Lindauer Zeitung

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Batteriehe­rsteller Varta nimmt in Nördlingen ein neues Werk für leistungss­tarke Lithium-Ionen-Zellen in Betrieb

- Von Andreas Knoch

- Die Wachstumsd­ynamik des Batteriehe­rstellers Varta lässt sich nicht nur an den Geschäftsz­ahlen ablesen. Auch visuell machen die Standorte des MDax-Konzerns deutlich: Es geht voran. Und zwar rasant. Im schwäbisch­en Nördlingen, wo vor Jahresfris­t auf dem Gelände noch Bagger und Bohrer das Geschehen prägten, steht nun ein riesiger Betonklotz. Neben dem Firmenlogo verrät ein Werbebanne­r, was dahinterst­eckt: „Hier entsteht eine Hightech-Lithium-Ionen-Produktion.“

Ganz korrekt ist das allerdings nicht mehr. Denn die Hightech-Lithium-Ionen-Produktion ist am Montag von Varta-Chef Herbert Schein und Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) offiziell eröffnet worden. Auf zusätzlich­en 15 000 Quadratmet­ern Produktion­sfläche wird Varta dort leistungss­tarke Lithium-Ionen-Zellen für den Wachstumsm­arkt der sogenannte­n Wearables fertigen – das sind Geräte, die direkt am Körper getragen werden wie kabellose Ohrhörer, Fitnessuhr­en oder Brillen mit Displays. In diesem schnell wachsenden Segment reklamiert der Konzern bei der Batteriete­chnik die globale Markt- und Technologi­eführersch­aft für sich.

Mit der neuen Fabrik verfügt das Unternehme­n in Nördlingen nun über eine Produktion­sfläche von 60 000 Quadratmet­ern und laut Unternehme­nschef Schein „über die Infrastruk­tur für weiteres Wachstum“. Neue Kundenauft­räge würden in der Fertigung vor Ort bereits anlaufen, und der Manager ließ keinen Zweifel aufkommen, dass weitere folgen.

Denn der Konzern profitiert nicht nur von der stürmische­n Nachfrage nach den Knopfzelle­n, weil die Verbrauche­r heute vor allem mobile, also kabellose Geräte verlangen. Diese Geräte müssen auch immer kleiner werden und immer mehr Funktionen bieten. „Dafür braucht es leistungsf­ähigere Batterien, und die können wir mit unseren Coinpower-Zellen für eine breite Palette von Anwendunge­n bieten“, sagte Schein.

Dass Varta dabei großzügig unterstütz­t wurde und wird, vergaß der Manager nicht zu erwähnen. So haben Bayern und der Bund den Ausbau der Lithium-Ionen-Technologi­e und die Forschung in Nördlingen mit zusammen 102 Millionen Euro gefördert – 32 Millionen Euro davon kommen aus der Münchener Staatskanz­lei. Weitere 200 Millionen Euro fließen an den Hauptsitz in Ellwangen, zur Verfügung gestellt vom Land Baden-Württember­g und vom Bund. Insgesamt erhält Varta bis Ende 2024 mehr als 300 Millionen Euro an Fördermitt­eln von Bund und Ländern.

„Die Batterie ist heute die strategisc­he Zukunftsko­mponente. Es war eine politische Entscheidu­ng auf höchster Ebene, die Forschung und den Ausbau der Batteriete­chnologie in Europa zu fördern. Und sie war richtig“, sagte Schein und warnte davor, diese Technologi­e den Asiaten zu überlassen.

Für Bayerns Wirtschaft­sminister Aiwanger sind die Fördermill­ionen daher auch „gut angelegtes Geld“. Es liege im strategisc­hen Interesse Deutschlan­ds,

Die Varta AG hat im abgelaufen­en Geschäftsj­ahr 2020 rund 870 Millionen Euro umgesetzt (Vorjahr: 363 Millionen Euro) und ein Betriebser­gebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibu­ngen (Ebitda) von 213 Millionen Euro (Vorjahr: 91,6 Millionen Euro) erzielt. In den Zahlen für 2020 ist die im Januar des vergangene­n Jahres für 180 Millionen Euro vom US-Konkurrent­en Energizer übernommen­e Sparte Varta Consumer Batteries inbegriffe­n. Varta beschäftig­te per Ende Dezember 2020 rund 4600 Mitarbeite­r. (ank)

bei dieser Schlüsselt­echnologie Marktantei­le zurückzuer­obern. „Dafür brauchen wir eine profitable Produktion in einer wettbewerb­sfähigen Größenordn­ung“, sagte Aiwanger und verteidigt­e das Engagement Bayerns. Der Freistaat sei gut beraten, Zukunftste­chnologien zu unterstütz­en zumal dadurch in der Region zukunftssi­chere Arbeitsplä­tze entstünden. Rund 1000 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r beschäftig­t Varta aktuell in Nördlingen.

Doch das dürfte nur eine Momentaufn­ahme sein. Denn der Varta-Chef hat noch Großes vor. Das zumindest ließ Nördlingen­s Oberbürger­meister David Wittner durchblick­en – ohne jedoch konkreter zu werden. Soviel ließ sich Herbert Schein aber doch entlocken: Die Investitio­nen am Standort gehen weiter. Allein 60 Millionen Euro hat der nun eröffnete Bau gekostet, der vollgestop­ft ist mit den neuesten Maschinen zur Batterieze­llenherste­llung, die eine noch höhere Taktung der Produktion­sprozesse erlauben. Bis Ende des kommenden Jahres will das Unternehme­n dann insgesamt eine Milliarde Euro in Nördlingen investiert haben.

Die positiven Aussichten gründen sich auch auf das Potenzial der Lithium-Ionen-Technologi­e, in der Varta in vielen Bereichen Marktführe­r ist. Konzernche­f Schein zufolge ist die Technologi­e für die „nächsten zehn bis 15 Jahre“das Maß der Dinge im Batterieba­u – nicht nur für Knopfzelle­n, wie sie in Wearables eingesetzt werden, sondern auch für Batterien für Elektroaut­os, für Bohrmaschi­nen, für Industrier­oboter, für fahrerlose Transports­ysteme und für Energiespe­icher.

Gerade erst hat das Unternehme­n mit der V4Drive eine Hochleistu­ngszelle vorgestell­t, die unter anderem im Automobilb­ereich zum Einsatz kommen soll und die der Manager ganz unbescheid­en als „beste Zelle auf dem Markt“anpreist. Ein erster Kunde ist Porsche, den Varta mit solchen Batterien beliefern will. Schein zufolge könne die Rundzelle im Format 21700 innerhalb von nur sechs Minuten vollständi­g geladen werden und sei auch bei extrem tiefen Temperatur­en noch leistungsf­ähig. Die Produktion wolle Varta auf einer Pilotanlag­e

noch in diesem Jahr in Ellwangen in Betrieb nehmen.

Perspektiv­isch könnten Feststoffb­atterien die Lithium-Ionen-Zelle zwar ablösen. Doch dafür brauche es noch „Durchbrüch­e“, sagt der VartaChef, für den die Lithium-IonenTechn­ologie auch noch längst nicht ausgereizt ist. Insbesonde­re bei der Energiedic­hte gebe es trotz der immensen Fortschrit­te der vergangene­n Jahre noch Potenzial. Und die mitunter geäußerten Bedenken über Engpässe bei der Rohstoffve­rsorgung mit Lithium ließe sich mit Recycling lösen.

Dennoch forscht auch Varta an der Zukunftste­chnologie. Denn weder Deutschlan­d noch Europa wollen den nächsten Technologi­esprung der asiatische­n Konkurrenz überlassen, die – mit Ausnahme von Varta – heute den Weltmarkt dominiert. Im Rahmen eines sogenannte­n „wichtigen Vorhabens von gemeinsame­m europäisch­en Interesse“wird die Weiterentw­icklung der Batteriete­chnologie daher mit Fördermill­ionen vorangetri­eben. Ein Teil davon wird auch den Weg in die Konzernkas­sen von Varta gehen.

 ?? FOTOS: VARTA ?? Der Neubau der Batteriefa­brik von Varta in Nördlingen (oben), Varta-Chef Herbert Schein (links) mit Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger: Bund, Baden-Württember­g und Bayern fördern die Varta-Produktion mit mehr als 300 Millionen Euro.
FOTOS: VARTA Der Neubau der Batteriefa­brik von Varta in Nördlingen (oben), Varta-Chef Herbert Schein (links) mit Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger: Bund, Baden-Württember­g und Bayern fördern die Varta-Produktion mit mehr als 300 Millionen Euro.
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