Zu früh gejubelt
Gegen die einheitliche Besteuerung global agierender Konzerne formiert sich Widerstand
- Wenige Tage vor einem entscheidenden Treffen von Finanzministern aus aller Welt stehen die geplante Steuer auf digitale Dienstleistungen sowie die Mindestbesteuerung für global agierende Großkonzerne von 15 Prozent auf der Kippe. Lautstark maulen britische Steueroasen wie die Bermuda-Inseln gegen die Vorschläge der G7-Finanzminister. Selbst unter den Vertretern der führenden westlichen Industrienationen gibt es Uneinigkeit, was beim bevorstehenden Treffen der G20-Finanzminister in Venedig kaum zu einer Einigung beitragen dürfte.
„Historisch“sei der gemeinsam verabschiedete Plan, begeisterte sich der britische Finanzminister Rishi Sunak vor drei Wochen im Kreis seiner G7-Kollegen. Der Steuerabgleich sei nötig, um die Welt nach der Corona-Pandemie „fairer“zu machen, assistierte US-Finanzministerin Janet Yellen. Ihr deutscher Kollege, SPDKanzlerkandidat Olaf Scholz, sprach von einer „Trendwende“.
Klar war aber von Anfang an: Für eine weltweite Lösung bedarf es der Zustimmung von weit mehr als den Vertretern jener Industriestaaten auf beiden Seiten des Atlantiks sowie Japan, die sich seit 1975 jährlich treffen. Während die G7-Gruppe führender westlicher Industrienationen „heute weniger als 40 Prozent des Welthandels ausmacht“, wie Renata Dwan vom Londoner Thinktank Chatham House berichtet, spiegelt die Mitgliedschaft der G20 die Machtverhältnisse in der Weltwirtschaft deutlich besser wider. Neben China und Russland sind dort auch wichtige und bevölkerungsreiche Industrienationen sowie Schwellenländer wie Saudi-Arabien und Indonesien, Mexiko und die Türkei vertreten. Gemeinsam repräsentieren die 19 Nationalstaaten sowie die EU als Nummer 20 an die 80 Prozent des globalen Handels, zwei Drittel der Weltbevölkerung und etwa die Hälfte der Landmasse.
An diesem Dienstag mag es unter den G20-Außenministern bei ihrem Treffen im süditalienischen Matera Konsultations- und Koordinierungsversuche geben. Entscheidend für das Schicksal der globalen Steuer dürfte aber das Treffen der Finanzressortchefs in Venedig in knapp zwei Wochen werden. Von dort muss, wenn der G7-Vorschlag einigermaßen ungerupft davonkommen soll, ein klares Signal ausgehen an die seit Jahren unter der Ägide der Pariser OECD laufenden Gespräche von 140 Staaten.
Erst in diesem Forum sind auch jene Staaten vertreten, die dem G7Vorstoß die größte Skepsis entgegenbringen. Dazu gehören in Europa die Schweiz sowie eine Reihe kleinerer EU-Mitglieder. Längst basteln Schweizer Kantone ungeniert an Lösungen, um ihre bisherige Politik weiterführen zu können.
Ausgerechnet der Vorsitzende der Eurogruppe, Paschal Donohoe, amtiert als Finanzminister Irlands, dessen Steuerpolitik vielen größeren Nationen ein Dorn im Auge ist. Denn Dublin lockt seit Jahrzehnten global agierende US-Firmen mit der Aussicht auf einen Steuersatz von 12,5 Prozent an; selbst dieser wird häufig massiv unterschritten.
Die grüne Insel muss Mindereinnahmen von jährlich gut zwei Milliarden
Euro befürchten, lag die Körperschaftsteuer dort 2019 doch bei 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Noch stärker profitieren die EU-Mitglieder Luxemburg (5,9) und Niederlande (3,7) von ihrer Niedrigsteuerpolitik.
Curtis Dickinson, Finanzminister
Bermuda
Der Regierungschef der Kanalinsel Jersey, John le Fondré, teilte abschätzig mit, das Vorhaben der G7 werde „bemerkenswert geringe Auswirkungen“auf seine Steueroase haben. Bermuda habe „das Recht, für sich selbst das beste Steuersystem zu finden. Hier geht es um Souveränität“, findet der Finanzminister der Atlantikinsel, Curtis Dickinson. Gemeinsam haben die Territorien, dass sie in die Zuständigkeit des Vereinigten Königreichs fallen. Und London wacht eifersüchtig über seinen Status als größtes internationales Finanzzentrum der Welt.
Kaum hatten die Briten den G7Vorsitz an Deutschland weitergereicht, begann Finanzminister Sunak mit der Lobbyarbeit für seine Finanzindustrie, die rund zehn Prozent des britischen Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Der Sektor soll nach den Vorstellungen Londons aus den Vereinbarungen ausgeschlossen bleiben, die vor allem auf digitale Dienstleistungen abzielen. Was auf dem Spiel steht, faßt Heather Self von der Buchhalterfirma Blick Rothenberg so zusammen: „Bei Einschluß des Finanzsektors würde das Königreich wahrscheinlich ein Nettoverlierer sein.“
Freilich bringt Sunaks Geschachere die mächtige US-Kollegin Yellen in Bedrängnis. Sollten die Ausnahmen am Ende große Volkswirtschaften
begünstigen, nicht aber die USA, dürfte der Deal kaum Gnade vor den Augen der mächtigen Lobbyisten im US-Kongress finden.
Den G7-Berechnungen zufolge spülen die neuen Vorschriften sowohl den USA wie Deutschland, Frankreich und Italien mehr Geld in die Kasse. Mit Verlusten müssten vor allem jene Niedrigsteuerstaaten, darunter EU-Mitglieder wie Irland, Luxemburg und die Niederlande, rechnen, die von den Buchhaltungstricks global agierender Konzerne wie Google und Amazon profitieren.
Die neue Mindeststeuer soll nur für jene Großkonzerne gelten, deren Gewinnmarge mindestens zehn Prozent des Umsatzes beträgt. Ein Fünftel der zusätzlichen Gewinne würde zukünftig in jenen Staaten besteuert, wo die Firmen ihre lukrativen Umsätze machen. Die Maßnahme zielt also auf die enorm profitträchtigen Internetgiganten wie Google oder Facebook ab.
„Hier geht es um
Souveränität.“