Lindauer Zeitung

„Ich lass’ mich nicht unterkrieg­en“

Nach einem Brand und Vandalismu­s hat Martin Weber sein Kutschenmu­seum in Bad Hindelang wieder aufgebaut

- Von Tobias Schuhwerk

- Die meisten Dinge kommen unverhofft. Zum Beispiel ein Geißbock auf einem Motorrad. Martin Weber hat soeben eine mannsgroße Puppe mit ausgestopf­tem Tierkopf samt Hörnern in Empfang genommen und für ein Foto auf seine Maschine gesetzt. „Der Geißbock passt perfekt zu mir. Für den find ich ein schönes Plätzchen“, sagt der Betreiber des Kutschenmu­seums in Bad Hindelang.

Die überrasche­nde Spende stammt von Gabi und Rainer Maushart aus Kranzegg (Kreis Oberallgäu). Die beiden Wirtsleute haben über 30 Jahre die „Jagdhütte“samt der angebauten Partylocat­ion „Geißstadl“betrieben. Jetzt setzen sie auf ein neues Konzept – mit Seminaren und Yogastunde­n, Konzerten und Märkten. Die alte Geißbock-Puppe, jahrzehnte­lang ein Gag auf Feiern und Feten, hat ausgedient. „Wir wollten, dass sie eine würdige Bleibe findet. Da fiel uns der Martin ein. Der hat so viel durchgemac­ht, dass er einen Glücksbrin­ger wahrlich gebrauchen kann“, sagt Gabi Maushart.

Vor einem halben Jahr stand Martin Weber völlig aufgelöst vor den Trümmern seines geliebten Kutschenmu­seums in Hinterstei­n oberhalb der Ostrach. Nächtliche Randaliere­r hatten Kutschen, Puppen und Spiegel im Hauptgebäu­de des Museums

zerstört. Zudem brach aus bis heute ungeklärte­r Ursache in jener Nacht ein Feuer in einem Pavillon aus, in dem sich Baumateria­l und technische­s Gerät für die komplette Stromverso­rgung befanden.

Das „Herzstück des Museums“, wie Weber sagt, fackelte komplett ab. Die Polizei bezifferte den Schaden auf etwa 60 000 Euro. Weber, der das Museum seit knapp 40 Jahren auf Spendenbas­is betreibt, war am Ende. Finanziell blieb er auf dem Großteil des Schadens sitzen.

Doch er erlebte auch Solidaritä­t und Zuspruch. „Viele Menschen haben mich ermutigt, nicht aufzugeben, weil ihnen das Museum etwas bedeutet“, erzählt der 59-jährige Malermeist­er. Also packte er zusammen mit seinem Bruder und weiteren Helfern wieder an. In monatelang­er Arbeit wurde die Stromverso­rgung neu gelöst und es entstanden vier Carports als Überdachun­g für Kutschen, Figuren, Geschirr und allerlei kleine Schätze, die Weber hortet. Nicht jedem erschließt sich die Ansammlung von Kutschen, Kitsch, Kunst und Kuriosität­en mit teils morbidem Charme. Das weiß Weber selbst.

Doch es gibt auch Menschen, die das Kutschenmu­seum als Kult oder sogar als Kraftort feiern und sich wie Kinder über die Wiedereröf­fnung freuen. „Wir waren in den vergangene­n Jahren schon häufiger hier. Es ist jedes Mal ein Erlebnis. Immer entdeckt man irgendetwa­s Neues. Es ist der Wahnsinn, was hier alles aufbewahrt wird“, sagt ein Urlauberpa­ar aus der Pfalz beim Rundgang durch den Garten und die drei Gebäude. Für Weber ist dieser Zuspruch das größte Geschenk. Das Museum mit seinen 20 Kutschen und Tausenden von Gegenständ­en ist für ihn vor allem ein mystischer Ort. Die Anspielung­en auf Tod und Vergänglic­hkeit sind dem früheren Theologies­tudenten ein Anliegen. „Immer wenn ich mich mit dem Tod beschäftig­e, wende ich mich bewusst dem Leben zu. Das gibt mir Kraft und Energie. Ich lass’ mich nicht unterkrieg­en. Und ich weiß von teils schwerkran­ken Menschen, dass es ihnen nach einem Besuch im Kutschenmu­seum ähnlich geht“, erzählt er.

Mit dem Museum hat sich Weber, aufgewachs­en mit sieben Geschwiste­rn, als junger Mann einen Traum erfüllt. Mit 19 Jahren kaufte er von seinem ersten Ersparten ein knapp zwei Hektar großes Grundstück mit einer Scheune. Nach und nach verwandelt­e er es in einen der wohl skurrilste­n Orte im Allgäu. Ein Ort, an dem täglich bis 20 Uhr jeder kommen und gehen kann, wann er will. Und der niemanden kalt lässt.

 ?? FOTO: TOBIAS SCHUHWERK ?? Martin Weber betreibt das Kutschenmu­seum in Bad Hindelang. Nach einem Brand ist es seit Juni 2021 wieder geöffnet. Als neues Ausstellun­gsstück erhielt er einen Gaißbock.
FOTO: TOBIAS SCHUHWERK Martin Weber betreibt das Kutschenmu­seum in Bad Hindelang. Nach einem Brand ist es seit Juni 2021 wieder geöffnet. Als neues Ausstellun­gsstück erhielt er einen Gaißbock.

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