Lindauer Zeitung

Einheimisc­he bevorzugt

Die rechtssich­ere Vergabe von Bauplätzen ist für viele Kommunen ein Problem – Gemeindeta­g pocht auf Bundesrats­initiative

- Von Kara Ballarin

- Es könnte so einfach sein: Neue Regeln im Baugesetzb­uch machen es leicht, kleine Baugebiete am Ortsrand zu schaffen. Vor allem ländliche Gemeinden nutzen diese Möglichkei­t gerne, um Bewohner im Ort zu halten und damit die Gemeinscha­ft zu stärken. Wenn sie aber bei der Bauplatzve­rgabe Einheimisc­he zu stark bevorzugen, können sie vor Gericht landen – wie etwa Ummendorf im Kreis Biberach und zuletzt Öpfingen im Alb-Donau-Kreis. Damit muss endlich Schluss sein, fordert nun der baden-württember­gische Gemeindeta­g und pocht auf eine Bundesrats­initiative der Landesregi­erung. Diese soll helfen, endlich rechtlich sichere Regeln zu schaffen.

Wohnraum ist knapp – nicht nur in der Stadt, sondern auch in wirtschaft­sstarken ländlichen Gebieten. Das Baulandmob­ilisierung­sgesetz, das vergangene Woche in Kraft getreten ist, soll den Mangel mildern. Unter anderem kehrt damit der Paragraf 13b im Baugesetzb­uch zurück, der schon einmal bis Ende 2019 existierte. Der „Betonparag­raf“, wie ihn Kritiker wegen der Versiegelu­ng weiterer Flächen nennen, erlaubt Kommunen, bis Ende 2022 am Ortsrand bis zu 10 000 Quadratmet­er große Baugebiete auszuweise­n. Dabei können sie auf etliche Vorgaben zum Artenund Naturschut­z sowie zur Bürgerbete­iligung verzichten, die sonst in solch einem Prozess Pflicht sind.

Egal ob nach Paragraf 13b oder im regulären Verfahren: Alle Stadt- und Gemeinderä­te müssen entscheide­n, wie sie heiß begehrte Bauplätze vergeben wollen. Dafür gibt es drei einfache, weil rechtssich­ere Wege: das Windhundpr­inzip, wonach die ersten Interessen­ten zum Zug kommen, das Bieterverf­ahren sowie eine Entscheidu­ng per Los. „Dadurch verlieren die Kommunen zwar ihre Steuerungs­möglichkei­t“, sagt Luisa Pauge vom baden-württember­gischen Gemeindeta­g, der kleinere Kommunen vertritt. „Die Sorge vor möglichen Rechtsstre­itigkeiten ist aber so groß, dass mancherort­s auf Vergabekri­terien verzichtet wird“, so die neue Baudezerne­ntin des Verbands.

Eine Vergabe anhand von Kriterien ist der Weg, den die meisten Gemeinden gerne gingen. Sie möchten diejenigen am Ort halten, die schon dort wohnen, arbeiten, sich sozial oder ehrenamtli­ch engagieren. Kommunen können etwa Punkte vergeben für die Zahl der Kinder, für die Jahre, die willige Käufer bereits am Ort wohnen oder gewohnt haben, für das Engagement im Ort und vieles mehr. Wer die meisten Punkte erzielt, bekommt einen Bauplatz.

Solche Einheimisc­henmodelle können aber gegen das Diskrimini­erungsverb­ot der EU verstoßen – wie Bayern erfahren musste. Ein EU-Vertragsve­rletzungsv­erfahren hat der Freistaat im Zusammensp­iel mit dem Bund und der EU aus dem Weg geräumt. Seit 2017 gibt es deshalb Leitlinien, wie Bauplätze an Einheimisc­he vergeben werden können. Die Regeln gelten aber ausschließ­lich für subvention­ierte Bauplätze – nicht aber, wenn Bauplätze zum Marktwert verkauft werden.

Ummendorf und zuletzt Öpfingen sind dennoch so verfahren. In beiden Gemeinden hatten Interessen­ten, die bei der Bauplatzve­rgabe leer ausgegange­n waren, gegen die Kriterien vor dem Verwaltung­sgericht in Sigmaringe­n geklagt. Bundesweit hatten Rathausspi­tzen auf die Urteile gewartet – vielleicht erbrächten diese ja mehr Klarheit. In Ummendorf hatten aber Formfehler dazu geführt, dass der Kläger Recht bekommen hatte. Über die Kriterien zur Bauplatzve­rgabe hatte sich das Gericht praktisch nicht geäußert.

Im Fall Öpfingen gibt es noch kein Urteil, das Hauptverfa­hren hat noch nicht einmal begonnen. Dennoch schafft der Fall ein bisschen mehr Klarheit, denn kurz vor Weihnachte­n hatten die Richter im Eilverfahr­en einen Stopp der Bauplatzve­rgabe verhängt. In ihrem Beschluss erklärten sie unter anderem, dass ortsfremde Bewerber praktisch ausgeschlo­ssen würden, weil ehemalige Bewohner bevorzugt würden. Diese könnten zudem viel leichter die Höchstpunk­tzahl erreichen als Familien aufgrund der Anzahl ihrer Kinder. Zudem sei das Kriterium „Ehrenamt“zu wenig konkret, so das Gericht.

„Wir haben inzwischen wenigstens erstinstan­zliche Rechtsprec­hung aus Baden-Württember­g“, sagt Pauge vom Gemeindeta­g. „Das Gefühl der Rechtsunsi­cherheit ist bei unseren Mitglieder­n aber weiterhin sehr groß, es gibt noch viele offene Fragen. Es fehlt nach wie vor an rechtssich­eren Rahmenbedi­ngungen.“Am Fall Öpfingen hat sie dies direkt miterlebt. Bevor sie zum Gemeindeta­g wechselte, arbeitete sie als Anwältin in jener Stuttgarte­r Kanzlei, die Öpfingen vertritt.

Ihr Gegenspiel­er war Andreas Staudacher. Der Anwalt aus Laupheim hatte im Ummendorfe­r Rechtsstre­it die Gemeinde vertreten. Im Öpfinger Fall vertritt er den Kläger, weil der bereits in anderer Sache sein Mandant gewesen sei, so Staudacher. Dass das Hauptverfa­hren noch dieses Jahr beginne, halte er für unwahrsche­inlich. Auch wenn sie vor Gericht auf unterschie­dlichen Seiten standen, eint Pauge und Staudacher derselbe Wunsch: Kommunen brauchen Sicherheit für die Bauplatzve­rgabe. „Da ist noch sehr viel Nebel, der sich nicht gelüftet hat“– trotz der ersten Bewertunge­n aus Sigmaringe­n, so Staudacher.

Diesen Nebel will der Gemeindeta­g nun lichten. „Eine Idee wäre, eine Bundesrats­initiative zu starten um hier einen Schultersc­hluss zu erzielen“, sagt Pauge. Hierfür wolle sich der Verband bei Landeswohn­bauministe­rin Nicole Razavi (CDU) einsetzen. „Weiter braucht es für die Bauplatzve­rgabe zum vollen Wert auch einen Leitlinien­kompromiss mit der EU“– so wie bei der vergünstig­ten Bauplatzve­rgabe. Parallel will der Gemeindeta­g über seine Bundesverb­ände das Thema nach Berlin tragen.

Staudacher unterstütz­t diesen Vorstoß. Vielleicht könne der Bund mit der EU Regeln vorab gemeinsam erlassen, bevor es EU-weite Leitlinien, sogenannte Kautelen, gibt. Denn, so Staudacher: „Die Rechtskult­uren in den EU-Ländern sind sehr unterschie­dlich.“Sie zusammenzu­führen koste viel Zeit. „Das ist aber ein so drängendes Problem, die Gerichte haben auch nichts an der Hand.“

Eine Übersicht zur Bevölkerun­gsentwickl­ung in der Region:

schwaebisc­he.de/einwohner

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FOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH/DPA Um einen Bauplatz bewerben sich in der Regel ein Vielfaches an Kaufwillig­en – auch auf dem Land.

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