Zurück in seiner Schießbude
Serge Gnabry hat beste Erinnerungen an London – Löw setzt auf starke England-Fraktion
- Der Ball! Wo ist mein Ball? Serge Gnabry war total unruhig an jenem Abend des 1. Oktober 2019 im Norden Londons nach dem wahnwitzigen 7:2 des FC Bayern bei Tottenham Hotspur in der Champions League. Teamkollege Javi Martínez hatte beim Schlusspfiff das Spielgerät gedankenlos in die Kurve der Bayern-Fans gekickt. Hoch und weit. Doch auf Gnabrys gestenreiches Drängen kam der Ball, das PrestigeSouvenir für diesen historischen Abend, tatsächlich zurückgeflogen auf den Platz. So konnte Gnabry die Kugel mitnehmen – wie üblich nach einem Hattrick.
Der Außenstürmer hatte nach elf Champions-League-Spielen ohne Treffer sogar gleich einen Viererpack erzielt. Fünf Torschüsse, vier Treffer, alle in einer Hälfte. „Dass ich jetzt gleich vier schieße, hätte ich mir auch nicht erträumen lassen. Es ist einfach grandios. Vier Tore habe ich seit der F-Jugend nicht mehr gemacht“, stammelte er vor Glück – vor allem, weil er einst bei Tottenhams Stadtrivale FC
Arsenal kickte. Als 16-Jähriger war Gnabry 2011 aus dem Nachwuchs des VfB Stuttgart zu den Gunners gewechselt. Den Durchbruch schaffte er nicht, auch die Leihe zu West Bromwich für mehr Spielpraxis misslang. 2016 endete Gnabrys Abenteuer Premier League vorzeitig. Über Werder Bremen und die TSG Hoffenheim kam er im Sommer 2018 zum FC Bayern.
Im Trikot der Roten ärgerte er auch die Blues beim nächsten ChampionsLeague-Trip in seine ehemalige Wahlheimat. Beim 3:0 der Bayern beim FC Chelsea erzielte Gnabry im Februar 2020 zwei Treffer. Nun kehrt der gebürtige Stuttgarter erneut nach London zurück – allerdings im Nationaltrikot. Für das AchtelfinalDuell am Dienstag (18 Uhr/ARD und MagentaTV) in London gegen England. „Ein genaues Rezept kann ich keinem geben. Bislang lief es gut“, erklärte Gnabry in Herzogenaurach zu seiner London-Serie. Bei seiner Premiere
im Wembley-Stadion hofft der heute 25-Jährige auf zumindest „ein Tor“. Wäre auch das erste im Turnierverlauf – und „perfect timing“für den Insel-Schreck. Die Briten wären „not amused“und würden ihm zurufen: „not welcome“.
Gnabry, der Mann mit der Startelfgarantie von Bundestrainer Joachim Löw („Der Serge spielt bei mir immer“), ist einer von neun Spielern im aktuellen EM-Kader der Deutschen, die in der englischen Premier League spielen oder gespielt haben. „Wir können das Niveau und die Härte des Gegners einschätzen. Wir kennen die Liga und die Spielweise, die weicht nicht viel von der Nationalmannschaft ab“, sagte Kai Havertz. Der Chelsea-Profi ist sich sicher: „Das hilft schon ein bisschen.“Gnabry, Havertz, dazu Antonio Rüdiger, Timo Werner (beide Chelsea), Ilkay Gündogan (Manchester City), Robin Koch (Leeds United), Ersatztorhüter Bernd Leno (FC Arsenal),
Serge Gnabry über seine gute Trefferquote bei Spielen in London
Leroy Sané (ehemals Manchester City) sowie Emre Can (früher FC Liverpool) bilden eine starke EnglandFraktion im DFB-Team. Plus Bayerns Küken Jamal Musiala (18), der bei Chelsea ausgebildet wurde und in der englischen U21 spielte. „Wir hoffen, dass wir das auf die anderen Spieler übertragen können und dann als Einheit perfekt vorbereitet sind“, sagte Havertz.
Mit einer Quote von 0,64 Treffern pro Spiel ist Gnabry mit 16 Toren in 25 Länderspielen im DFB-Kader weit vorn. Da kann man schon mal in die Bresche springen für andere wie Sané, die schlechte Kritiken und Pfiffe einstecken müssen. „Ich kann das nicht verstehen, warum gepfiffen wird“, sagte Gnabry. „Es wäre natürlich viel schöner, wenn Leroy Unterstützung bekäme. Wenn dann eine Aktion zu einem Tor führt, ist das Geschrei wieder groß.“Gnabry räumte ein, dass die EM für Sané (ein Startelfeinsatz mit viel Schatten) „bisher nicht so rund“gelaufen sei. „Aber da gibt es auch noch ein paar andere. Seine Qualität wird sich am Ende durchsetzen.“We will see. Schau’n mer mal.
„Ein genaues Rezept kann ich keinem geben.
Bislang lief es gut.“