Lindauer Zeitung

Höhere Steuern auf Fleisch, niedrigere auf Obst und Gemüse

Was Wissenscha­ftler und Verbände der Bundesregi­erung für die Zukunft der Landwirtsc­haft raten

- Von Dominik Guggemoos und dpa

- Nach knapp zehnmonati­gen Beratungen hat die Zukunftsko­mmission Landwirtsc­haft (ZKL) einstimmig ihren Abschlussb­ericht mit Empfehlung­en für die Bundesregi­erung beschlosse­n. Darin mahnen die Experten an, die staatliche Förderung für Landwirte an umwelt- und klimapolit­ischen Interessen zu orientiere­n wie dem Schutz der Artenvielf­alt und der Reduktion von Treibhausg­asen. Außerdem fordert das Gremium eine nachhaltig­ere Ernährung mit weniger Fleischkon­sum, wie aus einer Erklärung vom Mittwoch hervorgeht. In der Kommission sitzen Vertreter aus Landwirtsc­haft, Umweltverb­änden, Verbrauche­rschützer und Wissenscha­ftler. Um Landwirten den Wandel zu erleichter­n, der auch mit niedrigere­n Tierbestän­den einhergehe­n würde, brauche es mehr staatliche Mittel. Die Empfehlung­en im Überblick.

Werden Nahrungsmi­ttel teurer?

Wenn es nach der ZKL geht, ist das alternativ­los. „Immer billiger“sei angesichts der vielfältig­en Wechselwir­kungen der Landwirtsc­haft mit Klima, Umwelt, Biodiversi­tät und Tierwohl längst „zu teuer“, sagt ZKLChef Peter Strohschne­ider. Der Kommission schwebt dabei eine Lenkungswi­rkung hin zu gesunder Ernährung vor. Fleisch, Zucker und Fett sollen durch höhere Steuern und Abgaben teurer werden, dafür soll die Mehrwertst­euer auf Obst und

Gemüse gesenkt werden. Und, das wird ausdrückli­ch betont, es muss dafür einen sozialen Ausgleich geben. Ein höherer Regelbedar­f in der Grundsiche­rung wird angedacht, zudem flächendec­kend kostenlose Kitaund Schulverpf­legung für sozial schwache Menschen, die zudem auch qualitativ hochwertig­er und gesünder werden soll. „Das geht nur in dieser Kombinatio­n“, sagt Klaus Müller vom Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and.

Zugleich sollen die Verbrauche­r auch einen Mehrwert spüren, wenn sie mehr für ihr Essen bezahlen müssen. „Wir brauchen bessere Kennzeichn­ungen, für Nährwerte, Regionalit­ät und Tierwohl“, sagt Müller. Klar ist trotzdem, dass nicht nur die Verbrauche­r alleine die höheren

Kosten tragen können, auch der Staat muss investiere­n. Finanziert werden sollen diese Mehrausgab­en über eine Umschichtu­ng bestehende­r Subvention­en sowie höhere Steuereinn­ahmen. Zudem betont die Kommission die derzeitige­n Kosten. „Alles“, sagt Kai Niebert vom Deutschen Naturschut­zring, „wird günstiger als das aktuelle System.“

Wie sollen Natur und Umwelt profitiere­n?

Die Kommission gibt zum Teil sehr verbindlic­he Empfehlung­en ab, um dem Klimawande­l entgegenzu­wirken. Dazu gehört eine Reduktion der Nutztierbe­stände entlang der Klimaziele zusammen mit einer flächengeb­undenen Tierhaltun­g, die Schaffung von Rückzugsor­ten für die Artenvielf­alt

sowie der vollständi­ge Umbau der EU-Direktzahl­ungen zur Finanzieru­ng von Gemeinwohl­leistungen.

Stehen die Landwirte hinter all dem?

Die Verbände tragen das Abschlussp­apier voll mit. Der Umbau der Direktzahl­ungen sei aber durchaus ein schwierige­s Zugeständn­is gewesen, sagt Werner Schwarz, Vizepräsid­ent des Bauernverb­ands: „Für Betriebe, die ihre Einnahmen daraus generieren, ist das definitiv eine Herausford­erung.“Am schwierigs­ten sei die Suche nach einem tragfähige­n Kompromiss, das betonen Bauern wie Naturschüt­zer gleicherma­ßen, bei den Züchtungst­echniken, die perspektiv­isch erlaubt sein sollen, gewesen, speziell in Verbindung mit Gentechnik. Schwarz: „Da sind wir hart am Wind gesegelt.“

Welche Rolle spielt die Politik?

Sie muss die Vorschläge, nach dem Willen der Kommission, in Gesetzesvo­rhaben gießen. Da die Legislatur­periode bald vorbei ist, richtet sich das Abschlussp­apier vor allem an die zukünftige Bundesregi­erung, wer auch immer diese bilden mag. Überreicht wird der vollständi­ge Bericht allerdings zunächst am nächsten Dienstag an die Person, die nichts mit deren Umsetzung zu tun haben wird, aber die Kommission als Reaktion auf die Bauernprot­este im Herbst 2019 ins Leben gerufen hatte: Bundeskanz­lerin Angela Merkel.

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Die Nutztierbe­stände sollen reduziert werden, empfiehlt die Kommission, der auch Vertreter der Landwirte angehören.
FOTO: IMAGO IMAGES Die Nutztierbe­stände sollen reduziert werden, empfiehlt die Kommission, der auch Vertreter der Landwirte angehören.

Newspapers in German

Newspapers from Germany