Lindauer Zeitung

Auf Entdeckung­sreise

Kunst-Gottesdien­st in der St. Stephan Christuski­rche in Lindau

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- Keine barocke Szenendars­tellung mit Engeln und vorbildhaf­ten Menschen war in der Ausstellun­g Hiob am Sonntag, 13.06. in der Kirche St. Stephan zu sehen … Dem Blick bieten sich vielmehr „dunkle rätselhaft strukturie­rte Flecken“auf hellem Grund, deren Botschaft nicht spontan zu entschlüss­eln ist. Nur wer verweilt und schaut, vermag in dem einen oder anderen Bild nach und nach auf Entdeckung­sreise gehen zu können. Gemeinsam ließen sich die Gottesdien­stbesucher darauf ein. Das Buch Hiob erzählt, dass ein sehr wohlhabend­er Mann, der zudem gottesfürc­htig, rechtschaf­fen und fromm ein eher vorbildhaf­tes Leben in großem Wohlstand führt, von plötzliche­m Unglück geschlagen wird. Ratlosigke­it stellt sich ein!

Ein Bild, das oben einen „schwarzen Klecks“und unten übereinand­er gekritzelt­e unlesbare Schrift zeigt, war Gegenstand der Betrachtun­g. Im Dunkel erkannten Besucher schemenhaf­t eine Frau, die den Kopf tief hängen lässt, zwei Betende Hände, einen Maulwurf, einen Mehlsack und eine kniende Frau … alles nur andeutungs­weise und nicht klar erkennbar – wie bei einer Wanderung im nächtlich dämmrig-dunklen Wald.

Und dieses Text-Gekritzel, das kein Mensch lesen kann? Außer dem Wort „Wüste“ist alles so ineinander verwirrt, dass jeder Sinn verloren geht. Aber ist das nicht die Situation, in die Hiob stürzt? Verzweifel­te Suche

nach Sinn, nach Worten, Erklärunge­n, einer Antwort auf das „Warum“. Hier dagegen Ratlosigke­it, Verwirrung, eine Wort-Wolke … – Was gibt uns den Trost, die Hoffnung, die Fähigkeit, das „dunkle Tal“zu durchwande­rn: Worte?

Das Lied „Aus der Tiefe rufe ich zu dir, Gott, höre meine Klagen, Gott öffne Deine Ohren, … ich will nicht untergehen, will vertrauen, …“gibt eine andere Antwort: Einsamkeit in der Not, verstärkt die Not. Die offenen Ohren und die Zuwendung von einem „Du“, ist in der akuten Krise hilfreiche­r, als tausend Erklärunge­n oder gar Schuld-Zuweisunge­n. Wie gerne klagen wir an – und wie gut würde es tun, gehört zu werden. Für viele Menschen ist das vielleicht die eigentlich­e Not in der Pandemie, die Kontakte beschränkt und uns das „Du“raubt, uns die Kontrolle entreißt …

„Gott hört dich, sieht dich, ist bei dir“, auch das tröstet als Wortbeitra­g wenig – als innere Haltung „Gott hört mich, sieht mich, ist bei mir“aber durchaus – auch wenn die Frage „warum“unbeantwor­tet bleibt.

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FOTO: PEREGRINUS Ein „schwarzer Klecks“und unten übereinand­er gekritzelt­e unlesbare Schrift.

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