Bei den Festspielen ist Küssen erlaubt
Regisseur Andreas Kloos kehrt nach Langenargen zurück, um „Romeo und Julia“zu inszenieren
- Was für ein Heimspiel: Als Jugendlicher hat Andreas Kloos am Schloss Montfort erste romantische Erfahrungen gesammelt. Fast 40 Jahre später kehrt der Regisseur, der längst in Hamburg lebt, dorthin zurück, um in der Konzertmuschel die Liebestragödie „Romeo und Julia“zu inszenieren. Das Stück läuft im Rahmen der Langenargener Festspiele und feiert am Samstag, 26. Juni, um 19 Uhr Premiere.
Dramatiker William Shakespeare hätte es wahrscheinlich gefallen: Als Anfang April in Langenargen die Proben unter freiem Himmel starteten, konnten die Hauptdarsteller einfach nicht zusammenkommen – allerdings waren nicht etwa verfeindete Familien das Problem, sondern die Corona-Zahlen. Anstatt inniger Umarmungen und tiefer Blicke hieß es zunächst: Abstand halten, Maske tragen, testen lassen. „Am Anfang hat sich hier gar niemand geküsst. Meine Horrorvorstellung war, dass die Situation so bleiben würde“, erzählt Andreas Kloos. Eine nicht ganz ernst gemeinte Lösung: die Liebenden in einer der berühmtesten Szenen auf zwei Balkone zu verteilen.
Nachdem die Fallzahlen deutlich gesunken sind, immer mehr Lockerungen
beschlossen wurden und das Festspiel-Team geimpft ist, steht fest: Romeo und Julia werden sich in der Konzertmuschel und bei Regen am Ausweichspielort im Münzhof nahe sein können. „Um sicher zu gehen, tun wir alles, was möglich ist und lassen uns zum Beispiel weiterhin regelmäßig testen“, betont der 52-jährige Regisseur. Zu den Vorsichtsmaßnahmen gehört unter anderem, dass die Zuschauer die gebotene Distanz halten.
Das Gegenteil von Distanz war angesagt, als Andreas Kloos im Alter von 13 in der besonderen Schloss-Atmosphäre erste zarte Bande knüpfte. Im Jahr zuvor war er mit seiner Familie von Stuttgart an den See gezogen. Was seine berufliche Entwicklung betrifft, ging die Liebe zunächst durch den Magen: „Nach meinem Abschluss an der Parkrealschule in Kressbronn habe ich eine Lehre bei Sternekoch Albert Bouley im Ravensburger Waldhorn gemacht.“Seine Zuneigung zum Theater entdeckte er erst mit Mitte 20. Dafür sollte diese Liaison von Dauer sein. Für den Grundstock sorgte ein Studium im Bereich Regie an der Akademie für darstellende Kunst in Ulm. Heute lebt der 52-Jährige mit seiner Frau in Hamburg, ist künstlerischer Leiter der Norddeutschen Musical Akademie, Autor und Schauspiellehrer. Als freier Regisseur arbeitet er zudem an Häusern in ganz Deutschland, wie beispielsweise am Altonaer Theater Hamburg, Schleswig-Holsteinisches Landestheater, Theater Neubrandenburg Neustrelitz. Eine Parallele zum Ausbildungsberuf, die Andreas Kloos erkennt: „In der Küche und bei Proben sind die Arbeitszeiten von 10 bis 14 und von 18 bis 22 Uhr.“
Sein Engagement in der alten Heimat verdankt der 52-Jährige einem Hinweis von Caroline Wocher, erste Vorsitzende des Festspielvereins. Von ihr erfuhr er, dass die FestspielMacher einen Regisseur suchen, der ein Erwachsenenstück inszeniert. Für Andreas Kloos ein mehrfach interessanter Hinweis: Zum einen wohnen nach wie vor Mutter und Vater in Langenargen, und zum anderen ist ihm der Schlosspark als Spielort bereits äußerst positiv aufgefallen. „Ich habe vor einigen Jahren während meiner Beschäftigung für das Vorarlberger Landestheater in Bregenz meine Eltern besucht und mir bei einem Spaziergang gedacht, das wäre ein toller Platz, um Theater zu spielen.“
Ein verlockender Gedanke, der Nadine Klante und Steffen Essigbeck ebenfalls und unabhängig davon kam. Die Folge: Sie starteten 2018 mit den Langenargener Festspielen. Seitdem unterhalten die künstlerische Leiterin, die auch Regie führt, und der Intendant, der auch Schauspieler ist, ihr Publikum an der Konzertmuschel mit Stücken wie „Der Räuber Hotzenplotz“oder „Meisterdetektiv Kalle Blomquist“. 2020 wollten sie mit „Romeo und Julia“das Programm um ein Abendstück erweitern. Ein offenbar ertragreiches Gespräch später war klar, Andreas Kloos soll die Regie übernehmen. Doch Corona machte der bühnenreifen Gemeinschaft einen Strich durch die Rechnung.
„Wir hatten mit den Lese- und Konzeptionsproben angefangen, dann war Schluss. Dank dieser Vorarbeit
und vor dem Hintergrund, dass sich alle immer wieder mit dem Stück beschäftigt haben, konnten wir aber in diesem Frühjahr direkt loslegen“, betont der Regisseur. Er selbst habe die Zeit dazwischen unbeschadet überstanden: „Ich habe von Anfang an gesagt, das wird nicht meine Krise. Ich habe mehr Schauspielunterricht gegeben, was online möglich war, und bin finanziell und mental gut durchgekommen.“Allerdings erlebte er mit, wie viele Menschen die Zwangspause an den Theatern getroffen hat: „Es gibt einige Schauspieler, Sänger und Tänzer, die jetzt Taxi fahren oder in einer Bäckerei arbeiten.“Die gute Nachricht: Zum Teil kehrten sie bereits wieder auf die Bühnen zurück.
Apropos Bühne: Von den Langenargener Festspielen, die Nadine Klante und Steffen Essigbeck „mit viel Energie und Herzblut“aufgebaut haben, ist der 52-Jährige angetan. Das Team arbeite sehr professionell, die Produktionen seien bis ins kleinste Detail durchgeplant. Die Besonderheit an dem Stück „Romeo und Julia“: Vier Mimen übernehmen mehr als 20 Rollen. „Dadurch wird sichtbar, was gute Schauspieler ohne große Maske, sondern durch Haltungswechsel und Behauptungen bewirken können. Thomas Wagenblaß übernimmt beispielsweise die Rollen des Romeo und dessen eigener Mutter, und Johanna Greff spielt Julia und Romeos besten Freund.“
Warum sich der Besuch einer der Aufführungen bis zum 15. August unbedingt lohnt, darüber muss der einstige Langenargener Andreas Kloos nicht lange nachdenken: „Weil die Zuschauer endlich wieder ein Theaterstück sehen können. Außerdem erwartet sie ein tiefgründiges und spannendes Stück, in dem es wie bei Shakespeare üblich auch etwas zu lachen gibt.“
Das Stück „Romeo und Julia“läuft bis 15. August. Der Eintritt kostet für Erwachsene regulär 28,50 Euro, Gäste mit SZ-AboCard erhalten zehn Prozent Ermäßigung. Weitere Informationen unter www.langenargenerfestspiele.de