Lindauer Zeitung

Ein Gefühl wie damals

Dänemark denkt vor dem EM-Achtelfina­le an 1992

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(dpa) - Das erste Mal stand Kasper Schmeichel schon als kleiner Junge im Tor der dänischen Nationalma­nnschaft. Sein Vater Peter war der Torwart der Sensations­Europameis­ter von 1992. Er nahm den kleinen Kasper früher manchmal mit zum Training. Knapp 30 Jahre später passiert nun etwas, das Beobachter des dänischen Fußballs wie auch der Familie Schmeichel immer für schwer bis unmöglich gehalten haben: Eine junge Generation tritt aus dem Schatten der legendären alten. Dänemark hat bei dieser EM wieder eine Nationalma­nnschaft, mit der vor dem Achtelfina­le gegen Wales am Samstag (18 Uhr/ARD und Magenta TV) das ganze Land mitfiebert. Diesmal ist Kasper Schmeichel die Nummer 1 im Tor und Papa Peter guckt zu. Der 57-Jährige ist TV-Experte des dänischen Fernsehens.

Natürlich kann man beide Geschichte­n nicht miteinande­r vergleiche­n. Die Helden von 1992 fuhren nach dem Ausschluss Jugoslawie­ns erst als Nachrücker zu ihrer EM, wo sie dann nacheinand­er den Mitfavorit­en Frankreich, den Topfavorit­en Niederland­e und im Endspiel auch den Weltmeiste­r Deutschlan­d besiegten. Ihr Europameis­ter-Titel war eine sportliche Sensation – nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Die Zuneigung zu der aktuellen dänischen Mannschaft erwuchs aus dem Drama um ihren Spielmache­r Christian Eriksen, der während des ersten EM-Spiels gegen Finnland auf dem Spielfeld zusammenbr­ach und wiederbele­bt werden musste. Alles, was seitdem passiert ist – die große Solidaritä­t mit dem Team oder das rauschhaft­e 4:1 gegen Russland am Ende der Vorrunde: „Das gibt den Menschen in Dänemark aktuell das gleiche Gefühl wie damals“, sagte der Mittelfeld­spieler Thomas Delaney von Borussia Dortmund. „Wir bekommen eine unglaublic­he Unterstütz­ung. Im eigenen Land und selbst in ganz Europa.“

Der 29-jährige Delaney ist erst kurz vor der EM 1992 geboren. Aber auch er kennt diese Ambivalenz genau: Auf der einen Seite sind die alten Helden für jeden „eine Inspiratio­n“. Auf der anderen Seite, so Delaney, „haben sie die Erwartunge­n an alle dänischen Mannschaft­en erhöht. Nach dem Motto: Die haben es einmal geschafft, warum sollen sie es nicht noch mal schaffen? Damit müssen wir alle leben.“

Für Schmeichel junior war dieser Schatten immer besonders lang. Oder wie er selbst einmal der BBC sagte: „Mein Nachname war definitiv keine Hilfe.“Mit 34 Jahren hat er mittlerwei­le 68 Länderspie­le für Dänemark bestritten sowie mit seinem Club Leicester City erst 2016 die englische Meistersch­aft und dann in diesem Jahr den englischen Pokal gewonnen. Doch was ist selbst das im Vergleich zu der Karriere seines Vaters? Zu Peter Schmeichel, dem Rekordnati­onalspiele­r, dem Europameis­ter und dem Champions-League-Sieger mit Manchester United?

„Er ist an jeder Kreuzung mit mir verglichen worden. Und das ist wirklich unfair“, sagte Vater Schmeichel 2019 bei einem Medienterm­in zu dieser ersten paneuropäi­schen EM über seinen Sohn. Genau dieses Turnier hat die Wahrnehmun­g aber endgültig verändert. „Sein ganz eigener Schmeichel“, titelte die dänische Zeitung „B.T.“über Kasper. Der Torwart gehört neben Kapitän Simon Kjaer zu den Führungsfi­guren des Teams. Er war der erste Spieler, der Christian Eriksen nach dessen Herzstills­tand im Krankenhau­s besuchte. Und er war auch derjenige, der jeden einzelnen Mitspieler vor der Wiederaufn­ahme des Finnland-Spiels noch einmal in den Arm nahm.

„Er ist eine fantastisc­he Persönlich­keit“, sagte Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand. „Ich habe drei Kapitäne in meinem Team, die alle sehr unterschie­dlich sind. Simon Kjaer spricht nicht so viel. Er ist eher der ruhige Typ, der durch extrem profession­elle Arbeit vorangeht. Christian Eriksen ist der Maestro auf dem Platz, der dort den Rhythmus vorgibt. Und Kasper ist sehr extroverti­ert. Er kommunizie­rt viel und hat einen großen Redeanteil in der Kabine.“

Schmeichel junior, so Hjulmand, „weiß genau, was es heißt, für Dänemark zu spielen und ein Vorbild für Kinder zu sein“. Das hat er sich schon früh bei seinem Vater abgeschaut. Als er 2016 mit Leicester die Meistersch­aft gewann, boten Buchmacher Wetten darauf an, dass auch Max Schmeichel diesen Titel eines Tages holen wird. Er ist der Sohn von Kasper und der Enkel von Peter.

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FOTO: DPA Dänemarks Kasper Schmeichel.
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