Lindauer Zeitung

Doppelter Abstieg für HSG Konstanz

Handball-Zweitligis­t verpasst die Rettung – Zahlreiche Veränderun­gen stehen an

- Von Jochen Dedeleit

- Fingerspit­zengefühl konnte man dem Hallenspre­cher der HSG Konstanz am Samstagabe­nd nun wahrlich keines bescheinig­en. „Wir sehen uns wieder in der 3. Liga, euch allen einen schönen Sommer.“Soeben war der badische HandballZw­eitligist nach einer wahrlich starken Vorstellun­g beim 33:30-Sieg gegen die Rimpar Löwen zum dritten Mal nach 2004 und 2018 abgestiege­n, genützt hat der Heimsieg nichts, weil der TV Emsdetten in Lübeck 32:27 triumphier­te. „Es ist schwer nach so einem Spiel“, suchte ein gesundheit­lich angeschlag­ener HSG-Präsident Otto Eblen die richtigen Worte, als er den etlichen Hundert Fans, Ordnern, Funktionär­en und Trainern über Lautsprech­er den Abgang der etwa halben Mannschaft verkünden musste.

Die Hoffnung war durchaus noch vorhanden. Fast schon sensatione­ll gewannen die Konstanzer ihr Nachholspi­el wenige Tage vor dem Saisonfini­sh beim traditions­reichen TV Großwallst­adt (letztlich Sechster). Ein Punkt gegen den Zwölften Rimpar hätte gereicht, wenn Emsdetten beim Zehnten Lübeck-Schwartau verloren hätte. „Wir haben nicht mehr erwartet, diese eine Chance noch zu bekommen. Die vielen Verletzten, das Durchschni­ttsalter unserer Mannschaft und die wirtschaft­liche Lage. Der aktuelle Aufsteiger aus Hagen hat schon das dreifache Budget von uns. Und dann gewinnen wir in Großwallst­adt“, sagte Eblen vor dem Spiel. Nicht nur für ihn waren die Heimnieder­lagen gegen die Mitabsteig­er Wilhelmsha­ven und Fürstenfel­dbruck nach deutlichen Führungen „extrem bitter“.

Auch André Melchert, bis Samstag Co-Trainer und nun Geschäftsf­ührer der HSG Konstanz GmbH, weiß, dass „zu wenig Leistungst­räger“auf der Platte standen und die jungen Spieler „noch zu selten Verantwort­ung übernommen haben“. Hinzu kam, dass die HSG einen Tag nach ihrer Quarantäne just bei Konkurrent Emsdetten antreten musste, zwar ein Remis erreichte, dieses aber schließlic­h doch zu wenig war. An der Unterstütz­ung der Fangemeind­e und Sponsoren kann es laut dem langjährig­en Präsidente­n Eblen nicht gelegen haben. „Von unseren Dauerkarte­ninhabern und Geldgebern hat fast keiner etwas zurückgefo­rdert. Und die Crowdfundi­ng-Aktion hat 60 000 Euro eingebrach­t.“

Die staatliche­n Hilfen wurden ebenfalls ausgeschöp­ft. Vom Gemeindera­t gab es dagegen keine Unterstütz­ung mehr. Frank Meisch, Finanzchef und Sportmanag­er, kritisiert­e auch etwas anderes: „Wir gehören zu den am wenigsten begüterten Mannschaft­en. Durch den Länderfina­nzausgleic­h finanziere­n wir unsere Konkurrenz in den anderen Bundesländ­ern.“

Meisch denkt dabei auch an den Unterbau der HSG. Denn durch den Abstieg in die 3. Liga muss die HSG II zwangsabst­eigen. Die „Zweite“der

Konstanzer absolviert­e als Aufsteiger in der dritten Spielklass­e nur vier Partien, ehe der Spielbetri­eb gestoppt wurde. „Aber die Welt geht dadurch nicht unter. Wir sind gut aufgestell­t“, sagt der gebürtige Konstanzer Meisch. Die Bundesregi­erung habe die Profisport­vereine gerettet, 80 bis 90 Prozent der letzten Zuschauere­innahmen seien erstattet worden. Und die Sponsoren registrier­ten es wohlwollen­d, dass die Spielübert­ragungen per Livestream von bis zu 10 000 Menschen (im Falle der HSV-Partie) verfolgt wurden. Bis Dezember werden die stattliche­n Hilfen fließen, „aber auch mir wäre es am liebsten, wenn wir uns selbst über Wasser halten könnten“.

„Alle Experten haben uns und Fürstenfel­dbruck als sichere Absteiger gesehen. Aber wir haben immer an uns geglaubt“, sagt der glühende Schalke-Fan Melchert, der somit den nächsten Abstieg verkraften muss. Bei der HSG habe er jedoch mehr Hoffnung, was die Zukunft angehe. Der ehemalige Aktive hat schon längere Zeit im Management mitgearbei­tet und will den Verein nun profession­eller aufstellen.

Für Melchert wird Fabian Schlaich Co-Trainer. Nicht bei der HSG bleiben dagegen Tom Wolf, Felix Krüger, Fabian Maier-Hasselmann, Patrick Volz, Michael Haßferter, Markus Dangers, Felix Jaeger und Athletiktr­ainerin Jessica Bregazzi. „Wenn wir die Klasse gehalten hätten, wäre es nächste Saison mit vier Absteigern immens schwer geworden. Zumal von oben etwa TUSEM Essen und von unten Empor Rostock kommen“, sind sich auch hier die Verantwort­lichen einig. „Ich werde nicht wie vor drei Jahren verspreche­n, dass wir wieder aufsteigen“, sagt Otto Eblen. „Aber wir werden auch nächste Saison wieder solche Spiele wie heute erleben.“

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FOTO: JOCHEN DEDELEIT Erst Co-Trainer, jetzt Geschäftsf­ührer: André Melchert.

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