Hoffnung auf mehr Gerechtigkeit für Schwarze
Floyd-Urteil könnte für die US-Geschichte eine einschneidende Bedeutung haben
(dpa) - Nach der Verkündung der Haftstrafe für den weißen Ex-Polizisten Derek Chauvin hoffen Angehörige des getöteten Afroamerikaners George Floyd und deren Anwälte auf mehr Gerechtigkeit für Schwarze in den USA. Einer der Anwälte der Floyd-Familie, Ben Crump, sagte nach der Verkündung des Strafmaßes für den 45-Jährigen, das Urteil biete die Chance, ein „Wendepunkt“in der US-Geschichte zu sein. Niemals sei ein Polizist im Bundesstaat Minnesota zu einer längeren Haftstrafe verurteilt worden. Das zuständige Gericht in Minneapolis hatte am Freitag eine Haftstrafe von 22 Jahren und sechs Monaten gegen Chauvin für die Tötung Floyds verhängt. Chauvin kann Berufung gegen das Urteil einlegen.
„Wir haben heute ein gewisses Maß an Rechenschaft erhalten“, sagte Crump. Angehörige Floyds mahnten zugleich, es seien dringend Reformen und strukturelle Änderungen im Kampf gegen Rassismus nötig. Und nichts könne George Floyd zurückbringen. US-Präsident Joe Biden wertete die Strafe in einer ersten Reaktion als „angemessen“. Die Lage in Minneapolis blieb ruhig – für den unwahrscheinlichen Fall einer geringen Strafe für Chauvin waren Proteste befürchtet worden.
Vor der Strafmaßverkündung hatten mehrere Angehörige Floyds vor Gericht gesprochen. Floyds Bruder Philonise etwa sagte unter Tränen, er habe seit dessen Tod keine Nacht ruhig schlafen können, weil er von Alpträumen geplagt sei. Floyds kleine
Tochter Gianna sagte per Video an ihren Vater gerichtet: „Ich vermisse dich und liebe dich.“
Auch Chauvins Mutter, Carolyn Pawlenty, trat auf und beschrieb ihren Sohn als liebevollen Mann, von dessen Unschuld sie überzeugt sei. Chauvin sprach Floyds Familie knapp sein Beileid aus und verfolgte das Geschehen ansonsten, ohne eine Regung erkennen zu lassen.
Richter Peter Cahill veröffentlichte eine 22-seitige Begründung seiner Entscheidung. Chauvin kam demnach zugute, dass er nicht vorbestraft ist. Zugleich erkannte Cahill jedoch die besondere Schwere der Tat an und argumentierte, Chauvin habe als Polizist seine Machtstellung missbraucht, keine Erste Hilfe geleistet und Floyd in Anwesenheit von Kindern mit „besonderer Grausamkeit“behandelt.