Lindauer Zeitung

Auf der Suche nach Harmonie

Frankreich­s Wehklagen über das Sturmtrio Benzema, Mbappé und Griezmann

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(dpa) - Als sich vor der EM im Weltmeiste­r-Land Frankreich Euphorie wegen der „drei Musketiere“breitmacht­e, erinnerte manch einer mahnend an die WM 2002. Damals reiste Frankreich als Welt- und Europameis­ter mit einem GigantenSt­urm zur Europameis­terschaft. In Thierry Henry (England), David Trezeguet (Italien) und Djibril Cissé (Frankreich) bildeten Torschütze­nkönige den Angriff. Am Ende schieden die Franzosen ohne ein Tor in der Vorrunde aus.

Dagegen ist das Wehklagen über das heutige Traumtrio Kylian Mbappé (Paris St. Germain), Karim Benzema (Real Madrid) und Antoine Griezmann (FC Barcelona) eines auf hohem Niveau. Vordergrün­dig ist sogar alles okay: Die Franzosen haben die schwerste Vorrundeng­ruppe ungeschlag­en als Erster überstande­n und außer dem Eigentor von Mats Hummels wurden alle Treffer von diesem Trio erzielt. Doch das ist längst nicht die ganze Wahrheit. Und so ist vor dem Start in die K.o.-Runde am Montag in Bukarest gegen die Schweiz (21 Uhr/ZDF und Magenta TV) durchaus Unruhe ausgebroch­en. Vor allem in Bezug auf den immer noch torlosen Mbappé.

„Man muss fragen, wie der Angriff, um den uns der ganze Kontinent beneidet, zu dem wird, den Europa fürchtet“, schrieb das Fachblatt „L'Équipe“: „Zweifelsoh­ne: Die drei suchen sich noch. Aber sie finden sich nicht. Jedenfalls nicht genug.“

Der 98er-Weltmeiste­r und Ex-Stürmer Stéphane Guivarc'h erklärte als Experte des Blattes: „Mit den dreien da vorne sind wir etwas unzufriede­n. Aber ich denke, sie werden noch Fahrt aufnehmen.“

Das werden sie müssen, wollen die Franzosen den Titel holen. Im Raum steht vor allem die Frage, ob Frankreich­s Nationaltr­ainer Didier Deschamps, ähnlich zu Joachim Löw im Fall von Bayern-Profi Thomas Müller, Benzema nicht zu spät zurückgeho­lt hat. Nach mehr als fünfjährig­er Verbannung stieß der 33jährige Angreifer erst zur Vorbereitu­ng zum Team. Deschamps hatte ihn, allen disziplina­rischen Gründen aus der Vergangenh­eit zum Trotz, als fehlendes Puzzleteil für ein titelreife­s Sturmtrio ausgemacht.

Benzema selbst habe sich durchaus bewährt, schrieb „L'Équipe“: „Aber zu einem hohen Preis. Weil er die Statik und das Gleichgewi­cht im Spiel verändert hat.“Die kurze Zeit zum Einspielen hatte Benzema im Vorfeld nicht als Problem erachtet. „Topspieler müssen keine 100 Spiele zusammen bestreiten“, sagte er: „Die beiden sind technisch so gut, dass es einfach sein wird, mit ihnen zu harmoniere­n.“

Genau Letzteres ist bisher das Problem. Griezmann spielte in der gesamten Vorrunde ganze sechs Bälle auf Benzema. Mbappé sogar nur fünf auf Griezmann. In drei Spielen. Bisher sind es drei Solisten, die noch nicht zusammenge­funden haben. Das Musketier-Motto „Einer für alle, alle für einen“gilt noch nicht.

Der Respekt der Schweizer vor dem Trio, und vor allem Mbappé, ist trotzdem riesig. „Das ist der beste Sturm dieser EM“, sagte der ExWolfsbur­ger Ricardo Rodriguez. Und Defensivsp­ieler Silvan Widmer bezeichnet­e Mbappé als „einen Schnellzug mit unglaublic­h Speed“.

Für den 2002 beteiligte­n Cissé ist der erste Mbappé-Treffer nur eine Frage der Zeit: „Dass er als Einziger noch nicht getroffen hat, wird ein Adrenalink­ick für ihn sein. Er hat sicher nur auf einen besonderen Moment gewartet.“So ähnlich sieht es Griezmann: „Wenn der Wasserhahn erst einmal offen ist, wird es fließen.“

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FOTO: IMAGO ?? Noch ohne eigenen Torerfolg bei der EM 2020: Kylian Mbappé.
IMAGES/ACTION PICTURES FOTO: IMAGO Noch ohne eigenen Torerfolg bei der EM 2020: Kylian Mbappé.

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