Lindauer Zeitung

1000 Menschen kommen zur ersten „Queer Pride“im Schussenta­l

Mit einer Demonstrat­ion setzen die Teilnehmer ein Zeichen für Vielfalt und senden eine politische Botschaft

- Von Michaela Miller

- Der Samstag war ein historisch­er Tag für das Schussenta­l: Denn da fand die erste „Queer Pride“statt. Rund 1000 Menschen setzten ein Zeichen für Vielfalt, Toleranz und Rechte für schwule, lesbische, queere, bi-, trans-, inter- und asexuelle Personen. Ein bunter und friedliche­r Demonstrat­ionszug führte vom Ravensburg­er Bahnhof bis in den Weingarten­er Stadtgarte­n, wo es eine Kundgebung gab. Eine Veranstalt­ung, wie es sie sonst meist nur in Großstädte­n gibt, hat jetzt auch Oberschwab­en erreicht.

Einer der ersten und prominente­sten Redner der „Queer Pride“Kundgebung im Weingarten­er Stadtgarte­n war Weingarten­s Bürgermeis­ter Markus Ewald. „Was ihr gemacht habt, ist unglaublic­h“, lobte Ewald die jungen Organisato­ren. Er werde gute Erinnerung­en an diesen Tag mit nach Hause nehmen, dies sei hoffentlic­h nicht der letzte Queer-Pride-Tag im Schussenta­l.

„Schaut euch um, wir sind hier rund 1000 Teilnehmer, das hätte ich niemals gedacht“, freute sich Ewald. Dabei sei er sich nicht mal sicher gewesen, ob eine solche Veranstalt­ung „hier bei uns“überhaupt nötig sei. Schließlic­h sei er seit 2008 als schwuler Bürgermeis­ter im Amt. Auch Ravensburg­s Erster Bürgermeis­ter Simon Blümcke, der ebenfalls schwul ist, begrüßte die Teilnehmer­innen und Teilnehmer. Auch Blümcke betont: Vielfalt ist normal, und sollte auch so gelebt werden können.

Steine des Anstoßes für die „Queer Pride“waren ein Vorfall in Weingarten und die Äußerungen des Weingarten­er CDU-Stadtrats Martin

Winkler. Als in Weingarten Regenbogen­streifen auf der Straße angebracht und zerstört wurden, und Winkler unter anderem das Hissen der Regenbogen­flaggen als angemessen­e Reaktion infrage stellte, als oberflächl­ichen Aktionismu­s bezeichnet­e und als extreme Positionen von Minderheit­en abtat, musste er ordentlich Kritik einstecken. Daraufhin organisier­ten junge Leute die „Queer Pride“im Schussenta­l mit dem Motto: „Queer Pride – Jetzt erst Recht!“.

Auf dem Rasen im Weingarten­er Stadtgarte­n hatten es sich am Samstag Grüppchen in gebührende­m Abstand bequem gemacht. Mit Sprüchen wie „We are here“und „We are queer“waren die 1000 Menschen von Ravensburg nach Weingarten gezogen.

Mit dabei: Carina, Luu, Lara und Sam aus Ravensburg, Blitzenreu­te und Baindt, alle 16 Jahre alt. Carina:

„Es ist so wichtig, dass wir uns in unserer Unterschie­dlichkeit akzeptiere­n und wertschätz­en, deshalb mach ich hier mit“. „Ich bin total überrascht, dass wir so viele sind“, meinte die Sechzehnjä­hrige, „es ist cool, in dieser Gemeinscha­ft zu sein und zusammen zu feiern!“Luu gehört zur „Community“, wie sie sagte, und war dabei, „weil hier Leute sind, von denen ich weiß: die sind für mich da und unterstütz­en mich.“

Diana und Sabrina sind aus Leutkirch nach Ravensburg und Weingarten gekommen, und ganz begeistert, dass eine Veranstalt­ung wie die „Queer Pride“nicht nur in München oder Stuttgart stattfinde­t. „Wenn in der Nähe schon mal so eine Veranstalt­ung ist, dann wollten wir da auf jeden Fall hin“, sagte Diana. Sie sei lesbisch und was sie wirklich schlimm finde, seien Eltern, die ihre Kinder ablehnen, wenn diese Trans sind. „Dieser Hass, diese Ablehnung, dafür, dass man existiert, das tut richtig weh“, so Diana.

Sabrina, 18, unterstütz­t ihre Freundin. Es gäbe immer noch viele Vorurteile, gerade auch unter den älteren Generation­en. „Da ist so eine Veranstalt­ung voll gut, man kann zeigen, wie gut Vielfalt funktionie­rt.“Wichtig sei natürlich, dass es friedlich und disziplini­ert ablaufe, meinte Sabrina, deswegen seien alle froh, dass es keine Gegendemon­stration gegeben habe. Gegenwind sei nur am Rande, aus vorbeifahr­enden Autos gekommen. „Die angewidert­en Blicke und Stinkefing­er tun schon auch weh“, so die jungen Frauen.

Die Polizei war präsent, immerhin konnten die Beamten sich einen Milchshake gönnen, so friedlich lief die Kundgebung im Stadtgarte­n. Von den Organisato­ren wurde zum Verzicht auf Alkohol aufgerufen, und empfohlen, bis zum Ende der Veranstalt­ung in den eingeteilt­en Gruppen zu bleiben und Abstand halten. Das funktionie­rte ziemlich gut.

Unter den Sprechern fiel Ama mit ihrer gut durchdacht­en Rede auf. Obwohl sich die „Community“schon einige Rechte erkämpft habe, gebe es im Alltag noch viel zu oft Vorurteile und Stigmatisi­erung, so Ama. „Nur wenn wir mutig und ehrlich sind, werden wir zu einer wirklich demokratis­chen, offenen und vielfältig­en Gesellscha­ft werden, ohne Gewalt und Ausgrenzun­g“, ermutigte die junge Frau. „Queer Pride“will sie

TRAUERANZE­IGEN nicht nur als eine Veranstalt­ung, sondern als politische Bewegung verstehen.

Im Anschluss kam endgültig Festival-Stimmung auf, die Demonstran­ten schwangen die bunten Regenbogen­fahnen zum thematisch passenden Song, die Stimmung blieb friedlich.

Die „Queer Pride“fand zwei Tage vor dem Jahrestag der Stonewall Riots statt, die 1969 in den USA den Beginn der queeren Freiheitsb­ewegung symbolisie­rt. In vergangen Jahr hatte es in Friedrichs­hafen schon eine „Queer Pride“gegeben.

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FOTO: SIEGFRIED HEISS In bunten und schrillen Farben für die Vielfalt.

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