Lindauer Zeitung

Warum das Herzlich zu bleibt

Landratsam­t verhängt gegen die Lindenberg­er Betreiberi­n ein Bußgeld

- Von Peter Mittermeie­r

- Das Geschäftsl­eben normalisie­rt sich allmählich. Die allermeist­en Läden und Cafés in Lindenberg haben wieder geöffnet. Eine Ausnahme liegt im Zentrum der Stadt. Das Laden-Café Herzlich ist geschlosse­n und wird das möglicherw­eise noch eine Zeit lang bleiben. Das Landratsam­t hat der Betreiberi­n die gaststätte­nrechtlich­e Erlaubnis entzogen, ein Bußgeld in vierstelli­ger Höhe verhängt und das Betreiben eines Ladengesch­äftes mit Kundenverk­ehr bis auf Weiteres untersagt. Anlass sind Verstöße gegen das Infektions­schutzgese­tz. Für zusätzlich­e Diskussion­en sorgt eine Spendenkam­pagne, die die Betreiberi­n im Internet gestartet hat.

Das Herzlich befindet sich im früheren Stadt-Café an der Hauptstraß­e. Geführt wird es von Barbara Niemann, die sich aus einer Hartz-IV-Situation heraus selbststän­dig gemacht hat. Aufgrund der besonderen Atmosphäre hat das Laden-Café, seit 2019 ergänzt um eine Kaffeeröst­erei ihres Mannes, schnell Freunde gefunden. Das spiegelte sich in vielen positiven Bewertunge­n wider.

Geändert hat sich das mit Beginn der Pandemie. Zunehmend kamen Klagen über Verstöße gegen die Maskenpfli­cht in dem Laden-Café. Das Thema sorgte in der ganzen Stadt für Diskussion­en: Nicht wenige sprachen von einer „Gefährdung für andere Menschen“, Geschäftsl­eute fürchteten einen Corona-Hotspot und stärkere Einschränk­ungen für alle. Das Thema schlug im Stadtrat auf, im Rathaus direkt gingen etliche Beschwerde­n ein, bestätigt Bürgermeis­ter Eric Ballersted­t. Und auch in der Redaktion meldeten sich Gäste: Die Betreiberi­n habe mehrfach darauf hingewiese­n, dass bei ihr keine Masken getragen werden müssen, schilderte­n sie ihre Erfahrunge­n.

Nicht wenige wunderten sich, warum die Behörden nicht reagierten – zumindest nicht wahrnehmba­r. Das geschah im Herbst. Da erließ das Landratsam­t einen Bußgeldbes­cheid über 5000 Euro plus Gebühren in dreistelli­ger Höhe. Offenbar stuft die Behörde die Verstöße als schwerwieg­end ein. Jedenfalls ist es das höchste Bußgeld, das das Landratsam­t seit Beginn der Pandemie im März 2020 wegen Verstößen gegen das Infektions­schutzgese­tz verhängt hat. Verfahren sind allerdings auch noch gegen drei andere Gaststätte­nbetreiber eingeleite­t (siehe Infokasten).

Bezahlt hat Barbara Niemann nicht. Sie hat nach eigenem Bekunden Widerspruc­h eingelegt. Auf Nachfrage der Redaktion weist sie die Vorwürfe zurück. Mehrfach seien Polizeibea­mte in ihrem Betrieb gewesen. Dabei seien keine Verstöße festgestel­lt worden. Mit Blick auf die Anzeigen spricht sie von Denunziant­entum. Mitarbeite­rinnen, die keine Maske trugen, seien allesamt per ärztlichem Attest von der Maskenpfli­cht befreit gewesen. Das gelte auch für sie selber. Erzählunge­n, Mitarbeite­r seien gekündigt worden, weil sie eine Maske tragen wollten, weist die Unternehme­rin zurück:

„Wir haben niemals irgendjema­ndem verboten, eine Maske zu tragen“, sagt sie. Entscheide­n wird in der Sache sehr wahrschein­lich die Justiz. Das Verfahren ist gerichtsan­hängig.

Richter werden wohl auch über die gaststätte­nrechtlich­e Genehmigun­g entscheide­n. Das Landratsam­t hat sie der Herzlich-Betreiberi­n per Bescheid entzogen und ihr auch untersagt, weiter ein Ladengesch­äft mit Kundenverk­ehr zu betreiben. Das gilt bundesweit. Niemann spricht deshalb von einem „Berufsverb­ot“und hat Klage eingereich­t.

Bis die entschiede­n ist, bleibt das Herzlich allerdings zu. Anträge, die Wirkung des Bescheides aufzuschie­ben, bis die Justiz geurteilt hat, haben das Verwaltung­sgericht in Augsburg und der Verwaltung­sgerichtsh­of in München abgelehnt.

Seit Beginn der Pandemie hat das Landratsam­t 916 Verfahren wegen Verstößen gegen das Infektions­schutzgese­tz beziehungs­weise die entspreche­nden Verordnung­en bearbeitet. Dabei hat die Behörde Bußgelder in Höhe von circa

100 000 Euro verhängt. Das höchste betrug 5000 Euro.

Im gleichen Zeitraum hat das Landratsam­t eine gaststätte­nrechtlich­e Genehmigun­g entzogen. Insgesamt hat die Behörde vier rechtskräf­tige Bußgeldbes­cheide gegen gastronomi­sche Betriebe erlassen. Drei Verfahren sind noch in der Anhörungsp­hase. In diesen Fällen wurde noch kein Bußgeldbes­cheid erlassen.

Die Behörde kann eine gaststätte­nrechtlich­e Genehmigun­g entziehen, wenn beispielsw­eise die Zuverlässi­gkeit des Betreibers nicht gegeben ist, die notwendige­n

Das Landratsam­t äußert sich zu dem Fall nicht konkret, zumal es sich um ein laufendes Verfahren handelt. In dem Bescheid verweist die Behörde aber unter anderem auf Hinweise aus der Bevölkerun­g und Zeugenauss­agen von Bürgern, die Verstöße gegen die Maskenpfli­cht belegen sollen. Damit fehle der Betreiberi­n die Zuverlässi­gkeit, die das Gaststätte­nrecht bei einem Gastronome­n voraussetz­t.

Niemann selber bringt den Entzug der gaststätte­nrechtlich­en Erlaubnis allerdings mit Kundgebung­en in Lindenberg in Verbindung, die sie im vergangene­n Jahr mitorganis­iert hat. Dabei ging es um die Corona-Auflagen. Als Rednerin aufgetrete­n ist die Herzlich-Betreiberi­n auch bei einer Kundgebung der „Querdenker“-Bewegung in Bregenz. Engagiert ist sie nach eigenem Bekunden lebensmitt­elrechtlic­hen Kenntnisse oder baurechtli­chen Genehmigun­gen nicht vorliegen.

Die Bezeichnun­g „Berufsverb­ot“hält das Landratsam­t in Zusammenha­ng mit der Betreiberi­n des Herzlich für falsch. Der Widerruf einer Erlaubnis und die Gewerbeunt­ersagung beziehen sich nach Angaben der Behörde auf eine „in Eigenveran­twortung selbststän­dig ausgeübte Tätigkeit als Gastwirt/ Gewerbetre­ibender“. Dagegen werde mit einem generellen Berufsverb­ot beispielsw­eise einem Arzt untersagt, in seinem Beruf tätig zu sein.

„Auch wenn eine Gewerbeunt­ersagung sich für den Betroffene­n wie ein Berufsverb­ot anfühlt, ist es dennoch so, dass derjenige im Angestellt­enverhältn­is im selben Beruf weiterhin tätig sein darf“, so das Landratsam­t. (pem) dort nicht. „Wir sind in keiner Gruppierun­g aktiv. Wir denken für uns selber“, sagt sie.

Öffentlich gemacht hat Barbara Niemann den Entzug der gaststätte­nrechtlich­en Genehmigun­g selber. Auf der Plattform go-fund-me hat sie unter dem Motto „Hilfe für das Herzlich“eine Spendenkam­pagne gestartet. 10 000 Euro peilt sie als Spendenbet­rag an. 1682 Euro sind Stand Freitagmit­tag zusammenge­kommen – bezahlt von 28 Bürgern. Die Aktion stößt allerdings auf erhebliche Kritik. In Internet-Kommentare­n ist unter anderem von „betteln“zu lesen. Die Betreiberi­n des Herzlich wiederum spricht von vielen positiven Reaktionen. An Bäumen und Parkschein­automaten finden sich auch etliche entspreche­nde Handzettel.

Niemann begründet auf der Plattform nicht, wofür sie das Geld verwenden will. Gegenüber der Heimatzeit­ung verweist sie auf die hohen Ausfälle, die sie seit Beginn der Pandemie habe. Die Kosten seien wesentlich höher als die angepeilte­n 10 000 Euro. „Das Geld ist nicht dazu gedacht, das Bußgeld zu bezahlen“, sagt sie. Bis Juni noch bekommt sie – wie zahlreiche andere Betriebe – über die Corona-Hilfen 90 Prozent der Fixkosten erstattet. Ihr Mann ist bei ihr angestellt, er ist in Kurzarbeit.

Auf die Spendenkam­pagne hat sie ein Kunde gebracht. Er sei im Sommer auf die Idee gekommen, Sparbüchse­n für das Herzlich aufzustell­en, um ihr in der schwierige­n Lage zu helfen, schildert Niemann. Das sei ihr in der Krise wieder in den Sinn gekommen.

Gerüchte, sie werde eine Filiale in Bregenz eröffnen, will Barbara Niemann nicht bestätigen. Sie plant weiter für Lindenberg. „Für uns ist das Thema noch nicht abgeschlos­sen. Wir haben viel Herzblut hineingest­eckt“, sagt sie. Aktuell prüft sie zusammen mit ihrem Mann eine Möglichkei­t, Laden und Café wieder eröffnen zu können.

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FOTO: CAROLINE MITTERMEIE­R Das Herzlich an der Hauptstraß­e in Lindenberg ist geschlosse­n. Der Betreiberi­n wurde unter anderem die Erlaubnis entzogen, das Laden-Café zu betreiben. Sie reagiert mit einem Spendenauf­ruf.

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