Höhere Steuern auf Fleisch, niedrigere auf Obst und Gemüse
Was Wissenschaftler und Verbände der Bundesregierung für die Zukunft der Landwirtschaft raten
- Nach knapp zehnmonatigen Beratungen hat die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) einstimmig ihren Abschlussbericht mit Empfehlungen für die Bundesregierung beschlossen. Darin mahnen die Experten an, die staatliche Förderung für Landwirte an umwelt- und klimapolitischen Interessen zu orientieren wie dem Schutz der Artenvielfalt und der Reduktion von Treibhausgasen. Außerdem fordert das Gremium eine nachhaltigere Ernährung mit weniger Fleischkonsum, wie aus einer Erklärung vom Mittwoch hervorgeht. In der Kommission sitzen Vertreter aus Landwirtschaft, Umweltverbänden, Verbraucherschützer und Wissenschaftler. Um Landwirten den Wandel zu erleichtern, der auch mit niedrigeren Tierbeständen einhergehen würde, brauche es mehr staatliche Mittel. Die Empfehlungen im Überblick.
Werden Nahrungsmittel teurer?
Wenn es nach der ZKL geht, ist das alternativlos. „Immer billiger“sei angesichts der vielfältigen Wechselwirkungen der Landwirtschaft mit Klima, Umwelt, Biodiversität und Tierwohl längst „zu teuer“, sagt ZKLChef Peter Strohschneider. Der Kommission schwebt dabei eine Lenkungswirkung hin zu gesunder Ernährung vor. Fleisch, Zucker und Fett sollen durch höhere Steuern und Abgaben teurer werden, dafür soll die Mehrwertsteuer auf Obst und
Gemüse gesenkt werden. Und, das wird ausdrücklich betont, es muss dafür einen sozialen Ausgleich geben. Ein höherer Regelbedarf in der Grundsicherung wird angedacht, zudem flächendeckend kostenlose Kitaund Schulverpflegung für sozial schwache Menschen, die zudem auch qualitativ hochwertiger und gesünder werden soll. „Das geht nur in dieser Kombination“, sagt Klaus Müller vom Verbraucherzentrale Bundesverband.
Zugleich sollen die Verbraucher auch einen Mehrwert spüren, wenn sie mehr für ihr Essen bezahlen müssen. „Wir brauchen bessere Kennzeichnungen, für Nährwerte, Regionalität und Tierwohl“, sagt Müller. Klar ist trotzdem, dass nicht nur die Verbraucher alleine die höheren
Kosten tragen können, auch der Staat muss investieren. Finanziert werden sollen diese Mehrausgaben über eine Umschichtung bestehender Subventionen sowie höhere Steuereinnahmen. Zudem betont die Kommission die derzeitigen Kosten. „Alles“, sagt Kai Niebert vom Deutschen Naturschutzring, „wird günstiger als das aktuelle System.“
Wie sollen Natur und Umwelt profitieren?
Die Kommission gibt zum Teil sehr verbindliche Empfehlungen ab, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Dazu gehört eine Reduktion der Nutztierbestände entlang der Klimaziele zusammen mit einer flächengebundenen Tierhaltung, die Schaffung von Rückzugsorten für die Artenvielfalt
sowie der vollständige Umbau der EU-Direktzahlungen zur Finanzierung von Gemeinwohlleistungen.
Stehen die Landwirte hinter all dem?
Die Verbände tragen das Abschlusspapier voll mit. Der Umbau der Direktzahlungen sei aber durchaus ein schwieriges Zugeständnis gewesen, sagt Werner Schwarz, Vizepräsident des Bauernverbands: „Für Betriebe, die ihre Einnahmen daraus generieren, ist das definitiv eine Herausforderung.“Am schwierigsten sei die Suche nach einem tragfähigen Kompromiss, das betonen Bauern wie Naturschützer gleichermaßen, bei den Züchtungstechniken, die perspektivisch erlaubt sein sollen, gewesen, speziell in Verbindung mit Gentechnik. Schwarz: „Da sind wir hart am Wind gesegelt.“
Welche Rolle spielt die Politik?
Sie muss die Vorschläge, nach dem Willen der Kommission, in Gesetzesvorhaben gießen. Da die Legislaturperiode bald vorbei ist, richtet sich das Abschlusspapier vor allem an die zukünftige Bundesregierung, wer auch immer diese bilden mag. Überreicht wird der vollständige Bericht allerdings zunächst am nächsten Dienstag an die Person, die nichts mit deren Umsetzung zu tun haben wird, aber die Kommission als Reaktion auf die Bauernproteste im Herbst 2019 ins Leben gerufen hatte: Bundeskanzlerin Angela Merkel.