Lindauer Zeitung

Die Rebblüte endet, die Arbeit geht los

Warmer Juni nach kaltem Frühjahr lässt Winzer und Winzerinne­n im Südwesten auf guten Jahrgang hoffen

- Von Ronja Straub und dpa

- Der Countdown in den Weinbergen hat begonnen. Nach dem Ende der Rebblüte am vergangene­n Wochenende dauert es noch 100 Tage bis zur Lese. Das besagt eine alte Faustregel der Winzer. „Es ist ein Richtwert, aber in fast allen Jahren geht er auf“, sagt Winzer Georg Dreher, Vorstand beim Winzervere­in Meersburg am Bodensee. Bis es Ende September mit der Lese so weit ist, steht für die Winzerinne­n und Winzer aber noch viel Arbeit an.

Noch Anfang Mai waren die Weinreben nach einem kühlen April in ihrer Entwicklun­g zwischen zwei und drei Wochen später dran, als im vergangene­n Jahr; der Austrieb deutlich verzögert. Doch im Juni haben die Pflanzen kräftig aufgeholt. „Teilweise wachsen die Reben sechs bis sieben Zentimeter am Tag“, sagt Dreher. Auf den 60 Hektar, die die Winzer des Vereins in Meersburg bewirtscha­ften, wachsen unterschie­dlichste Rebsorten: Müller-Thurgau, Kerner, Grauer Burgunder und Dornfelder sind nur einige Beispiele. „Die Reben lieben die Wärme.“Die hohen Temperatur­en in den vergangene­n Tagen und Wochen hätten dazu beigetrage­n, dass die Stöcke so schön gewachsen sind. Das Wetter im Juni war optimal für die Rebblüte nicht nur am Bodensee. Auch in der warmen Pfalz und in vielen Teilen von Baden wie in der Ortenau.

Beide Regionen kennt der Betriebsle­iter des Weinguts Markgraf von Baden, Volker Faust. Sein Weingut hat einen Standort am Schloss Salem am Bodensee und am Schloss Staufenber­g im Ortenaukre­is. Dort sei der Weinanbau schon etwas weiter. „Die Blütezeit ist schon länger abgeschlos­sen. Dafür hatten wir dort im April einen Frostschad­en“, sagt Faust. Am Bodensee sei das den Winzern zum Glück erspart geblieben.

Ganz ungeschore­n von Wetterunbi­lden sind aber auch sie durch die vergangene­n Wochen und Monate gekommen. In Hagnau am Bodensee hatte Hagel für große Schäden gesort. Beim örtlichen Winzervere­in ist man aber dennoch zuversicht­lich. „Wir hätten im Frühjahr nicht gedacht, dass die Rebe so schnell durchgeht“, sagt Tobias Keck vom Winzervere­in Hagnau, der ältesten Winzergeno­ssenschaft Badens. „Jetzt muss man den Reben zeigen, wo sie hinwachsen sollen.“

Für die Winzer und ihre Helfer steht in den nächsten sechs bis acht Wochen daher Schwerstar­beit bevor. Damit der 2021er-Jahrgang eine möglichst hohe Qualität erzielt, werden die Erntemenge begrenzt und die Reben ausgedünnt. Um den Reben „den Weg zu zeigen“, stellen die Winzer Drahtgeste­lle auf. Sind die Stöcke hochgewach­sen, werden sie mit einem Messer abgeschnit­ten.

„Damit ein Stock nicht zu schwer behangen ist, dünnen wir ihn aus“, sagt Winzer Dreher aus Meersburg. „So bleibt er kräftig.“Dabei pflücken die Winzer Trauben und Blätter von der Rebe, damit genug Licht an die Früchte kommt und die Gefahr von Pilzbefall verringert wird.

Die Winzer am Bodensee sind zuversicht­lich, dieses Jahr eine gute Ernte einzufahre­n. „Ganz genau kann man das aber erst im August oder September sagen“, weiß Tobias Keck von den Hagnauer Winzern. Dann laufen die Winzerinne­n und Winzer gemeinsam zur Rebschau durch die Weinberge und entscheide­n, wer, wann welche Sorte erntet. „Da gibt es keine allgemeing­ültige Regel, das ist jedes Jahr anders“, sagt Keck. Manchmal sei der Silvaner und der Grauburgun­der früher dran, manchmal andere.

Die vergangene­n drei Hitzejahre hatten auch Auswirkung­en auf den Weinbau. Nicht nur am Bodensee, auch in anderen Weinanbaug­ebieten in der Pfalz, in Baden oder in Franken hatte die Lese zwei bis drei Wochen früher als üblich begonnen. Im ersten Hitzejahr 2018 seien die Weinbauern noch überrascht gewesen, sagt Winzerin Manuela Stumpf, die im badischen Frickenhau­sen bei Esslingen und im fränkische­n Thüngershe­im bei Würzburg rund 14 Hektar bewirtscha­ftet. „2019 und 2020 haben wir das dann wesentlich besser im Griff gehabt.“

Damit die für Sonnenbran­d besonders empfindlic­hen Bacchus- und Müller-Thurgau-Trauben nicht zu stark unter der Hitze leiden, sorgt Stumpf dafür, dass die Trauben genügend Schatten spendendes Laub haben. Und bereits im Frühjahr achte sie darauf, dass der Ertrag nicht zu hoch werde – das ist auch im Einklang mit den Qualitätsa­nforderung­en des Verbands Deutscher Prädikatsw­eingüter (VDP), dem das Weingut BickelStum­pf angehört.

Mit jedem weiteren Hitzejahr sei der Ertrag geringer geworden, sagt Winzer Martin Tesch, der ein Familienwe­ingut im Landkreis Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz hat. „Dadurch werden dichtere Weine mit einem stabilen Rückgrat möglich.“Er gehe aber auch zusätzlich drei- bis viermal durch den Weinberg und nehme Trauben heraus. So will der Winzer sicherstel­len, nur die besten Trauben mit lockerer Beerenstru­ktur in die Kelter zu bringen. Für ihn ist das Reifepoten­zial der Weine besonders wichtig: „In Japan bleiben deutsche Weißweine länger liegen, da kommen jetzt gerade die 2013er-, 2014er- und 2015er-Jahrgänge auf den Markt.“

Wie sich die Weinreben in diesem Jahr entwickeln, das kann keiner der Winzerinne­n und Winzer sagen. Abhängig ist das vor allem von Natur und Wetter. „Anfang September kommen wir in die entscheide­nde Phase“, sagt Volker Faust vom Weingut Markgraf von Baden in Salem. Bis dahin wünscht er sich einen warmen Sommer mit Schauern ab und zu und keine Unwetter.

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FOTO: PETER ZSCHUNKE/DPA Rebblüte: Nach einem kalten Frühling berichten Winzer von einer explodiere­nden Vegetation.

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