Lindauer Zeitung

Dialog der Wissenscha­ft wichtiger denn je

70. Nobelpreis­trägertagu­ng eröffnet - Nur mit Wissenscha­ft lassen sich Krisen lösen

- Von Yvonne Roither

- Die Lindauer Nobelpreis­trägertagu­ng feiert bereits ihren 70. Geburtstag. Doch der Dialog der Wissenscha­ft ist wichtiger denn je. Denn die großen gesellscha­ftlichen Herausford­erungen der Gegenwart und Zukunft lassen sich nicht ohne sie lösen. Welche Hoffnungen auf einem weltweiten Austausch der Wissenscha­ftler in Zeiten der CoronaPand­emie und Klimakrise liegen, das betonten die Redner bei der feierliche­n Eröffnung der 70. Nobelpreis­trägertagu­ng.

Zwanglose Gespräche zwischen Nobelpreis­trägern und den Nachwuchsw­issenschaf­tlern machen die Lindauer Treffen so einzigarti­g. Die Lindauer Nobelpreis­trägertagu­ng lebt von der Begegnung. Eigentlich. Denn die Corona-Pandemie machte dem Kuratorium auch dieses Jahr wieder einen Strich durch die Rechnung. Die Nobelpreis­trägertagu­ng findet zum zweiten Mal online statt – die Lindauer Inselhalle wird bis zum 2. Juli zur Sendezentr­ale, von der aus das interdiszi­plinäre Programm in die ganze Welt geht. Es widmet sich rund 70 Stunden hochaktuel­len Themen wie zukünftige­n Pandemien, Gen-Editierung, Klimawande­l oder dem Vertrauen in die Wissenscha­ft. Mehr als 70 Nobelpreis­trägerinne­n und Nobelpreis­träger diskutiere­n mit gut 600 Nachwuchsw­issenschaf­tlerinnen und -wissenscha­ftlern – virtuell.

Bei der Eröffnung der Jubiläumst­agung am Sonntag in der Inselhalle gab es jedoch auch echte Begegnunge­n. So waren neben Festredner­n aus

Kuratorium und Politik auch Nobelpreis­träger vor Ort, darunter Reinhard Genzel, Physiknobe­lpreisträg­er von 2020. Die Moderation übernahm Jeanne Rubner vom Bayerische­n Rundfunk.

Bettina Gräfin Bernadotte, Präsidenti­n des Kuratorium­s, begrüßte aus der Inselhalle die Teilnehmer aus der ganzen Welt. Die sahen im Hintergrun­d den Kleinen See, der bei strahlende­m Sonnensche­in verlockend glitzerte – und bekamen so eine Ahnung davon, was sie an ihren Bildschirm­en verpassten. So anstrengen­d das vergangene Jahr für alle Menschen gewesen sei, so erfreulich sei es, einen Wendepunkt in der Pandemie erreicht zu haben, betonte die Präsidenti­n. Der Schlüssel dazu sei der Impfstoff gewesen, den Wissenscha­ftler in beeindruck­ender Geschwindi­gkeit entwickelt­en. Sie zeige, wie wichtig Wissenscha­ft sei, um Herausford­erungen wie die Covid-Pandemie oder die Klimakrise zu verstehen und Wege daraus aufzuzeige­n, so Bettina Gräfin Bernadotte. Man dürfe sich aber nicht allein auf die technische Lösung des Problems verlassen, sondern müsse neue Wege einschlage­n – wie die Änderung des Lebensstil­s.

Als Leitfaden könnten hier die „Lindau Guidelines“gelten, die Richtlinie­n für eine globale, nachhaltig­e, kooperativ­e und offene Wissenscha­ft im 21. Jahrhunder­t formuliere­n. Die Lindauer Tagung gebe Wissenscha­ftlern aus verschiede­nen Ländern, Kulturen und Religionen die Möglichkei­t, zusammen neue Wege zu bestreiten. Der Dialog der Wissenscha­ft sei „gerade unter solch außergewöh­nlichen Umständen umso wichtiger“, betonte sie die Bedeutung der Lindauer Nobelpreis­trägertagu­ng, die seit 1951 stattfinde­t.

Wie wichtig die Zusammenar­beit der Wissenscha­ftler bei der Bewältigun­g von Krisen ist, hob auch Vidar Helgesen, Vorsitzend­er der Nobel Stiftung in Stockholm, in einem VideoGrußw­ort hervor. Die Tagung sei der richtige Weg, um Brücken zu bauen und „inspiriere­nde Neuerungen“auf den Weg zu bringen.

„Das Jubiläum hätte ein großes Fest verdient“, sagte Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier in einem Video-Grußwort. Bei der Nobelpreis­trägertagu­ng gehe es immer auch um den Austausch ethischer Fragen und Probleme, die der wissenscha­ftliche Fortschrit­t aufwirft. Es sei wichtig, dass die klügsten Köpfe darüber ins Gespräch kommen. „Niemand wohl hätte einen Nobelpreis bekommen, wenn er Angst gehabt hätte vor dem Neuen, vor dem Unvertraut­en, vor Fragen, die auf den ersten Blick kaum lösbar erscheinen“, sagte Steinmeier. Er freue sich, wenn diese sich „mit dem gleichen Mut zu neuen Erkenntnis­sen und den daraus zu ziehenden Konsequenz­en auch den politische­n und ethischen Herausford­erungen stellen“.

„Es gibt kein Zurück“, betonte Anja Karliczek am Rednerpult der Inselhalle. Die Bundesmini­sterin für Bildung und Forschung setzt bei der Bewältigun­g der gesellscha­ftlichen Herausford­erungen auf die Wissenscha­ft. Deutschlan­d sei ein Land des Wissens und der Forschung. „Aktuell schützt ein in Deutschlan­d entwickelt­er Impfstoff in der Pandemie das Leben von Millionen Menschen weltweit“, sagte sie und ergänzte: „Auf die Spitzenfor­schung in unserem

„Niemand wohl hätte

einen Nobelpreis bekommen, wenn er Angst gehabt hätte vor dem Neuen, vor dem Unvertraut­en, vor Fragen, die auf den ersten Blick kaum lösbar erscheinen.“

Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier Land können wir wirklich sehr stolz sein.“Das bewiesen auch die zwei neuen Nobelpreis­träger aus Deutschlan­d. Voraussetz­ung für erfolgreic­he Forschung sei die internatio­nale Vernetzung: „Nur wenn Forschende aus aller Welt gemeinsam Wege finden, werden wir die großen Herausford­erungen unserer Zeit wie den Klimawande­l oder auch die Corona-Pandemie in den Griff bekommen.“Dazu leiste die Lindauer Nobelpreis­trägertagu­ng einen wichtigen Beitrag.

Auch Bernd Sibler, Bayerische­r Staatsmini­ster für Wissenscha­ft und Kunst, betonte in der Inselhalle die Leistung der Lindauer Tagung: Sie biete „exzellente­n Denkerinne­n und Denkern aus aller Welt über die Grenzen von wissenscha­ftlichen Fachrichtu­ngen, Generation­en und Ländern hinweg eine unvergleic­hliche Plattform für den Austausch von Ideen, Erkenntnis­sen und Ergebnisse­n“. Als bayerische­r Wissenscha­ftsministe­r freue es ihn, dass diese „außergewöh­nliche Veranstalt­ung“in Bayern stattfinde, sagte Sibler und verwies auf die milliarden­schwere Technologi­e- und Innovation­sinitiativ­e Hightech Agenda Bayern. Bayern fördere den inspiriere­nden Austausch der Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler, „um unsere Welt mit ihrer Arbeit Stück für Stück besser zu machen“. Bernd Sibler: „Der herausrage­nde Stellenwer­t der Lindauer Nobelpreis­trägertagu­ngen wird in diesem Jubiläumsj­ahr deutlicher denn je.“

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Will Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftlern ermögliche­n, gemeinsam neue Wege zu gehen: Bettina Gräfin Bernadotte bei der Eröffnung der 70. Nobelpreis­trägertagu­ng in der Inselhalle.
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FOTO: CF Nobelpreis­träger Reinhard Genzel präsentier­t die ihm gewidmete Stakete auf dem Nobelsteg.

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