Das Warten aufs erste Mal
Thomas Müller hat seine Kapselverletzung auskuriert – Gegen England will er endlich sein erstes EM-Tor schießen
- So schnell kann’s gehen. Im Rahmen einer Autogrammstunde für rund 300 Kinder aus der Region um Herzogenaurach wollte ein junger Fan von Kai Havertz wissen, wer denn Europameister werde. Als der Champions-League-Sieger vom FC Chelsea mit „Deutschland“antwortete, verkündete Mitspieler Thomas Müller gewohnt spontan und schlagfertig: „Jawoll Kai, du hast dich fürs Team qualifiziert.“Weil Bundestrainer Joachim Löw am Samstag nicht anwesend war, verteilte also Müller, laut Havertz scherzhaft „unser dritter Co-Trainer“, die Startelfplätze.
Müller war bester Laune. Die Kapselverletzung aus dem 4:2 gegen Portugal, wegen der der 31-Jährige beim 2:2 gegen Ungarn nur als Joker von der Bank reinkommen konnte, ist überwunden. „In der ein oder anderen Situation spüre ich es noch, aber es ist nicht so, dass mich die Kapsel noch behindert“, sagte der Offensivallrounder und erklärte: „Ich bin erfahren genug, gut damit umgehen zu können. Wir können das auf jeden Fall ad acta legen. Ich bin überzeugt, dass es für das Achtelfinale gegen England am Dienstag keine Problematik darstellt.“Und dass ihn Bundestrainer Joachim Löw also aufstellen kann. „Ich gehe davon aus, dass ich ihm das Go geben kann“, meinte Müller in der ARD und fügte mit einem Schmunzeln hinzu: „Wenn er will, kann er mich aufstellen.“
Bei seinem ersten Auftritt im DFBTrikot im Wembley-Stadion („Das Stadion habe ich noch in guter Erinnerung, weil ich dort 2013 meinen ersten Champions-League-Titel gewonnen habe“) will er etwas Einmaliges schaffen: Seinen Premieren-Treffer bei einer EM. 14-mal probiert, 14-mal ist nichts passiert. Ob es am Dienstag (18 Uhr/ARD und MagentaTV) nun endlich Zoom macht? „Ich würde sicher gerne mein erstes EM-Tor schießen, aber das ist nicht Tagesordnungspunkt Nummer 1“, meinte Müller. „Wichtig ist, dass wir gewinnen und weiterkommen. Ich bleibe weiter auf der Jagd, aber wenn ich weniger Scorerpunkte habe, kann ich trotzdem gut schlafen.“
Stammspieler war der Oberbayer sowohl bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine (fünf Spiele) als auch vier Jahre später in Frankreich. Beide Male kam für das DFB-Team das Aus im Halbfinale, beide Male ohne Müller-Tor. Der Kontrast: Bei der WM 2010 in Südafrika, als sein Stern nach der ersten Profi-Saison beim FC Bayern raketenmäßig aufging, wurde er sensationell Torschützenkönig – mit fünf Treffern, inklusive des Doppelpacks beim 4:1 im Achtelfinale gegen England. Ebenfalls fünf Treffer müllerte er beim WM-Triumph 2014 in Brasilien aufs persönliche Torekonto. Macht zehn Buden in 16 Partien, dem gegenüber steht bei 14 EM-Spielen weiterhin die Null. Also: Gelingt sein „erstes Mal“?
Für sich und seine Mannschaft forderte er mit Blick auf Dienstag: „Wir müssen mehr Zielstrebigkeit und Kreativität in unser Spiel nach vorne einbauen.“Zugleich warnte er davor, den Engländern ins offene Messer zu rennen: „Wenn wir nur zwei, drei Chancen bekommen, dann musst du eine machen oder mit einem 0:0 in die Verlängerung gehen. Ein Spiel knapp zu gewinnen, ist keine Schande.“Für Müller wird entscheidend sein, „dass wir kein Tor kassieren“. Womit sich die Chancen erhöhen, dass es auch ohne seine Zugabe etwas wird.