Café, seit 2019 ergänzt um eine Kaffeerösterei ihres Mannes, schnell Freunde gefunden. Das spiegelte sich in vielen positiven Bewertungen wider.
Geändert hat sich das mit Beginn der Pandemie. Zunehmend kamen Klagen über Verstöße gegen die Maskenpflicht in dem Laden-Café. Das Thema sorgte in der ganzen Stadt für Diskussionen: Nicht wenige sprachen von einer „Gefährdung für andere Menschen“, Geschäftsleute fürchteten einen Corona-Hotspot und stärkere Einschränkungen für alle. Das Thema schlug im Stadtrat auf, im Rathaus direkt gingen etliche Beschwerden ein, bestätigt Bürgermeister Eric Ballerstedt. Und auch in der Redaktion meldeten sich Gäste: Die Betreiberin habe mehrfach darauf hingewiesen, dass bei ihr keine Masken getragen werden müssen, schilderten sie ihre Erfahrungen.
Nicht wenige wunderten sich, warum die Behörden nicht reagierten – zumindest nicht wahrnehmbar. Das geschah im Herbst. Da erließ das Landratsamt einen Bußgeldbescheid über 5000 Euro plus Gebühren in dreistelliger Höhe. Offenbar stuft die Behörde die Verstöße als schwerwiegend ein. Jedenfalls ist es das höchste Bußgeld, das das Landratsamt seit Beginn der Pandemie im März 2020 wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz verhängt hat. Verfahren sind allerdings auch noch gegen drei andere Gaststättenbetreiber eingeleitet (siehe Infokasten).
Bezahlt hat Barbara Niemann nicht. Sie hat nach eigenem Bekunden Widerspruch eingelegt. Auf Nachfrage der Redaktion weist sie die Vorwürfe zurück. Mehrfach seien Polizeibeamte in ihrem Betrieb gewesen. Dabei seien keine Verstöße festgestellt worden. Mit Blick auf die Anzeigen spricht sie von Denunziantentum. Mitarbeiterinnen, die keine Maske trugen, seien allesamt per ärztlichem Attest von der Maskenpflicht befreit gewesen. Das gelte auch für sie selber. Erzählungen, Mitarbeiter seien gekündigt worden, weil sie eine Maske tragen wollten, weist die Unternehmerin zurück:
„Wir haben niemals irgendjemandem verboten, eine Maske zu tragen“, sagt sie. Entscheiden wird in der Sache sehr wahrscheinlich die Justiz. Das Verfahren ist gerichtsanhängig.
Richter werden wohl auch über die gaststättenrechtliche Genehmigung entscheiden. Das Landratsamt hat sie der Herzlich-Betreiberin per Bescheid entzogen und ihr auch untersagt, weiter ein Ladengeschäft mit Kundenverkehr zu betreiben. Das gilt bundesweit. Niemann spricht deshalb von einem „Berufsverbot“und hat Klage eingereicht.
Bis die entschieden ist, bleibt das Herzlich allerdings zu. Anträge, die Wirkung des Bescheides aufzuschieben, bis die Justiz geurteilt hat, haben das Verwaltungsgericht in Augsburg und der Verwaltungsgerichtshof in München abgelehnt.
Seit Beginn der Pandemie hat das Landratsamt 916 Verfahren wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz beziehungsweise die entsprechenden Verordnungen bearbeitet. Dabei hat die Behörde Bußgelder in Höhe von circa
100 000 Euro verhängt. Das höchste betrug 5000 Euro.
Im gleichen Zeitraum hat das Landratsamt eine gaststättenrechtliche Genehmigung entzogen. Insgesamt hat die Behörde vier rechtskräftige Bußgeldbescheide gegen gastronomische Betriebe erlassen. Drei Verfahren sind noch in der Anhörungsphase. In diesen Fällen wurde noch kein Bußgeldbescheid erlassen.
Die Behörde kann eine gaststättenrechtliche Genehmigung entziehen, wenn beispielsweise die Zuverlässigkeit des Betreibers nicht gegeben ist, die notwendigen
Das Landratsamt äußert sich zu dem Fall nicht konkret, zumal es sich um ein laufendes Verfahren handelt. In dem Bescheid verweist die Behörde aber unter anderem auf Hinweise aus der Bevölkerung und Zeugenaussagen von Bürgern, die Verstöße gegen die Maskenpflicht belegen sollen. Damit fehle der Betreiberin die Zuverlässigkeit, die das Gaststättenrecht bei einem Gastronomen voraussetzt.
Niemann selber bringt den Entzug der gaststättenrechtlichen Erlaubnis allerdings mit Kundgebungen in Lindenberg in Verbindung, die sie im vergangenen Jahr mitorganisiert hat. Dabei ging es um die Corona-Auflagen. Als Rednerin aufgetreten ist die Herzlich-Betreiberin auch bei einer Kundgebung der „Querdenker“-Bewegung in Bregenz. Engagiert ist sie nach eigenem Bekunden lebensmittelrechtlichen Kenntnisse oder baurechtlichen Genehmigungen nicht vorliegen.
Die Bezeichnung „Berufsverbot“hält das Landratsamt in Zusammenhang mit der Betreiberin des Herzlich für falsch. Der Widerruf einer Erlaubnis und die Gewerbeuntersagung beziehen sich nach Angaben der Behörde auf eine „in Eigenverantwortung selbstständig ausgeübte Tätigkeit als Gastwirt/ Gewerbetreibender“. Dagegen werde mit einem generellen Berufsverbot beispielsweise einem Arzt untersagt, in seinem Beruf tätig zu sein.
„Auch wenn eine Gewerbeuntersagung sich für den Betroffenen wie ein Berufsverbot anfühlt, ist es dennoch so, dass derjenige im Angestelltenverhältnis im selben Beruf weiterhin tätig sein darf“, so das Landratsamt. (pem) dort nicht. „Wir sind in keiner Gruppierung aktiv. Wir denken für uns selber“, sagt sie.
Öffentlich gemacht hat Barbara Niemann den Entzug der gaststättenrechtlichen Genehmigung selber. Auf der Plattform go-fund-me hat sie unter dem Motto „Hilfe für das Herzlich“eine Spendenkampagne gestartet. 10 000 Euro peilt sie als Spendenbetrag an. 1682 Euro sind Stand Freitagmittag zusammengekommen – bezahlt von 28 Bürgern. Die Aktion stößt allerdings auf erhebliche Kritik. In Internet-Kommentaren ist unter anderem von „betteln“zu lesen. Die Betreiberin des Herzlich wiederum spricht von vielen positiven Reaktionen. An Bäumen und Parkscheinautomaten finden sich auch etliche entsprechende Handzettel.
Niemann begründet auf der Plattform nicht, wofür sie das Geld verwenden will. Gegenüber der Heimatzeitung verweist sie auf die hohen Ausfälle, die sie seit Beginn der Pandemie habe. Die Kosten seien wesentlich höher als die angepeilten 10 000 Euro. „Das Geld ist nicht dazu gedacht, das Bußgeld zu bezahlen“, sagt sie. Bis Juni noch bekommt sie – wie zahlreiche andere Betriebe – über die Corona-Hilfen 90 Prozent der Fixkosten erstattet. Ihr Mann ist bei ihr angestellt, er ist in Kurzarbeit.
Auf die Spendenkampagne hat sie ein Kunde gebracht. Er sei im Sommer auf die Idee gekommen, Sparbüchsen für das Herzlich aufzustellen, um ihr in der schwierigen Lage zu helfen, schildert Niemann. Das sei ihr in der Krise wieder in den Sinn gekommen.
Gerüchte, sie werde eine Filiale in Bregenz eröffnen, will Barbara Niemann nicht bestätigen. Sie plant weiter für Lindenberg. „Für uns ist das Thema noch nicht abgeschlossen. Wir haben viel Herzblut hineingesteckt“, sagt sie. Aktuell prüft sie zusammen mit ihrem Mann eine Möglichkeit, Laden und Café wieder eröffnen zu können.