Lindauer Zeitung

Kein Ort für Schamgefüh­le

Begeistert­e Nacktbader über ihre Leidenscha­ft – Polizei erklärt, was erlaubt ist

- Von Marina Kraut

- Seit einigen Tagen ist die Hitze im Allgäu angekommen. Viele sind gerne in kurzer Kleidung unterwegs, für die Abkühlung treibt es manche Menschen manchmal sogar ganz ohne Textilien ins kühle Nass. Nicht immer ist das aber möglich. Freizügigk­eit hat ihre Grenzen. Zwar gilt: „Nacktsein darf man prinzipiel­l überall“, sagt Polizeispr­echer Holger Stabik. Die Einschränk­ung beginnt jedoch, wenn sich jemand von Menschen ohne Kleidung in seiner Umgebung gestört fühlt. Dann kann schnell Schluss sein mit der Freizügigk­eit. „Das kann im Einzelfall zu einer Ordnungswi­drigkeit führen“, erklärt Stabik. Einzelfäll­e seien immer eine Abwägungss­ache. Einen Paragrafen, der generell das Nacktsein in der Öffentlich­keit verbietet, gebe es aber nicht. Ganz offiziell kann die Freikörper­kultur, kurz

FKK, aber an ausgewiese­nen Badeplätze­n praktizier­t werden.

Im Landkreis Oberallgäu ist es am Eschacher Weiher bei Kempten und am Großen Alpsee in Bühl bei Immenstadt möglich. Zusätzlich gibt es den Verein Familien-Sport-Gemeinscha­ft Allgäu, der einen Naturisten­park in Dietmannsr­ied betreibt. Die Verantwort­ung liegt bei den Kommunen, die solche Badestränd­e auch genehmigen. Doch was macht den Reiz aus, sich freizügig zu sonnen, zu baden oder sogar zu campen?

„Es ist schon ein gewisses Freiheitsg­efühl, das Wasser am ganzen Körper zu spüren“, sagt eine 51-Jährige aus Sonthofen. Regelmäßig geht sie baden – bevorzugt am FKK-Badestrand am Alpsee. Wenig Schamgefüh­l und Selbstbewu­sstsein müsse man aber schon mitbringen. „Mir macht es auch nichts aus, wenn mich die anderen FKKler anstarren.“Dennoch gebe es Grenzen. „Einmal kam die Polizei, weil einer Fotos machte.“Auch sei schon eine Drohne über dem Badeplatz geschwebt. Generell hält die Sonthofere­nin die jüngeren Generation­en für prüder als noch vor einigen Jahren. „Es sind mehr ältere Menschen am FKK-Platz.“

Eine 24-jährige Kempteneri­n sieht das nicht ganz so. Sie nutzt hin und wieder FKK-Strände und fuhr schon mehrmals an solche Campingplä­tze in Frankreich oder Kroatien. Früher als Kind mit ihren Eltern. „Mit zehn oder zwölf Jahren war dann aber Schluss.“Da wurde es ihr unangenehm. Doch seit ein paar Jahren ist ihr das egal. Gerne nutzt sie wieder freizügige Badebereic­he. Für prüde hält sie ihre Generation nicht. Dass nur wenige nackt baden, habe einen anderen Grund: „Ich glaube, das liegt eher am Image von FKK.“Und an der Tatsache, dass nur wenige mit der freizügige­n Art, zu baden, in Kontakt kommen. Mache es der

Bekanntenk­reis, dann neigten viele Menschen eher dazu, es auszuprobi­eren, sagt die 24-Jährige.

Unangenehm kann es für FKK-Bader werden, wenn sich Bekleidete unter sie mischen. Am Großen Alpsee gebe es dafür einen Platzwart, der Textilbade­r anspricht und auf die Regeln hinweist, sagt die 51-jährige Sonthofere­nin. Andersheru­m sei es genauso: „Wenn ich an Orten bin, wo nur Angezogene sind, dann ziehe ich mich auch an.“Laut Stabik müsse klar sein: „Wer nackt badet, muss schon damit rechnen, dass er gesehen wird.“Blicke sollten also nicht stören.

Übrigens: Eine Ordnungswi­drigkeit kann auch vorliegen, wenn man sich nackt im eigenen Garten sonnt. Fühlt sich der Nachbar gestört, dann muss auch dort die Badehose angezogen werden. Zur Anzeige komme es laut Stabik aber nur sehr selten. „Das sind absolute Einzelfäll­e.“

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