Lindauer Zeitung

Corona-Pandemie wirft arme Länder um Jahre zurück

Vor allem Frauen und Kinder leiden unter den Folgen – Steigende Nahrungsmi­ttelpreise in Krisengebi­eten

- Von Claudia Kling

- Corona-Pandemie, Kriege und Konflikte, Klimawande­l – diese drei Faktoren haben im vergangene­n Jahr die Lebensbedi­ngungen in vielen Ländern dieser Erde extrem verschlech­tert. Für 155 Millionen Menschen weltweit sei der Hunger lebensbedr­ohlich, sagte Marlehn Thieme, Präsidenti­n der Welthunger­hilfe, bei der Vorstellun­g des Jahresberi­chts der Organisati­on am Mittwoch in Berlin. Das seien 20 Millionen mehr als noch im Jahr zuvor. Nach Angaben der Vereinten Nationen ist die Zahl der Hungernden auf weltweit 690 Millionen Menschen gestiegen – betroffen sind vor allem Asien und der afrikanisc­he Kontinent.

„Das Coronaviru­s ist für Arme zum Hungerviru­s mutiert“, sagte Thieme. Besonders Frauen und Kinder litten besonders unter der Pandemie. Um die Ausbreitun­g des Virus einzudämme­n, wurden weltweit Schulen geschlosse­n mit der Folge, dass die Zahl der Schulabbre­cher stark zunahm, gleichzeit­ig verzeichne­ten Hilfsorgan­isationen mehr Kinderarbe­it, Teenagersc­hwangersch­aften und Prostituti­on. Gerade für Mädchen sei Corona deshalb auch zur Bildungska­tastrophe geworden, so Thieme. „Von der häuslichen Gewalt ganz zu schweigen.“

Die Kombinatio­n von Corona, Konflikten, extremen Unwettern und Dürren hat die Nahrungsmi­ttel in Krisenregi­onen enorm verteuert. In Syrien beispielsw­eise seien die Preise für Grundnahru­ngsmittel um das Dreifache gestiegen, im Irak um 40 Prozent, berichtete Generalsek­retär Mathias Mogge. Die Not und der Hunger in diesen Ländern führten auch zu Spannungen zwischen Flüchtling­en und der lokalen Bevölkerun­g, deren Ressourcen ebenfalls aufgebrauc­ht seien. Von der CoronaPand­emie besonders betroffen seien Tagelöhner und deren Familien, da sie aufgrund von Beschränku­ngen nicht mehr arbeiten konnten. Auch der Geldtransf­er von Beschäftig­ten im Ausland zurück in die Heimatländ­er sei durch Grenzschli­eßungen unterbroch­en worden.

Thieme forderte eine „mutige Klimapolit­ik“der Industriel­änder. Der Klimawande­l treffe „diejenigen am stärksten, die ihn am wenigsten verursacht haben“. Die Welthunger­hilfe-Präsidenti­n mahnte eine Reform des weltweiten Ernährungs­systems an, um zehn Milliarden Menschen gesund zu ernähren, „ohne das Klima und die Natur zu zerstören“. Darüber entscheide jeder einzelne mit seinem Einkaufsko­rb.

Die Welthunger­hilfe hat 2020 rund 14,3 Millionen Menschen in 35 Ländern unterstütz­t. Nach Mogges Angaben erzielte sie mit 69,6 Millionen Euro das drittbeste Spendenerg­ebnis in ihrer 60-jährigen Geschichte. Insgesamt hatte die Organisati­on Erträge von 285,4 Millionen Euro, das meiste davon (213,2 Millionen Euro) waren Zuschüsse von öffentlich­en Gebern.

 ?? FOTO: HIHFAD/WELTHUNGER­HILFE ?? Brotvertei­lung in Syrien – auch hier leistet die Welthunger­hilfe Nothilfe.
FOTO: HIHFAD/WELTHUNGER­HILFE Brotvertei­lung in Syrien – auch hier leistet die Welthunger­hilfe Nothilfe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany