Lindauer Zeitung

Verantwort­ung bleibt trotz Abzug

- Von Ludger Möllers l.moellers@schwaebisc­he.de

Der Afghanista­n-Einsatz der Bundeswehr ist beendet, aber die Verantwort­ung bleibt: Ab Tag eins nach der Ankunft der letzten deutschen Soldaten, die das Camp Marmal geräumt haben, muss die Bundesrepu­blik allen ehemaligen afghanisch­en Ortskräfte­n aktiv die Einreise nach Deutschlan­d ermögliche­n. Ohne diese Ortskräfte, die Kontakt zu Bevölkerun­g und Vertrauen aufbauten, Informatio­nen beschaffte­n, Überzeugun­gsarbeit leisteten und nicht zuletzt an der Seite deutscher Soldatinne­n und Soldaten kämpften, wären erst die Kampf- und dann die Unterstütz­ungsmissio­n von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen.

Nun leben diese Männer und Frauen wie ihre Familien in höchster Gefahr und werden von den herrschend­en Taliban als angebliche Verräter bedroht. Es steht zu befürchten, dass die Islamisten ein Massaker unter den „Unterstütz­ern eines militärisc­hen Besatzungs­regimes“anrichten, sobald das Interesse an Afghanista­n schwindet.

Im Bundestag aber verwehrt die Große Koalition in trauter Zweisamkei­t mit der AfD großzügige Aufnahmere­gelungen für mehrere Tausend Ex-Ortskräfte der Bundeswehr und anderer deutscher Institutio­nen: Nur Afghanen, die nach 2013 für Deutschlan­d gearbeitet haben, dürfen einreisen. Wer vor 2013 tätig war, muss um sein Leben fürchten.

Mit diesem unmenschli­chen Kurs verletzt die Große Koalition nicht nur die Fürsorgepf­licht, sondern setzt auch die Glaubwürdi­gkeit Deutschlan­ds bewusst aufs Spiel. Partnernat­ionen wie die USA oder Frankreich dagegen nehmen ihre Verantwort­ung wahr.

Sollte die Große Koalition bei ihrem Nein bleiben, reiht sich der Beschluss ein in die seit 2001 schlecht kommunizie­rte und halbherzig unterstütz­te deutsche Afghanista­n-Politik, der von Anfang an eine klare Antwort auf die grundsätzl­iche Frage fehlte, zu welchem Ziel die Einsätze am Hindukusch führen sollten. Dass sich dieser Fehler derzeit bei den Einsätzen in Mali und im Irak wiederholt, lässt an der Lernfähigk­eit der Koalitionä­re stark zweifeln.

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