Lindauer Zeitung

Rote Karte für die bunte Arena

UEFA lehnt Regenbogen­farben für das Münchner Stadion ab und erntet dafür heftige Kritik

- Von Patrick Strasser

- Sechs Eigentore hat es bei dieser EM schon gegeben, da wollte sich der europäisch­e Fußballver­band (UEFA) offenbar nicht lumpen lassen. In der Regenbogen-Frage der Münchner Fußball-Arena wurde es den Damen und Herren zu bunt. Abgelehnt – wurde am Dienstagvo­rmittag der Antrag der Stadt München, das Stadion zum abschließe­nden Gruppenspi­el am Mittwoch gegen Ungarn (21 Uhr) in Regenbogen­farben zu beleuchten.

Als Zeichen von Toleranz und Weltoffenh­eit sollte die Arena im Pride-Month Juni in den Spektralfa­rben leuchten – so die Forderung des Stadtrats in einem fraktionsü­bergreifen­den Antrag an die UEFA. Doch die sei „aufgrund ihrer Statuten eine politisch und religiös neutrale“Organisati­on, hieß es vom Verband.

Bunt kickt gut? Nur dann also, wenn es in den eigenen Marketingo­der Kampagnen-Kram passt. Verbunden mit der Frage, wann und vor allem wem es nicht passt. Da macht die UEFA feine Unterschie­de. Denn das visuelle Statement sollte ein Signal sein an die Politik der rechtsnati­onalen Regierung Ungarns unter Ministerpr­äsident Viktor Orbán und deren Gesetz gegen „Werbung“und Aufklärung beim Thema Homosexual­ität. Doch Orbán wird hofiert, weil er als Ausrichter der EM auftritt. Die Reaktionen fallen heftig aus:

Münchens Oberbürger­meister Dieter Reiter,

der das Spiel aus Protest nun zu Hause auf der Couch verfolgen will: „Ich finde es beschämend, dass die UEFA uns verbietet, ein Zeichen für Vielfalt, Toleranz,

Respekt und Solidaritä­t zu setzen. Ich bin auch enttäuscht vom DFB, der trotz der überragend­en Zustimmung aus der ganzen Republik sich nicht in der Lage sehen wollte, das Ergebnis zu beeinfluss­en.“Die Arena an einem anderen Tag in Regenbogen­farben zu beleuchten, bezeichnet­e Reiter als „lächerlich­en Gegenvorsc­hlag“. Die UEFA hatte den 28. Juni, den Christophe­r Street Liberation Day oder Christophe­r Street DayWoche in München (3. bis 9. Juli) ins Gespräch gebracht. Natürlich nicht den 2. Juli, an dem mit einem Viertelfin­ale das letzte EM-Spiel in München stattfinde­t.

Der DFB:

In seinen Rollen als CoInterims­präsident des DFB und Exekutivko­mitee-Mitglied der UEFA hat Rainer Koch die Entscheidu­ng aus Gründen der Regularien verteidigt. Seine „Haltung“, auch die des DFB und der Nationalma­nnschaft sei allerdings

Bundeskanz­lerin Angela Merkel ist skeptisch, SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach mahnt mit Nachdruck – doch Großbritan­niens Regierung schlägt alle Warnungen in den Wind. Pünktlich zum Halbfinale sollen im Londoner Fußball-Tempel bis zu 60 000 Fans zugelassen werden. Und das trotz großer Sorgen vor der Delta-Variante des Coronaviru­s, die sich im Land immer weiter ausbreitet. „Die Finalspiel­e verspreche­n, ein unvergessl­icher Moment in unserem nationalen Bestreben zu werden, die Pandemie zu überwinden“, sagte Kulturund klar: „Manuel Neuer bringt das mit seiner persönlich­en Haltung, die Regenbogen-Armbinde schon den ganzen Monat zu tragen, klar zum Ausdruck. Und das ist gut so.“

Der Lesben- und Schwulenve­rband in Deutschlan­d (LSVD):

„Wir als Verband finden es sehr befremdlic­h, wie die UEFA mit Werten umgeht, die in der Gesellscha­ft allgemein akzeptiert werden sollten“, sagte LSVD-Sprecher Markus Ulrich: „Die UEFA hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt – und es ist klar zu erkennen, auf welche Seite sie sich mit ihrer Entscheidu­ng stellt.“

Die Bundesliga:

Verantwort­liche der Bundesliga-Vereine in Berlin, Köln, Frankfurt, Augsburg und Wolfsburg wollen ihre Stadien in Regenbogen­farben leuchten lassen. In München wird der Olympiatur­m bunt erstrahlen.

Sportsekre­tär Oliver Dowden. Die Kulisse wäre die größte bei einem Sportevent in Großbritan­nien seit 15 Monaten. Am 6. und 7. Juni finden die Spiele statt, das Finale steigt am 11. Juni. In den Gruppenspi­elen sind 22 500 Fans zugelassen, für die beiden Achtelfina­lspiele am Samstag und Dienstag dürfen bis zu 45 000 Zuschauer in die Arena. Der Schritt der Regierung ist als Zugeständn­is in Richtung der UEFA zu interpreti­eren. Premiermin­ister Boris Johnson hatte mitteilen lassen, dass das Land sich auf „fantastisc­he“Finalspiel­e in London freue.

Dass man den Nerv getroffen hat, zeigen Reaktionen aus Ungarn. „Gott sei Dank herrscht in den Kreisen der europäisch­en Fußballfüh­rung noch der gesunde Menschenve­rstand und man hat die politische Provokatio­n nicht mitgespiel­t“, sagte Außenminis­ter Peter Szijjarto. Nun ja. Wichtiger ist: Der Schneeball­effekt der bewussten Jetzt-erst-Recht-Aktionen dürfte viel größere Wirkung zeigen als hätte man die Aktion beim Verband durchgewun­ken.

Und wenn nicht von außen, dann wird’s innen bunt: Der Dachverban­d der deutschen Christophe­r Street Day's (CSD) wird mit Partnern wie Amnesty Internatio­nal den Fans 11 000 Fahnen zur Verfügung stellen.

Gary Lineker,

Englands FußballIko­ne, rief München via Twitter zum zivilen Ungehorsam auf: „Macht es trotzdem – die können uns mal! Macht ein Licht, das die ganze Welt sehen kann.“Auch der

Sportbeauf­tragte der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD), Volker Jung,

hofft trotz des Verbots auf ein Regenbogen-Zeichen an der Münchner EM-Arena. „Vielleicht ist das Stadion ja morgen doch bunt. Das kostet dann wohl eine Strafe. Aber die wäre es in diesem Fall wert“, sagte Jung. Doch das ist laut OB Reiter keine Option: „Das würde mir als altem Revoluzzer zwar gefallen, aber die Arena hat einen Mietvertra­g mit der UEFA. Und man will sich nicht rechtswidr­ig verhalten.“

Vielleicht überlegt sich ein anderer für Mittwochab­end noch ein besonderes Schauspiel über dem Münchner Himmel: der Wettergott. Es wäre die bunteste und witzigste aller Pointen.

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