Einheimische bevorzugt
Die rechtssichere Vergabe von Bauplätzen ist für viele Kommunen ein Problem – Gemeindetag pocht auf Bundesratsinitiative
- Es könnte so einfach sein: Neue Regeln im Baugesetzbuch machen es leicht, kleine Baugebiete am Ortsrand zu schaffen. Vor allem ländliche Gemeinden nutzen diese Möglichkeit gerne, um Bewohner im Ort zu halten und damit die Gemeinschaft zu stärken. Wenn sie aber bei der Bauplatzvergabe Einheimische zu stark bevorzugen, können sie vor Gericht landen – wie etwa Ummendorf im Kreis Biberach und zuletzt Öpfingen im Alb-Donau-Kreis. Damit muss endlich Schluss sein, fordert nun der baden-württembergische Gemeindetag und pocht auf eine Bundesratsinitiative der Landesregierung. Diese soll helfen, endlich rechtlich sichere Regeln zu schaffen.
Wohnraum ist knapp – nicht nur in der Stadt, sondern auch in wirtschaftsstarken ländlichen Gebieten. Das Baulandmobilisierungsgesetz, das vergangene Woche in Kraft getreten ist, soll den Mangel mildern. Unter anderem kehrt damit der Paragraf 13b im Baugesetzbuch zurück, der schon einmal bis Ende 2019 existierte. Der „Betonparagraf“, wie ihn Kritiker wegen der Versiegelung weiterer Flächen nennen, erlaubt Kommunen, bis Ende 2022 am Ortsrand bis zu 10 000 Quadratmeter große Baugebiete auszuweisen. Dabei können sie auf etliche Vorgaben zum Artenund Naturschutz sowie zur Bürgerbeteiligung verzichten, die sonst in solch einem Prozess Pflicht sind.
Egal ob nach Paragraf 13b oder im regulären Verfahren: Alle Stadt- und Gemeinderäte müssen entscheiden, wie sie heiß begehrte Bauplätze vergeben wollen. Dafür gibt es drei einfache, weil rechtssichere Wege: das Windhundprinzip, wonach die ersten Interessenten zum Zug kommen, das Bieterverfahren sowie eine Entscheidung per Los. „Dadurch verlieren die Kommunen zwar ihre Steuerungsmöglichkeit“, sagt Luisa Pauge vom baden-württembergischen Gemeindetag, der kleinere Kommunen vertritt. „Die Sorge vor möglichen Rechtsstreitigkeiten ist aber so groß, dass mancherorts auf Vergabekriterien verzichtet wird“, so die neue Baudezernentin des Verbands.
Eine Vergabe anhand von Kriterien ist der Weg, den die meisten Gemeinden gerne gingen. Sie möchten diejenigen am Ort halten, die schon dort wohnen, arbeiten, sich sozial oder ehrenamtlich engagieren. Kommunen können etwa Punkte vergeben für die Zahl der Kinder, für die Jahre, die willige Käufer bereits am Ort wohnen oder gewohnt haben, für das Engagement im Ort und vieles mehr. Wer die meisten Punkte erzielt, bekommt einen Bauplatz.
Solche Einheimischenmodelle können aber gegen das Diskriminierungsverbot der EU verstoßen – wie Bayern erfahren musste. Ein EU-Vertragsverletzungsverfahren hat der Freistaat im Zusammenspiel mit dem Bund und der EU aus dem Weg geräumt. Seit 2017 gibt es deshalb Leitlinien, wie Bauplätze an Einheimische vergeben werden können. Die Regeln gelten aber ausschließlich für subventionierte Bauplätze – nicht aber, wenn Bauplätze zum Marktwert verkauft werden.
Ummendorf und zuletzt Öpfingen sind dennoch so verfahren. In beiden Gemeinden hatten Interessenten, die bei der Bauplatzvergabe leer ausgegangen waren, gegen die Kriterien vor dem Verwaltungsgericht in Sigmaringen geklagt. Bundesweit hatten Rathausspitzen auf die Urteile gewartet – vielleicht erbrächten diese ja mehr Klarheit. In Ummendorf hatten aber Formfehler dazu geführt, dass der Kläger Recht bekommen hatte. Über die Kriterien zur Bauplatzvergabe hatte sich das Gericht praktisch nicht geäußert.
Im Fall Öpfingen gibt es noch kein Urteil, das Hauptverfahren hat noch nicht einmal begonnen. Dennoch schafft der Fall ein bisschen mehr Klarheit, denn kurz vor Weihnachten hatten die Richter im Eilverfahren einen Stopp der Bauplatzvergabe verhängt. In ihrem Beschluss erklärten sie unter anderem, dass ortsfremde Bewerber praktisch ausgeschlossen würden, weil ehemalige Bewohner bevorzugt würden. Diese könnten zudem viel leichter die Höchstpunktzahl erreichen als Familien aufgrund der Anzahl ihrer Kinder. Zudem sei das Kriterium „Ehrenamt“zu wenig konkret, so das Gericht.
„Wir haben inzwischen wenigstens erstinstanzliche Rechtsprechung aus Baden-Württemberg“, sagt Pauge vom Gemeindetag. „Das Gefühl der Rechtsunsicherheit ist bei unseren Mitgliedern aber weiterhin sehr groß, es gibt noch viele offene Fragen. Es fehlt nach wie vor an rechtssicheren Rahmenbedingungen.“Am Fall Öpfingen hat sie dies direkt miterlebt. Bevor sie zum Gemeindetag wechselte, arbeitete sie als Anwältin in jener Stuttgarter Kanzlei, die Öpfingen vertritt.
Ihr Gegenspieler war Andreas Staudacher. Der Anwalt aus Laupheim hatte im Ummendorfer Rechtsstreit die Gemeinde vertreten. Im Öpfinger Fall vertritt er den Kläger, weil der bereits in anderer Sache sein Mandant gewesen sei, so Staudacher. Dass das Hauptverfahren noch dieses Jahr beginne, halte er für unwahrscheinlich. Auch wenn sie vor Gericht auf unterschiedlichen Seiten standen, eint Pauge und Staudacher derselbe Wunsch: Kommunen brauchen Sicherheit für die Bauplatzvergabe. „Da ist noch sehr viel Nebel, der sich nicht gelüftet hat“– trotz der ersten Bewertungen aus Sigmaringen, so Staudacher.
Diesen Nebel will der Gemeindetag nun lichten. „Eine Idee wäre, eine Bundesratsinitiative zu starten um hier einen Schulterschluss zu erzielen“, sagt Pauge. Hierfür wolle sich der Verband bei Landeswohnbauministerin Nicole Razavi (CDU) einsetzen. „Weiter braucht es für die Bauplatzvergabe zum vollen Wert auch einen Leitlinienkompromiss mit der EU“– so wie bei der vergünstigten Bauplatzvergabe. Parallel will der Gemeindetag über seine Bundesverbände das Thema nach Berlin tragen.
Staudacher unterstützt diesen Vorstoß. Vielleicht könne der Bund mit der EU Regeln vorab gemeinsam erlassen, bevor es EU-weite Leitlinien, sogenannte Kautelen, gibt. Denn, so Staudacher: „Die Rechtskulturen in den EU-Ländern sind sehr unterschiedlich.“Sie zusammenzuführen koste viel Zeit. „Das ist aber ein so drängendes Problem, die Gerichte haben auch nichts an der Hand.“
Eine Übersicht zur Bevölkerungsentwicklung in der Region:
schwaebische.de/einwohner