Corona-Pandemie wirft arme Länder um Jahre zurück
Vor allem Frauen und Kinder leiden unter den Folgen – Steigende Nahrungsmittelpreise in Krisengebieten
- Corona-Pandemie, Kriege und Konflikte, Klimawandel – diese drei Faktoren haben im vergangenen Jahr die Lebensbedingungen in vielen Ländern dieser Erde extrem verschlechtert. Für 155 Millionen Menschen weltweit sei der Hunger lebensbedrohlich, sagte Marlehn Thieme, Präsidentin der Welthungerhilfe, bei der Vorstellung des Jahresberichts der Organisation am Mittwoch in Berlin. Das seien 20 Millionen mehr als noch im Jahr zuvor. Nach Angaben der Vereinten Nationen ist die Zahl der Hungernden auf weltweit 690 Millionen Menschen gestiegen – betroffen sind vor allem Asien und der afrikanische Kontinent.
„Das Coronavirus ist für Arme zum Hungervirus mutiert“, sagte Thieme. Besonders Frauen und Kinder litten besonders unter der Pandemie. Um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, wurden weltweit Schulen geschlossen mit der Folge, dass die Zahl der Schulabbrecher stark zunahm, gleichzeitig verzeichneten Hilfsorganisationen mehr Kinderarbeit, Teenagerschwangerschaften und Prostitution. Gerade für Mädchen sei Corona deshalb auch zur Bildungskatastrophe geworden, so Thieme. „Von der häuslichen Gewalt ganz zu schweigen.“
Die Kombination von Corona, Konflikten, extremen Unwettern und Dürren hat die Nahrungsmittel in Krisenregionen enorm verteuert. In Syrien beispielsweise seien die Preise für Grundnahrungsmittel um das Dreifache gestiegen, im Irak um 40 Prozent, berichtete Generalsekretär Mathias Mogge. Die Not und der Hunger in diesen Ländern führten auch zu Spannungen zwischen Flüchtlingen und der lokalen Bevölkerung, deren Ressourcen ebenfalls aufgebraucht seien. Von der CoronaPandemie besonders betroffen seien Tagelöhner und deren Familien, da sie aufgrund von Beschränkungen nicht mehr arbeiten konnten. Auch der Geldtransfer von Beschäftigten im Ausland zurück in die Heimatländer sei durch Grenzschließungen unterbrochen worden.
Thieme forderte eine „mutige Klimapolitik“der Industrieländer. Der Klimawandel treffe „diejenigen am stärksten, die ihn am wenigsten verursacht haben“. Die Welthungerhilfe-Präsidentin mahnte eine Reform des weltweiten Ernährungssystems an, um zehn Milliarden Menschen gesund zu ernähren, „ohne das Klima und die Natur zu zerstören“. Darüber entscheide jeder einzelne mit seinem Einkaufskorb.
Die Welthungerhilfe hat 2020 rund 14,3 Millionen Menschen in 35 Ländern unterstützt. Nach Mogges Angaben erzielte sie mit 69,6 Millionen Euro das drittbeste Spendenergebnis in ihrer 60-jährigen Geschichte. Insgesamt hatte die Organisation Erträge von 285,4 Millionen Euro, das meiste davon (213,2 Millionen Euro) waren Zuschüsse von öffentlichen Gebern.