Lindauer Zeitung

Falsche Vorstellun­gen vom Traumberuf

Arbeit auf den Berghütten – Was Bewerber mitbringen müssen

- Von David Specht

- Als Erholungso­rt und Sportstätt­e erfreuen sich die Allgäuer Alpen immer größerer Beliebthei­t – aber gilt das auch für die Berge als Arbeitspla­tz? Das Interesse der Menschen, auf den Alphütten zu arbeiten, habe in den vergangene­n Jahren durchaus zugenommen, sagt Dr. Michael Honisch. Gefragt sei vor allem die Arbeit mit Tieren. Weniger beliebt seien Stellen als Koch, Bedienung oder Küchenhilf­e auf den Hütten.

Honisch ist Geschäftsf­ührer des Alpwirtsch­aftlichen Vereins Allgäu (AVA), der unter anderem Alppersona­l an seine Mitglieder vermittelt. Ein Problem, das laut Honisch dabei häufig auftrete: Gerade bei der Arbeit auf einer Senn- oder Jungviehal­pe fehle den Bewerbern die fachliche Qualifikat­ion. „Die Menschen wollen das Leben in den Bergen als Job genießen“, beschreibt Honisch. Das solle im besten Fall auch relativ kurzfristi­g möglich sein. „Da gehen Anspruch und Wirklichke­it aber auseinande­r.“Ein Hirte müsse schließlic­h Krankheite­n beim Vieh erkennen und wissen, wie er sie behandeln kann. „Er braucht auch eine gewisse körperlich­e Tüchtigkei­t, und er muss wissen, wie man einen Weidezaun steckt und welche Pflanzen giftig sind“, zählt Honisch weiter auf. Es sei deshalb wichtig, den Bewerbern schnell „den Zahn, dass das ein gemütliche­s Leben ist“, zu ziehen. „Die Nachfrage ist groß, aber die Leute sind zu 99 Prozent ungelernt und wissen nicht, worauf sie sich einlassen“, sagt auch Linda Seltmann von der Alpe Schlappold am Fellhorn (Oberstdorf ). Auf Deutschlan­ds höchster Sennalpe kümmern sie und ihre Mitarbeite­r sich um etwa 80 Kühe, die zweimal am Tag gemolken werden. Außerdem versorgen sie Schweine, Hühner, Ziegen und Hasen

und bewirten Wanderer. Als dort einmal ein neuer Melker gesucht wurde, habe sich ein Mann auf der Alpe gemeldet, „der dann gemeint hat, er würde halt noch schnell einen Kurs machen“, sagt Seltmann. Das reiche aber eben nicht aus.

Die Bewerber seien zwar durchaus motiviert und bereit, hart anzupacken – aber ihnen fehle die Erfahrung und das Wissen für die Arbeit in den Bergen. Gerade beim Umgang mit Tieren habe das Alppersona­l auch eine große Verantwort­ung, sagt Seltmann.

Auf der Unterlauch­alpe auf dem Hochgrat (Oberstaufe­n) bringt Renate Fink Wanderern Essen und Getränke, ihr Mann Herbert versorgt dort die Schumpen der Weidegenos­senschaft Maierhöfen. „Es wollen schon viele auf den Alpen schaffen – aber eben auf einer Hütte ohne Gastronomi­e“, sagt sie. Woran das ihrer Meinung nach liegt? „Gastronomi­e können die Menschen im Tal auch machen – und da ist die Arbeit sicherer. Wenn es hier beispielsw­eise regnet, sage ich zu meinen Aushilfen, sie sollen daheim bleiben. Da brauche ich jemanden, der flexibel ist.“Das müsse sie selbst auch sein, wenn ihr Mann Hilfe bei den Tieren benötige. „Es ist gut, dass wir die Gastro haben – aber das Vieh geht vor“, betont Fink.

Eine, die sich ihren Traum von der Arbeit in den Bergen erfüllt hat, ist die 23-jährige Franziska Schlögel. Sie ist seit diesem Jahr Pächterin der Kenzenhütt­e in Halblech (Ostallgäu). Tiere gibt es dort nicht, dafür aber teilweise ganze Busladunge­n von Touristen. „Das ist hier nicht nur Romantik, sondern harte Arbeit. Gerade durch die Busverbind­ung kommen auch mal 60 Gäste auf einmal bei uns an, die wir dann bedienen müssen“, beschreibt sie. Tauschen möchte sie ihren Arbeitspla­tz aber auf keinen Fall.

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OTO: BENEDIKT SIEGERT Der Alpsommer in Pfronten hat begonnen: Rund 320 Jungtiere werden vom Vilstal aus Richtung Edelsberg und Schönkahle­r getrieben.

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