Geschichten wie Suppenwürfel
Barbara Frischmuth beschenkt sich selbst zum anstehenden 80. Geburtstag mit dem Erzählband „Dein Schatten tanzt in der Küche“
Eigentlich wollte der Aufbau Verlag zu ihrem 80. Geburtstag am 5. Juli einen Band mit den besten Erzählungen von Barbara Frischmuth herausbringen, zu dem die 1941 in Altaussee in der Steiermark geborene Schriftstellerin ein, zwei neue beisteuern sollte. „Dann hat eines das andere ergeben“, erzählte sie kürzlich in einem Interview. Sie habe so viele Ideen gehabt, dass es keine Anthologie wurde, sondern eine Sammlung mit fünf komplett neuen Texten. Allesamt „Lebensgeschichten, die eigentlich auch Romane sein könnten“, sagt sie selbst und vergleicht die Geschichten deswegen mit „Suppenwürfeln“, die ähnlich komprimiert seien.
Wer jetzt Appetit bekommen hat, nur zu – es lohnt sich. Beweist jede der Erzählungen in „Dein Schatten tanzt in der Küche“doch auf eindrückliche Weise, dass das selbstbestimmte Leben einer Frau nicht erst eine Erfindung der MeToo-Bewegung ist. Die Protagonistinnen in Frischmuths Geschichten geraten immer irgendwie aus dem Lot. Manchmal bricht plötzlich etwas nicht Berechenbares über sie herein, manchmal nur das Alter, das keine Gnade kennt. Oft existieren Menschen, die ihnen helfen könnten. Die aber sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt und führen ihr eigenes Leben. So wie in der Erzählung „Die Katze, die im Sprung gefror“.
Vor vielen Jahren zog Paula aus der Stadt hinaus zu Valentin aufs
Land, um mit ihm ein einfaches Leben in der Natur zu führen. Zuerst verkaufte er seine Felder, auf denen Treibhäuser gebaut wurden. Dann das Bauernhaus, das einem Supermarkt weichen muss. Die Tiere bringt Paula zum Schlachter, weil Valentin es nicht übers Herz bringt. Bald ist nichts mehr von dem erhalten, was Paula auf dem Land einst liebte. Als Valentin bei einem Autounfall stirbt, schaut nur noch dessen Sohn aus erster Ehe ab und an nach Paula. Ihr bleiben nur noch ihre Ziege Bianca und ihr Kater Logo.
Wie die seit mehr als 20 Jahren wieder in ihrem Geburtsort Altaussee lebende Barbara Frischmuth das Landleben beschreibt, das „sehr brutale Züge haben kann“, wie sie selbst einmal sagte, hat etwas Ernüchterndes,
trifft es aber auf den Punkt. Doch alle Heldinnen in diesen wehmütigen Erzählungen stehen ihre Frau.
Die alt gewordene Schauspielerin Amelie, die sich noch einmal das Kostüm ihres erfolgreichsten Filmes anzieht und sich ins Kaffeehaus setzt, weil sie hofft, noch erkannt zu werden („Kein Engel vor meiner Tür“). Oder die Leihgroßmutter Agnes, die sich bereit erklärt, auf das Kind eines Bekannten aufzupassen, mit dem sich ihre erwachsene Tochter Mo für ein paar Tage eine Auszeit nehmen will („Enkelhaft“). Dann aber kommt der kleine Sugo nicht von der Schule zurück und Agnes wird mit einem Schlag bewusst, dass sie nicht einmal seinen richtigen Namen kennt.
Seit ihrem zum Klassiker gewordenen Debüt „Die Klosterschule“ (1968) hat Barbara Frischmuth immer wieder über starke Frauen geschrieben. Mehr als 50 Bücher sind entstanden. Romane, Erzählungen, Dramen und Hörspiele. Sie gehört wie Joyce Carol Oates oder Margaret Atwood einer Generation an, in der Feministinnen beschimpft wurden und es noch nicht hip war, für seine Rechte zu kämpfen.
Barbara Frischmuth kennt genau, worüber sie schreibt. Auch mit fast 80 weiß sie souverän zu erzählen und hat einen wachen Blick für die Gegenwart. Und zu tun gibt es auch weiterhin jede Menge.
Barbara Frischmuth: Dein Schatten tanzt in der Küche, Aufbau Verlag, 224 Seiten, 19,50 Euro.