Falsche Vorstellungen vom Traumberuf
Arbeit auf den Berghütten – Was Bewerber mitbringen müssen
- Als Erholungsort und Sportstätte erfreuen sich die Allgäuer Alpen immer größerer Beliebtheit – aber gilt das auch für die Berge als Arbeitsplatz? Das Interesse der Menschen, auf den Alphütten zu arbeiten, habe in den vergangenen Jahren durchaus zugenommen, sagt Dr. Michael Honisch. Gefragt sei vor allem die Arbeit mit Tieren. Weniger beliebt seien Stellen als Koch, Bedienung oder Küchenhilfe auf den Hütten.
Honisch ist Geschäftsführer des Alpwirtschaftlichen Vereins Allgäu (AVA), der unter anderem Alppersonal an seine Mitglieder vermittelt. Ein Problem, das laut Honisch dabei häufig auftrete: Gerade bei der Arbeit auf einer Senn- oder Jungviehalpe fehle den Bewerbern die fachliche Qualifikation. „Die Menschen wollen das Leben in den Bergen als Job genießen“, beschreibt Honisch. Das solle im besten Fall auch relativ kurzfristig möglich sein. „Da gehen Anspruch und Wirklichkeit aber auseinander.“Ein Hirte müsse schließlich Krankheiten beim Vieh erkennen und wissen, wie er sie behandeln kann. „Er braucht auch eine gewisse körperliche Tüchtigkeit, und er muss wissen, wie man einen Weidezaun steckt und welche Pflanzen giftig sind“, zählt Honisch weiter auf. Es sei deshalb wichtig, den Bewerbern schnell „den Zahn, dass das ein gemütliches Leben ist“, zu ziehen. „Die Nachfrage ist groß, aber die Leute sind zu 99 Prozent ungelernt und wissen nicht, worauf sie sich einlassen“, sagt auch Linda Seltmann von der Alpe Schlappold am Fellhorn (Oberstdorf ). Auf Deutschlands höchster Sennalpe kümmern sie und ihre Mitarbeiter sich um etwa 80 Kühe, die zweimal am Tag gemolken werden. Außerdem versorgen sie Schweine, Hühner, Ziegen und Hasen
und bewirten Wanderer. Als dort einmal ein neuer Melker gesucht wurde, habe sich ein Mann auf der Alpe gemeldet, „der dann gemeint hat, er würde halt noch schnell einen Kurs machen“, sagt Seltmann. Das reiche aber eben nicht aus.
Die Bewerber seien zwar durchaus motiviert und bereit, hart anzupacken – aber ihnen fehle die Erfahrung und das Wissen für die Arbeit in den Bergen. Gerade beim Umgang mit Tieren habe das Alppersonal auch eine große Verantwortung, sagt Seltmann.
Auf der Unterlauchalpe auf dem Hochgrat (Oberstaufen) bringt Renate Fink Wanderern Essen und Getränke, ihr Mann Herbert versorgt dort die Schumpen der Weidegenossenschaft Maierhöfen. „Es wollen schon viele auf den Alpen schaffen – aber eben auf einer Hütte ohne Gastronomie“, sagt sie. Woran das ihrer Meinung nach liegt? „Gastronomie können die Menschen im Tal auch machen – und da ist die Arbeit sicherer. Wenn es hier beispielsweise regnet, sage ich zu meinen Aushilfen, sie sollen daheim bleiben. Da brauche ich jemanden, der flexibel ist.“Das müsse sie selbst auch sein, wenn ihr Mann Hilfe bei den Tieren benötige. „Es ist gut, dass wir die Gastro haben – aber das Vieh geht vor“, betont Fink.
Eine, die sich ihren Traum von der Arbeit in den Bergen erfüllt hat, ist die 23-jährige Franziska Schlögel. Sie ist seit diesem Jahr Pächterin der Kenzenhütte in Halblech (Ostallgäu). Tiere gibt es dort nicht, dafür aber teilweise ganze Busladungen von Touristen. „Das ist hier nicht nur Romantik, sondern harte Arbeit. Gerade durch die Busverbindung kommen auch mal 60 Gäste auf einmal bei uns an, die wir dann bedienen müssen“, beschreibt sie. Tauschen möchte sie ihren Arbeitsplatz aber auf keinen Fall.