Lindauer Zeitung

Ein Auftakt der Gegensätze

Schwere Stürze zum Auftakt der Tour – Poulidor-Enkel van der Poel im Gelben Trikot

-

(SID/dpa) - Am Ende eines chaotische­n ersten TourWochen­endes mit schlimmen Stürzen zupfte Mathieu van der Poel die gelbe Maske unter das Kinn und zeigte sein breitestes Lächeln. Stolz stand der Erbe der französisc­hen Rad-Ikone Raymond Poulidor auf dem Podest und präsentier­te das Gelbe Trikot – eine Ehre, die seinem in Frankreich überaus beliebten (achtmal in Paris auf dem Podium) und vor zwei Jahren verstorben­en Großvater nie zuteil geworden war. „Ich habe es für ihn gewonnen. Leider kann er nicht hier sein. Es wäre ein schönes Foto geworden“, sagte der Cross-Weltmeiste­r.

Der in Belgien geborene Niederländ­er van der Poel brauchte für das Kunststück dagegen nur zwei Tage. „Ich bin ziemlich sprachlos und überglückl­ich“, sagte van der Poel: „Man kann von so einem Szenario träumen. Es zu verwirklic­hen, ist aber ziemlich unglaublic­h.“

Der Tour-Debütant von Team Alpecin-Fenix war den Top-Favoriten im Ziel der 183,5 Kilometer langen zweiten Etappe an der steilen Mur-deBretagne enteilt. Zuvor hatte er über eine Zeitbonifi­kation den Grundstein für die Gesamtführ­ung gelegt. Van der Poel hatte im Ziel letztlich sechs Sekunden Vorsprung auf das favorisier­te slowenisch­e Duo Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) und Primoz Roglic (Jumbo-Visma). Der Ravensburg­er Emanuel Buchmann (Bora-hansgrohe), der am Samstag bereits 1:30 Minuten auf die Spitze verloren hatte, erreichte das Ziel als bester Deutscher auf Rang 22. Erster Gratulant van der Poels war Julian Alaphilipp­e. Frankreich­s Publikumsl­iebling vom Team Deceuninck-QuickStep war am Samstag beim Tour-Auftakt in Landerneau ins Maillot jaune gestürmt, musste Gelb aber schon nach einem Tag wieder abgeben.

Alaphilipp­es großer Triumph war tags zuvor angesichts des brutalsten Tour-Starts der jüngeren Vergangenh­eit in den Hintergrun­d geraten. Schürfwund­en, Prellungen, Knochenbrü­che – zwei schwere Massenstür­ze überschatt­eten den Grand Depart in der Bretagne. War der zweite noch als Rennunfall zu verbuchen, war der erste der Geltungssu­cht

eines Fans zuzuschrei­ben. Rund 45 Kilometer vor dem Ziel war eine junge Frau mit dem Rücken zum heranrasen­den Feld auf die Straße getreten. In den Händen trug sie ein Schild mit der Aufschrift „Allez OmiOpi“und hielt dieses lachend in die Motorrad-Kamera. Der deutsche Profi Tony Martin an der Spitze des Peloton prallte aus voller Fahrt in das Plakat, was einen Massenstur­z auslöste. Mindestens 30 Fahrer kamen zu Fall, ein Dutzend zog sich Verletzung­en zu. „Manche Zuschauer haben einfach keinen Respekt und schalten auch nicht mehr den Kopf ein“, schimpfte Martin, der von „einem der schlimmste­n Stürze“in seinen 13 Tour-Jahren sprach.

Die Organisato­ren der Frankreich-Rundfahrt gehen nun juristisch gegen die Zuschaueri­n vor. Es gebe Ermittlung­en gegen die Frau wegen vorsätzlic­her Gefährdung der öffentlich­en Sicherheit, teilte die Polizei mit. Zunächst muss die Übeltäteri­n aber ausfindig gemacht werden. Alaphilipp­e appelliert­e an die

„Wachsamkei­t der Leute“und betonte: „Alle freuen sich, dass die Menschen wieder am Straßenran­d stehen. Aber seid vorsichtig, passt auf!“

Die verregnete zweite Etappe in der Bretagne nahmen zahlreiche Fahrer sichtbar lädiert in Angriff. Sturzopfer wie Martin trugen Bandagen an den diversen Schürfwund­en, auch der viermalige Tour-Sieger Chris Froome musste angeschlag­en auf die Zähne beißen. Nicht mehr dabei war der gestürzte Freiburger DSM-Profi Jasha Sütterlin.

Motiviert und frei von größeren Beschwerde­n präsentier­te sich der deutsche Vizemeiste­r Jonas Koch (Schwäbisch Hall). Der Profi vom Team Intermarch­e-Wanty-Gobert war Teil einer sechsköpfi­gen Fluchtgrup­pe. Mit dabei war erneut auch Bora-Jungprofi Ide Schelling, der im Bergtrikot zu den bisherigen Überraschu­ngen zählt. Eine Chance auf den Etappensie­g bestand nicht.

Die Entscheidu­ng fiel im „L’Alpe d’Huez der Bretagne“, das gleich zweimal erklommen werden musste.

Klassiker-Jäger van der Poel, Pogacar und Roglic sicherten sich bei der ersten Überquerun­g Bonussekun­den. Im Finale schlug dann erneut die Stunde von van der Poel, seiner Attacke konnte niemand folgen.

Am Montag kommen die schnellste­n Fahrer im Feld auf ihre Kosten. Die 182,7 km lange dritte Etappe von Lorient nach Pontivy wird höchstwahr­scheinlich in einem Massenspri­nt entschiede­n.

 ?? FOTO: ANNE-CHRISTINE POUJOULAT/DPA ?? Die Auftakteta­ppe der Tour de France wurde von zwei schweren Massenstür­zen überschatt­et.
FOTO: ANNE-CHRISTINE POUJOULAT/DPA Die Auftakteta­ppe der Tour de France wurde von zwei schweren Massenstür­zen überschatt­et.
 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Pure Freude bei Etappensie­ger Mathieu van der Poel.
FOTO: IMAGO IMAGES Pure Freude bei Etappensie­ger Mathieu van der Poel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany