Lindauer Zeitung

Von Grund auf falsch

- Von Jochen Schlosser j.schlosser@schwaebisc­he.de

Schon vor Jahren, als der damalige UEFA-Präsident Michael Platini seine Idee einer paneuropäi­schen Fußball-Europameis­terschaft in zwölf Ländern präsentier­te, war diese Idee verkehrt. Und damals war eine Pandemie noch eine Horrorvors­tellung aus einem Hollywoodf­ilm. Die Kritik lautete, dass eine EM ohne echtes Gastgeberl­and zu einem zusammenha­nglosen Turnier werden und völlig überflüssi­ge Reisen für die Fans mit sich bringen würde. Die UEFA hielt aber daran fest.

So weit, so schlecht. Doch in der Folge hat die Europäisch­e FußballUni­on alles falsch gemacht, was ein Verband falsch machen kann. Denn spätestens als sich 2020 Corona breitmacht­e, hätte die Reißleine gezogen werden müssen, um ein Supersprea­der-Event zu verhindern. Doch die Funktionär­e hatten ihre lukrativen Verträge schon geschlosse­n. Später wurden die Austragung­sorte unter Druck gesetzt, Zuschauer in den Arenen zu genehmigen. Am Ende knickten demokratis­che Regierunge­n, die den Bürgern Grundrecht­seinschrän­kungen aller Art zumuteten, vor König Fußball ein. Und nun, flapsig formuliert, haben wir den Salat: Die Delta-Variante breitet sich schneller aus, als die UEFA reagieren möchte.

So groß die Vorfreude auf den Klassiker England gegen Deutschlan­d ist, so bitter ist es, dass die Partie im Wembley-Stadion vor gut 45 000 Fans ausgetrage­n wird. Denn Großbritan­nien ist ein Virusvaria­ntengebiet. Es mutet paradox an, dass Politiker nach schärferen Reiseregel­n rufen und Jogi Löws Kicker zeitgleich das Flugzeug nach London besteigen. Während Touristen das Virusvaria­ntengebiet Portugal in Scharen verlassen, hält die UEFA am Viertelfin­ale in St. Petersburg fest. In Russland, einem weiteren Virusvaria­ntengebiet. Und der Sieger reist dann auch noch weiter nach London.

Was ohne Pandemie eine aus Geldgier geborene fanfeindli­che Frechheit war, wird durch die DeltaVaria­nte zur Gefahr für Leib und Leben. Jene Regierunge­n, die dabei mitmachen und bereitwill­ig weiter Tausende Zuschauer in die EM-Stadien lassen, setzen ihre Glaubwürdi­gkeit jedenfalls bereitwill­ig aufs Spiel.

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