Spahn sagt Impfung für alle bis August zu
Corona-Immunisierung soll dank neuer Lieferzusagen schneller vorankommen als geplant
- Zusätzliche Impfstoffmengen können den Kampf gegen die Corona-Pandemie in Deutschland in den kommenden Wochen deutlich beschleunigen. „Bis Ende Juli wird jeder Erwachsene in Deutschland, der geimpft werden will, auch eine erste Impfung erhalten haben können; wenn die Lieferungen so weitergehen, vielleicht noch ein Stück früher“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Samstag in einer Diskussionsrunde in Berlin. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bislang immer erklärt, dass jede Bürgerin und jeder Bürger bis zum Ende des Sommers am 21. September ein Impfstoffangebot erhalte.
Ein halbes Jahr nach Beginn der Impfkampagne ist mehr als die Hälfte der Menschen hierzulande mindestens einmal gegen das Coronavirus geimpft. Über ein Drittel hat auch schon die zweite Spritze erhalten. Wie aus Daten des Robert-Koch-Instituts hervorgeht, sind knapp 44,4 Millionen Menschen (53,3 Prozent) zumindest einmal und 28,9 Millionen (34,8 Prozent) vollständig geimpft. Allein am Freitag wurden 852 814 Impfdosen verabreicht.
Trotz dieses Fortschritts rief Spahn erneut zur Vorsicht auf – auch mit Blick auf die sich ausbreitende
Delta-Virusvariante. Jede und jeder Einzelne habe es in der Hand, „dass dieser gute Sommer, der es werden kann, erstens gut bleibt und zweitens Herbst und Winter eben auch gut werden“. Es gehe bei diesem Appell nicht darum, die gute Laune „einzutrüben“, betonte er. Die könne man schon haben. „Aber es geht darum, dass wir möglichst lange gute Laune haben können.“
Der erwartete zusätzliche Schub für die Impfkampagne kommt daher, dass der US-Hersteller Moderna laut Gesundheitsministerium im dritten Quartal deutlich mehr Dosen liefern will als bislang angekündigt. Im Juli sollen pro Woche statt 733 000 nun jeweils 1,33 Millionen Dosen kommen, im ganzen Monat 5,32 Millionen, im August 10,28 Millionen und im September 14,5 Millionen. In der kommenden Woche sollen zudem zusätzlich zu bereits eingeplanten Lieferungen fünf Millionen Dosen des Impfstoffes von Astrazeneca und eine Million Dosen von Johnson & Johnson an die Impfzentren sowie Arztpraxen und Betriebsärzte gehen. Allein in der ersten Juli-Woche würden fast fünf Millionen Dosen an die Impfzentren geliefert, kündigte Spahn an. „Die Größenordnung gab es noch nie.“
Bei der absoluten Zahl der Erstgeimpften liege Deutschland erstmals vor Großbritannien, schrieb Spahn auf Twitter. In Großbritannien ist die als besonders ansteckend geltende Delta-Variante des Virus vorherrschend, mittlerweile sind dort 95 Prozent aller Neuansteckungen auf diese Variante zurückzuführen.
Sie breitet sich auch unter britischen Schülern einem Bericht der „Sunday Times“zufolge rasant aus. In der Woche zum 20. Juni sei die Zahl der infizierten Fünf- bis Neunjährigen im Vergleich zur Vorwoche um 70 Prozent gestiegen, bei den Zehn- bis 14-Jährigen sei es ein Plus von 56 Prozent, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Zahlen der Gesundheitsbehörde Public Health.
Steve Chalke von der Wohltätigkeitsorganisation Oasis Trust sagte, Schulen seien „Inkubationszentren für die neue Delta-Variante“. „Der Trend in Schulen zeigt seit drei Wochen nach oben. Wir haben offensichtlich noch nicht die Spitze dieser dritten Welle erreicht“, sagte Chalke.
Die Delta-Variante wurde zuerst in Indien festgestellt, wo sie seit etwa April grassiert. Es wird davon ausgegangen, dass sie etwa 40 bis 60 Prozent ansteckender ist als die ältere Alpha-Variante – die schon ansteckender als der Virusstamm ist, der für die erste Corona-Welle verantwortlich war. In Deutschland lag der Delta-Anteil laut neuesten Zahlen
Mitte Juni noch bei lediglich gut 15 Prozent – allerdings hatte sich ihr Anteil an den Corona-Neuinfektionen im Vergleich zur Vorwoche fast verdoppelt. Und die Reisesaison dürfte diese Entwicklung noch beschleunigen.
Angesichts der raschen Ausbreitung der Delta-Variante sprechen sich Gesundheitsexperten der Opposition für eine frühere Zweitimpfung aus. Bei mRNA-Impfstoffen solle die Zweitimpfung gegen das Coronavirus bereits nach drei Wochen stattfinden, sagte Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen. Es gebe „harte Daten“, dass dies gegen die Delta-Variante sehr wirksam sei. Der FDP-Obmann im Gesundheitsausschuss, Andrew Ullmann, sagte, die Ständige Impfkommission sollte ihre Empfehlung überarbeiten und den Zeitpunkt der Zweitimpfung vorziehen.
Der Verband Bildung und Erziehung dringt wegen der Entwicklung auf eine „Sicherheitsphase“nach den Sommerferien mit verstärkten Tests und Maskenpflicht in den Schulen, unabhängig von der Inzidenzrate. „Gerade zu Beginn des Schulbetriebs müssen wir erhöhte Vorsicht walten lassen. Wir fordern daher eine mindestens 14-tägige Sicherheitsphase nach den Sommerferien“, sagte VBEChef Udo Beckmann.