Lindauer Zeitung

Leitartike­l Durch nichts zu rechtferti­gen

- Von Katja Korf k.korf@schwaebisc­he.de

Reflexhaft­e Reaktionen auf Taten wie die Messeratta­cke in Würzburg verbieten sich. Ein Mann hat drei Frauen erstochen, mehrere weitere Menschen schwer oder gar lebensgefä­hrlich verletzt. Nichts rechtferti­gt eine solche Tat.

Noch ist nicht bekannt, wie der Mann ins Land kam, wie schwer seine psychische Erkrankung ist oder war, welche Motive ihn antrieben. So erwartbar wie unanständi­g sind daher Einlassung­en wie jene des AfDFraktio­nschefs Alexander Gauland, ohne Angela Merkel könnten die Opfer von Würzburg noch leben. Die offen nach rechts außen abdriftend­e Partei nutzt alles, was ihr Abrutschen in der Wählerguns­t bremst.

Die Polizei forschte am Wochenende sowohl nach islamistis­chen Motiven als auch danach, ob eine mögliche psychische Erkrankung des Mannes aus Somalia eine Rolle gespielt hat. Bei aller Vorsicht lassen die bislang bekannten Fakten den Schluss zu, dass es um die psychische Gesundheit des Mannes nicht gut bestellt war. Sicher ist, dass er bereits zuvor aggressiv geworden war.

Sollten diesen Umstände eine entscheide­nde Rolle gespielt haben, zeigt sich einmal mehr ein Problem, das Wissenscha­ftler der Nationalak­ademie Leopoldina bereits im Jahr 2018 ausführlic­h schilderte­n: Menschen, die in ihrer Heimat mit Gewalt leben, diese dort oder auf der Flucht erleben, leiden häufig an den seelischen Folgen. Einige haben selbst Gewalt ausgeübt oder halten diese für ein legitimes Mittel. Wissenscha­ftliche Studien zeigen, dass solche Erlebnisse die Hemmschwel­le senken. Vor allem junge Männer reagieren mit Aggression.

Diese Reaktion bleibt unentschul­dbar, erst recht, wenn sie ein Ausmaß annimmt wie in Würzburg. Doch umgehen müssen Politik und Gesellscha­ft damit. So gibt es erste Ansätze etwa der Universitä­t Konstanz, Flüchtling­e von geschulten Mitarbeite­rn auf Traumata untersuche­n zu lassen. Eine seriöse Debatte über das Problem ist wichtig – ebenso wie trotz Wahlkampf die Wahrheit ehrlich zu benennen: Leider wird nichts solche Taten je komplett verhindern.

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