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Batteriehersteller Varta nimmt in Nördlingen ein neues Werk für leistungsstarke Lithium-Ionen-Zellen in Betrieb
- Die Wachstumsdynamik des Batterieherstellers Varta lässt sich nicht nur an den Geschäftszahlen ablesen. Auch visuell machen die Standorte des MDax-Konzerns deutlich: Es geht voran. Und zwar rasant. Im schwäbischen Nördlingen, wo vor Jahresfrist auf dem Gelände noch Bagger und Bohrer das Geschehen prägten, steht nun ein riesiger Betonklotz. Neben dem Firmenlogo verrät ein Werbebanner, was dahintersteckt: „Hier entsteht eine Hightech-Lithium-Ionen-Produktion.“
Ganz korrekt ist das allerdings nicht mehr. Denn die Hightech-Lithium-Ionen-Produktion ist am Montag von Varta-Chef Herbert Schein und Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) offiziell eröffnet worden. Auf zusätzlichen 15 000 Quadratmetern Produktionsfläche wird Varta dort leistungsstarke Lithium-Ionen-Zellen für den Wachstumsmarkt der sogenannten Wearables fertigen – das sind Geräte, die direkt am Körper getragen werden wie kabellose Ohrhörer, Fitnessuhren oder Brillen mit Displays. In diesem schnell wachsenden Segment reklamiert der Konzern bei der Batterietechnik die globale Markt- und Technologieführerschaft für sich.
Mit der neuen Fabrik verfügt das Unternehmen in Nördlingen nun über eine Produktionsfläche von 60 000 Quadratmetern und laut Unternehmenschef Schein „über die Infrastruktur für weiteres Wachstum“. Neue Kundenaufträge würden in der Fertigung vor Ort bereits anlaufen, und der Manager ließ keinen Zweifel aufkommen, dass weitere folgen.
Denn der Konzern profitiert nicht nur von der stürmischen Nachfrage nach den Knopfzellen, weil die Verbraucher heute vor allem mobile, also kabellose Geräte verlangen. Diese Geräte müssen auch immer kleiner werden und immer mehr Funktionen bieten. „Dafür braucht es leistungsfähigere Batterien, und die können wir mit unseren Coinpower-Zellen für eine breite Palette von Anwendungen bieten“, sagte Schein.
Dass Varta dabei großzügig unterstützt wurde und wird, vergaß der Manager nicht zu erwähnen. So haben Bayern und der Bund den Ausbau der Lithium-Ionen-Technologie und die Forschung in Nördlingen mit zusammen 102 Millionen Euro gefördert – 32 Millionen Euro davon kommen aus der Münchener Staatskanzlei. Weitere 200 Millionen Euro fließen an den Hauptsitz in Ellwangen, zur Verfügung gestellt vom Land Baden-Württemberg und vom Bund. Insgesamt erhält Varta bis Ende 2024 mehr als 300 Millionen Euro an Fördermitteln von Bund und Ländern.
„Die Batterie ist heute die strategische Zukunftskomponente. Es war eine politische Entscheidung auf höchster Ebene, die Forschung und den Ausbau der Batterietechnologie in Europa zu fördern. Und sie war richtig“, sagte Schein und warnte davor, diese Technologie den Asiaten zu überlassen.
Für Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger sind die Fördermillionen daher auch „gut angelegtes Geld“. Es liege im strategischen Interesse Deutschlands,
Die Varta AG hat im abgelaufenen Geschäftsjahr 2020 rund 870 Millionen Euro umgesetzt (Vorjahr: 363 Millionen Euro) und ein Betriebsergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 213 Millionen Euro (Vorjahr: 91,6 Millionen Euro) erzielt. In den Zahlen für 2020 ist die im Januar des vergangenen Jahres für 180 Millionen Euro vom US-Konkurrenten Energizer übernommene Sparte Varta Consumer Batteries inbegriffen. Varta beschäftigte per Ende Dezember 2020 rund 4600 Mitarbeiter. (ank)
bei dieser Schlüsseltechnologie Marktanteile zurückzuerobern. „Dafür brauchen wir eine profitable Produktion in einer wettbewerbsfähigen Größenordnung“, sagte Aiwanger und verteidigte das Engagement Bayerns. Der Freistaat sei gut beraten, Zukunftstechnologien zu unterstützen zumal dadurch in der Region zukunftssichere Arbeitsplätze entstünden. Rund 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt Varta aktuell in Nördlingen.
Doch das dürfte nur eine Momentaufnahme sein. Denn der Varta-Chef hat noch Großes vor. Das zumindest ließ Nördlingens Oberbürgermeister David Wittner durchblicken – ohne jedoch konkreter zu werden. Soviel ließ sich Herbert Schein aber doch entlocken: Die Investitionen am Standort gehen weiter. Allein 60 Millionen Euro hat der nun eröffnete Bau gekostet, der vollgestopft ist mit den neuesten Maschinen zur Batteriezellenherstellung, die eine noch höhere Taktung der Produktionsprozesse erlauben. Bis Ende des kommenden Jahres will das Unternehmen dann insgesamt eine Milliarde Euro in Nördlingen investiert haben.
Die positiven Aussichten gründen sich auch auf das Potenzial der Lithium-Ionen-Technologie, in der Varta in vielen Bereichen Marktführer ist. Konzernchef Schein zufolge ist die Technologie für die „nächsten zehn bis 15 Jahre“das Maß der Dinge im Batteriebau – nicht nur für Knopfzellen, wie sie in Wearables eingesetzt werden, sondern auch für Batterien für Elektroautos, für Bohrmaschinen, für Industrieroboter, für fahrerlose Transportsysteme und für Energiespeicher.
Gerade erst hat das Unternehmen mit der V4Drive eine Hochleistungszelle vorgestellt, die unter anderem im Automobilbereich zum Einsatz kommen soll und die der Manager ganz unbescheiden als „beste Zelle auf dem Markt“anpreist. Ein erster Kunde ist Porsche, den Varta mit solchen Batterien beliefern will. Schein zufolge könne die Rundzelle im Format 21700 innerhalb von nur sechs Minuten vollständig geladen werden und sei auch bei extrem tiefen Temperaturen noch leistungsfähig. Die Produktion wolle Varta auf einer Pilotanlage
noch in diesem Jahr in Ellwangen in Betrieb nehmen.
Perspektivisch könnten Feststoffbatterien die Lithium-Ionen-Zelle zwar ablösen. Doch dafür brauche es noch „Durchbrüche“, sagt der VartaChef, für den die Lithium-IonenTechnologie auch noch längst nicht ausgereizt ist. Insbesondere bei der Energiedichte gebe es trotz der immensen Fortschritte der vergangenen Jahre noch Potenzial. Und die mitunter geäußerten Bedenken über Engpässe bei der Rohstoffversorgung mit Lithium ließe sich mit Recycling lösen.
Dennoch forscht auch Varta an der Zukunftstechnologie. Denn weder Deutschland noch Europa wollen den nächsten Technologiesprung der asiatischen Konkurrenz überlassen, die – mit Ausnahme von Varta – heute den Weltmarkt dominiert. Im Rahmen eines sogenannten „wichtigen Vorhabens von gemeinsamem europäischen Interesse“wird die Weiterentwicklung der Batterietechnologie daher mit Fördermillionen vorangetrieben. Ein Teil davon wird auch den Weg in die Konzernkassen von Varta gehen.