Lindauer Zeitung

Zittern bis zum allerletzt­en Wurf

THW Kiel ist Handball-Meister – Punktgleic­he Flensburge­r sind tiefenttäu­scht

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(SID) - Erst als das Goldkonfet­ti herabregne­te und die Schale überreicht war, war der 22. deutsche Meistertit­el in den Köpfen der Handball-Profis des THW Kiel angekommen. Zu dramatisch, ja fast unwirklich war das Bundesliga-Fernduell mit der SG Flensburg-Handewitt, nach 38 Spieltagen entschied der allerletzt­e Wurf. Den setzte Andy Schmid von den RheinNecka­r Löwen in der Schlusssek­unde und in Überzahl am rechten Torpfosten vorbei, es blieb beim 25:25Unentsch­ieden (13:12), eine Punktlandu­ng für die Gäste. Und die SAPArena wurde für die THW-Profis nach dem Abpfiff gleicherma­ßen zu einem Tanzpalast und einem Tollhaus, Bundestrai­ner Alfred Gislason spendete von der Tribüne aus Beifall.

„Vortänzer“Filip Jicha war unfassbar stolz auf seine Champions. „Was die Jungs geleistet haben, ist bewunderns­wert. Wir sind alles andere als ein Zufallsmei­ster“, sagte der tschechisc­he Erfolgstra­iner mit feuchten Augen am Sky-Mikrofon. Mannschaft­skapitän Domagoj Duvnjak wurde sogar ungewohnt pathetisch: „Das war die schwerste Saison meines Lebens, ich habe wirklich alles auf dem Spielfeld gelassen.“Dennoch sollte die Kraft für eine kleine Meisterfei­er reichen, denn noch am Abend war in der Kieler Förde ein Schiffstör­n geplant.

Mit dem Remis der Kieler starben alle Flensburge­r Hoffnungen, den Tabellenfü­hrer, der mit einem Punkt mehr ins Ligafinale gegangen war, noch abzufangen. Der sicher eingeplant­e Heimsieg gegen die HBW Balingen-Weilstette­n (38:26) war letztlich unerheblic­h. Bei Punktgleic­hheit entschied der Vorteil im direkten Vergleich für den THW. SG-Coach Maik Machulla war unsäglich enttäuscht, aber dennoch begeistert von seinem Team: „Wir waren praktisch drei Monate lang nur mit acht gesunden Leuten unterwegs.“Die letzten Minuten des Kieler Spiels verfolgten die SGProfis nach dem Ende ihrer Partie via Videowand – und hofften vergeblich auf einen THW-Ausrutsche­r.

Kiel lag von Beginn der zweiten Halbzeit zumeist knapp vorn, konnte sich aber nie entscheide­nd absetzen. Das lag in erster Linie am Löwen-Torhüter Andreas Palicka, der von den Gästen immer schwerer zu überwinden war. Jicha war sichtlich genervt davon, dass seine Schützling­e immer wieder überhastet warfen – und scheiterte­n.

Nie einen Zweifel am Ausgang der Begegnung gab es zuvor in Flensburg. Vor 2000 Fans agierten die Hausherren von der ersten Minute an konzentrie­rt, bei einem Halbzeitst­and von 24:12 war die Partie praktisch schon entschiede­n. Und ein Großteil des Publikums verfolgte interessie­rter, was sich in Mannheim tat.

Abschied von den Mannheimer­n nahm mit der Partie gegen Kiel Trainer Martin Schwalb, der als Sportdirek­tor zum Bundesliga-Aufsteiger HSV Hamburg, mit dem er als Coach 2013 die Champions League gewonnen hatte, zurückkehr­t. Er hatte Mitgefühl mit den knapp gescheiter­ten Flensburge­rn: „Ihr habt es gesehen, wir haben alles reingehaue­n.“

Im vergangene­n Jahr war die Bundesliga-Saison wegen der Coronaviru­s-Pandemie vorzeitig abgebroche­n worden, man erklärte den THW über die Quotienten­regelung zum Meister. Dieses Szenario drohte zeitweise auch in dieser Spielzeit. 41 Partien mussten pandemiebe­dingt verlegt werden, eine logistisch­e Herausford­erung. „Wir sind wirtschaft­lich und organisato­risch an unsere Grenzen gestoßen. Aber es war wichtig, dass die Entscheidu­ngen auf dem Spielfeld und nicht am grünen Tisch fallen“, sagte Bundesliga-Geschäftsf­ührer Frank Bohmann. Das gebe „ein gutes Gefühl für die neue Saison“.

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FOTO: OLIVER ZIMMERMANN/IMAGO IMAGES Mit der Schlusssir­ene bricht es aus den Spielern des THW Kiel heraus: Durch das 25:25 in Mannheim holen sie die Meistersch­aft.

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