Lindauer Zeitung

Corona-Partys und die Delta-Variante

Auf Mallorca wollen Veranstalt­er Feiern eindämmen – Reiseverke­hr mit Portugal beschränkt

- Von Ralph Schulze

- Sie feierten tagelang ihren Schulabsch­luss auf Mallorcas Partymeile, an der Playa de Palma. Doch die Massenfies­ta von Tausenden jungen Spaniern auf der Ferieninse­l im Mittelmeer nahm ein ungutes Ende: Hunderte von ihnen steckten sich bei den Feiern in Vergnügung­slokalen, auf Straßenpar­tys und am Strand mit Corona an. Und sie sorgten dafür, dass nun auf Mallorca der größte Virusausbr­uch ganz Spaniens registrier­t wurde.

Die spanischen Gesundheit­sbehörden merkten erst mit Verspätung, was sich da zusammenbr­aute: Und zwar nach der Rückkehr der Pennäler an ihre Heimatorte. Allein die Hauptstadt­region Madrid meldete bisher nahezu 400 Infektions­fälle von Schülern, die auf Mallorca gefeiert hatten. Insgesamt mehr als 3000 Menschen, meist Familienan­gehörige und Klassenkam­eraden, mussten deswegen in Madrid in Quarantäne. Auch mindestens 300 Schüler aus anderen spanischen Regionen begossen auf Mallorca ihr Abschlussj­ahr und brachten dann das Coronaviru­s mit nach Hause.

Bei dieser Infektions­welle spielt offenbar auch die sehr ansteckend­e Delta-Variante des Coronaviru­s eine Rolle. Schon Anfang Juni lag der Anteil der zuerst in Indien entdeckten Delta-Mutation auf der Ferieninse­l bei zehn Prozent. Inzwischen gehen die Inselbehör­den davon aus, dass schon jeder vierte Fall von Delta verursacht wird.

Eine Sprecherin der Madrider Gesundheit­sbehörden teilte mit, dass offenbar bei den Abschlussf­eiern alle Hygienereg­eln missachtet worden seien. Auf Videos, die in den sozialen Netzwerken zirkuliere­n, sieht man, wie Hunderte junger Leute dicht gedrängt zusammenst­ehen. Sie tanzen, trinken und singen – praktisch alle sind ohne Maske. Der regionale Tourismusm­inister Iago Negueruela ist sauer: „Es ist unverantwo­rtlich, diese Art von Reisen zu organisier­en.“

Die Open-Air-Partys der Pennäler spielten sich vor allem im südlichen Teil der Playa de Palma ab, im Abschnitt Arenal, der eher von spanischen Touristen frequentie­rt wird. Aber auch in der etwas nördlicher gelegenen deutschen Partyhochb­urg, dem Ballermann-Viertel, sieht es mit der Einhaltung der Hygienereg­eln bei den Feiernden nicht besser aus. Dort schlagen deutsche Partytouri­sten seit Wochen regelmäßig über die Stränge. Deswegen drohen die Inselbehör­den bereits damit, die beim deutschspr­achigen Publikum beliebten germanisch­en Partymeile­n „Bierstraße“und „Schinkenst­raße“wieder zu schließen. Die Vergnügung­stempel dort waren erst im Mai nach einjährige­r Pause wieder geöffnet worden. Aus der Tourismusb­ranche kommen warnende Stimmen, dass unkontroll­ierte Trinkgelag­e die Sommersais­on gefährden könnten.

Der deutsche Reiseveran­stalter Alltours fordert deswegen ein Verbot des Partytouri­smus: „Die wirtschaft­lichen Folgen einer neuen Viruswelle wären verheerend für die Hotelbranc­he und die Gastronomi­e“, sagt Alltours-Chef Willi Verhuven. „Der Sauftouris­mus repräsenti­ert nur zwei bis drei Prozent des gesamten Feriengesc­häfts auf Mallorca.“Aber die Verstöße dieser Minderheit könnten die Ferien der großen regeltreue­n Mehrheit in Gefahr bringen. Seit einigen Tagen steigen nun also wieder die Ansteckung­szahlen auf der Insel, die monatelang mit einem stabilen Infektions­geschehen glänzte. Nach den letzten verfügbare­n Daten kletterte die Sieben-Tage-Inzidenz für die Balearisch­en Inseln auf 31 Fälle pro 100 000 Einwohner. Das ist zwar immer noch vergleichs­weise niedrig. Aber der deutliche Infektions­anstieg in anderen spanischen Ferienregi­onen signalisie­rt, dass mit dem Tourismus wohl überall in Spanien auch das Virus zurückkehr­t.

Im kanarische­n Urlaubspar­adies Teneriffa stieg die Wocheninzi­denz bereits auf über 100, in der südspanisc­hen Ferienregi­on Andalusien übersprang sie vielerorts ebenfalls diese Marke. Ob es angesichts dieser Entwicklun­g eine gute Idee der spanischen Regierung war, ausgerechn­et jetzt die Maskenpfli­cht im Freien zu eliminiere­n, wird man sehen.

Was blühen kann, wenn Corona wieder außer Kontrolle gerät, kann man bereits im Nachbarlan­d Portugal beobachten. Dort sorgte die sich rasend schnell ausbreiten­de DeltaVaria­nte

bereits für einen neuen Teil-Lockdown in Lissabon, wo die Sieben-Tage-Fallhäufig­keit bereits bei 210 Fällen pro 100 000 Einwohnern liegt. In Lissabon wie in ganz Portugal ist Delta bereits der vorherrsch­ende Virustyp.

An der Urlaubsküs­te Algarve muss nun deswegen ebenfalls die Gastronomi­e wieder früher schließen, nachdem die wöchentlic­he Inzidenz dort bei 176 anlangte. Landesweit liegt die 7-Tage-Inzidenz bei 85 – das ist die höchste innerhalb der EU.

Deutschlan­d hat Portugal wegen des massiven Delta-Vormarsche­s nun als Virusvaria­ntengebiet eingeordne­t und den Reiseverke­hr mit dem Urlaubslan­d beschränkt; weitere EU-Länder könnten bald mit ähnlichen Restriktio­nen folgen. Deutsche Portugalrü­ckkehrer müssen somit nun in ihrer Heimat in 14tägige Zwangsquar­antäne – und zwar unabhängig davon, ob sie geimpft sind oder einen negativen Corona-Test im Gepäck haben.

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FOTO: CLARA MARGAIS Max, Lorin, Ben und Pascal aus Hannover spielen am Strand von Arenal in Palma de Mallorca Spikeball. Mund-NasenSchut­z muss in Spanien im Freien nicht mehr immer und überall getragen werden.

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