Die Musik kehrt zurück ins Wolfegger Schloss
Begeisterung um ein junges Streichquartett und das Mozarteumorchester Salzburg unter Manfred Honeck
- Im vergangenen Jahr mussten die Internationalen Wolfegger Konzerte ausfallen, auch heuer konnte nur eine verkürzte Form stattfinden – aber, und das war für alle Beteilgten das Besondere: Die Musikerinner und Musiker konnten vor Publikum spielen. So wie das vielfach ausgezeichnete Eliot Quartett seinen ersten Auftritt nach acht Monaten Zwangspause genoss, erfreuten sich die Zuhörerinnen und Zuhörer an dem intensiven Spiel des Quartetts und am mitreißenden Auftritt des Mozarteumorchesters Salzburg. Aus der kleinen „Alten Pfarr“am Ortsrand war man mit dem Preisträgerkonzert in den Bankettsaal im Schloss umgezogen, durch die Wiederholung des Orchesterkonzerts konnten immerhin gut 300 Menschen (statt sonst 800) im großen Rittersaal begrüßt werden. Eine Meisterleistung für das Organisationsteam.
Der Bankettsaal beeindruckt mit seiner wunderbaren Ausstattung, dem einfallenden Licht und dem schwingenden Holzboden. Für Streichinstrumente ist der Raum hervorragend geeignet, vielleicht ein bisschen überakustisch. Das Eliot Quartett hatte den spätromantisch langsamen Satz von Anton Webern und das brennende letzte Streichquartett
von Franz Schubert ausgewählt. Durch die Zugaben, zwei Sätze von Haydn, wurde die Geschichte des Streichquartetts gleichsam rückwärts erzählt. Ein spannender Ansatz, denn im ungeheuer dichten Satz von Webern wird der romantische Ausdruck an die Grenzen geführt, danach konnte nur noch die Auflösung in der Zwölftontechnik folgen. Maryana Osipova an der ersten Geige und ihre drei Kollegen musizierten den üppigen Satz mit großem Atem, reich an Farben und Emphase
bis zum großen Höhepunkt, dem spinnwebfeine und fahle Klänge folgten.
Schubert dagegen ging mit seinem letzten Quartett aufs Ganze, in den starken Kontrasten in Dynamik und Tempo, dem steten Pendeln zwischen Dur und Moll scheint das Werk bereits im Entstehungsjahr 1826 den Weg in die Moderne zu weisen. Mit Temperament, rhythmischer Stringenz, spannenden Beleuchtungswechseln und einem innigen langsamen Satz mit Cellosolo machte das Eliot Quartett seine Interpretation zum unmittelbaren Erlebnis. Die Facetten seiner Interpretationskunst bewies das sympathische Quartett mit den feinen Verästelungen im langsamen Satz von Haydns op. 20/5 und der filigran gestochenen Fuge.
Manfred Honeck ist pandemiebedingt abgeschnitten von seinem Pittsburgh Symphony Orchestra, dessen Chefdirigent er ist. Mit dem Mozarteumorchester Salzburg hat er schon öfters zusammengearbeitet und führte es nun mit der ihm eigenen leidenschaftlichen Hingabe. Natürlich umrahmten zwei Werke von Mozart das Programm im großzügig bestuhlten Rittersaal: die eröffnende „Serenata notturna“korrespondierte in ihrem Einleitungsmarsch aufs Beste mit den Ritterfiguren im Saal. Ein Soloquartett der Stimmführer von ersten und zweiten Geigen, Bratsche und Kontrabass spiegelte auf erfrischende Weise die allgegenwärtige Nähe zum Musiktheater in den Werken des Salzburger Meisters. In der abschließenden Symphonie Nr. 33 mischten sich noch Holzbläser und Hörner mit ihren besonderen Farben ins Orchester.
In die Mitte des Programms hatte Manfred Honeck zwei höchst gelungene Liederzyklen von Antonín Dvorák und Gustav Mahler gesetzt: Die Zigeunermelodien des Tschechen
und vier Lieder aus „Des Knaben Wunderhorn“. Lieder ohne die Mitwirkung eines Sängers oder einer Sängerin, bei denen man dank der gekonnten Bearbeitung durch den Dirigenten und den tschechischen Arrangeur Tomáš Ille die Texte innerlich mithörte – oder sich eine eigene Geschichte ausdachte.
Mit Schellentrommel, Triangel, Harfe und Streichern kam der Volksmusikcharakter der Dvorák-Lieder bestens zum Ausdruck, poetische Waldstimmung und schwärmerische Innigkeit blühten unter den Händen des Dirigenten auf. So dargeboten wären die Lieder eine prächtige Alternative zu den beliebten „Slawischen Tänzen“. Aus vier Mahler-Liedern entstand gleichsam eine Symphonie im Kleinen, voller Charme in der filigranen Bewegung des ersten Liedes und im scherzhaften Dialog von „Kuckuck und Nachtigall“.
Berührende Intensität erzeugte Honeck natürlich in „Urlicht“, dem Lied, das seinen besonderen Platz in der „Auferstehungssinfonie“von Mahler hat und das der tiefgläubige Dirigent in einem innigen Adagio mit zarten Triangel-Lichtpunkten, Harfenklängen und einer strömenden Streichermelodie zum Klingen brachte. Nach der langen konzertlosen Durststrecke war dieses Wolfegger Wochenende Balsam für Musiker und Publikum gleichermaßen.