Rote Karte für die bunte Arena
UEFA lehnt Regenbogenfarben für das Münchner Stadion ab und erntet dafür heftige Kritik
- Sechs Eigentore hat es bei dieser EM schon gegeben, da wollte sich der europäische Fußballverband (UEFA) offenbar nicht lumpen lassen. In der Regenbogen-Frage der Münchner Fußball-Arena wurde es den Damen und Herren zu bunt. Abgelehnt – wurde am Dienstagvormittag der Antrag der Stadt München, das Stadion zum abschließenden Gruppenspiel am Mittwoch gegen Ungarn (21 Uhr) in Regenbogenfarben zu beleuchten.
Als Zeichen von Toleranz und Weltoffenheit sollte die Arena im Pride-Month Juni in den Spektralfarben leuchten – so die Forderung des Stadtrats in einem fraktionsübergreifenden Antrag an die UEFA. Doch die sei „aufgrund ihrer Statuten eine politisch und religiös neutrale“Organisation, hieß es vom Verband.
Bunt kickt gut? Nur dann also, wenn es in den eigenen Marketingoder Kampagnen-Kram passt. Verbunden mit der Frage, wann und vor allem wem es nicht passt. Da macht die UEFA feine Unterschiede. Denn das visuelle Statement sollte ein Signal sein an die Politik der rechtsnationalen Regierung Ungarns unter Ministerpräsident Viktor Orbán und deren Gesetz gegen „Werbung“und Aufklärung beim Thema Homosexualität. Doch Orbán wird hofiert, weil er als Ausrichter der EM auftritt. Die Reaktionen fallen heftig aus:
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter,
der das Spiel aus Protest nun zu Hause auf der Couch verfolgen will: „Ich finde es beschämend, dass die UEFA uns verbietet, ein Zeichen für Vielfalt, Toleranz,
Respekt und Solidarität zu setzen. Ich bin auch enttäuscht vom DFB, der trotz der überragenden Zustimmung aus der ganzen Republik sich nicht in der Lage sehen wollte, das Ergebnis zu beeinflussen.“Die Arena an einem anderen Tag in Regenbogenfarben zu beleuchten, bezeichnete Reiter als „lächerlichen Gegenvorschlag“. Die UEFA hatte den 28. Juni, den Christopher Street Liberation Day oder Christopher Street DayWoche in München (3. bis 9. Juli) ins Gespräch gebracht. Natürlich nicht den 2. Juli, an dem mit einem Viertelfinale das letzte EM-Spiel in München stattfindet.
Der DFB:
In seinen Rollen als CoInterimspräsident des DFB und Exekutivkomitee-Mitglied der UEFA hat Rainer Koch die Entscheidung aus Gründen der Regularien verteidigt. Seine „Haltung“, auch die des DFB und der Nationalmannschaft sei allerdings
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist skeptisch, SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach mahnt mit Nachdruck – doch Großbritanniens Regierung schlägt alle Warnungen in den Wind. Pünktlich zum Halbfinale sollen im Londoner Fußball-Tempel bis zu 60 000 Fans zugelassen werden. Und das trotz großer Sorgen vor der Delta-Variante des Coronavirus, die sich im Land immer weiter ausbreitet. „Die Finalspiele versprechen, ein unvergesslicher Moment in unserem nationalen Bestreben zu werden, die Pandemie zu überwinden“, sagte Kulturund klar: „Manuel Neuer bringt das mit seiner persönlichen Haltung, die Regenbogen-Armbinde schon den ganzen Monat zu tragen, klar zum Ausdruck. Und das ist gut so.“
Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD):
„Wir als Verband finden es sehr befremdlich, wie die UEFA mit Werten umgeht, die in der Gesellschaft allgemein akzeptiert werden sollten“, sagte LSVD-Sprecher Markus Ulrich: „Die UEFA hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt – und es ist klar zu erkennen, auf welche Seite sie sich mit ihrer Entscheidung stellt.“
Die Bundesliga:
Verantwortliche der Bundesliga-Vereine in Berlin, Köln, Frankfurt, Augsburg und Wolfsburg wollen ihre Stadien in Regenbogenfarben leuchten lassen. In München wird der Olympiaturm bunt erstrahlen.
Sportsekretär Oliver Dowden. Die Kulisse wäre die größte bei einem Sportevent in Großbritannien seit 15 Monaten. Am 6. und 7. Juni finden die Spiele statt, das Finale steigt am 11. Juni. In den Gruppenspielen sind 22 500 Fans zugelassen, für die beiden Achtelfinalspiele am Samstag und Dienstag dürfen bis zu 45 000 Zuschauer in die Arena. Der Schritt der Regierung ist als Zugeständnis in Richtung der UEFA zu interpretieren. Premierminister Boris Johnson hatte mitteilen lassen, dass das Land sich auf „fantastische“Finalspiele in London freue.
Dass man den Nerv getroffen hat, zeigen Reaktionen aus Ungarn. „Gott sei Dank herrscht in den Kreisen der europäischen Fußballführung noch der gesunde Menschenverstand und man hat die politische Provokation nicht mitgespielt“, sagte Außenminister Peter Szijjarto. Nun ja. Wichtiger ist: Der Schneeballeffekt der bewussten Jetzt-erst-Recht-Aktionen dürfte viel größere Wirkung zeigen als hätte man die Aktion beim Verband durchgewunken.
Und wenn nicht von außen, dann wird’s innen bunt: Der Dachverband der deutschen Christopher Street Day's (CSD) wird mit Partnern wie Amnesty International den Fans 11 000 Fahnen zur Verfügung stellen.
Gary Lineker,
Englands FußballIkone, rief München via Twitter zum zivilen Ungehorsam auf: „Macht es trotzdem – die können uns mal! Macht ein Licht, das die ganze Welt sehen kann.“Auch der
Sportbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Volker Jung,
hofft trotz des Verbots auf ein Regenbogen-Zeichen an der Münchner EM-Arena. „Vielleicht ist das Stadion ja morgen doch bunt. Das kostet dann wohl eine Strafe. Aber die wäre es in diesem Fall wert“, sagte Jung. Doch das ist laut OB Reiter keine Option: „Das würde mir als altem Revoluzzer zwar gefallen, aber die Arena hat einen Mietvertrag mit der UEFA. Und man will sich nicht rechtswidrig verhalten.“
Vielleicht überlegt sich ein anderer für Mittwochabend noch ein besonderes Schauspiel über dem Münchner Himmel: der Wettergott. Es wäre die bunteste und witzigste aller Pointen.