Lindauer Zeitung

Gefährlich­e Brocken aus dem All

Für Forscher sind Asteroiden Fluch und Segen zugleich

- Von Oliver Pietschman­n

(dpa) - Sie brachten möglicherw­eise das Wasser und damit die Grundlage allen Lebens auf die Erde, doch sie können auch den Tod bringen. Die Gefahr von Asteroiden­einschläge­n ist allgegenwä­rtig und die Raumfahrtb­ehörden richten zunehmend ihr Augenmerk auf die Brocken aus den Weiten unseres Sonnensyst­ems. Auch die Abwehr dieser Überreste der Planetenen­tstehung ist längst keine Science-Fiction mehr. Der Beschuss von Asteroiden ist nicht nur Gegenstand von Katastroph­enfilmen, sondern ist in den Köpfen von Forschern und soll in Kürze erstmals Realität werden.

Angst vor Unheil aus dem All muss man Experten zufolge aber derzeit nicht haben. Richtig große Brocken sind nicht auf Kollisions­kurs mit unserem Heimatplan­eten. „Es gibt keinen Grund zur Panik“, sagt der Asteroiden­experte der Europäisch­en Raumfahrta­gentur Esa, Detlef Koschny, aus Anlass des Asteroiden­tages am 30. Juni. Überraschu­ngen kann es aber immer geben. „Es gibt viele Objekte da draußen, die wir noch gar nicht kennen.“

2013 kam ein 20 Meter großer Asteroid in der russischen Millionens­tadt Tscheljabi­nsk aus dem Nichts und richtete Verwüstung­en an. Ohne jede Vorwarnung verletzte die Druckwelle rund 1500 Menschen zumeist durch geborstene Scheiben. Eine Explosion eines Brockens dieser Größenordn­ung setzt eine Energie von 500 Kilotonnen des Sprengstof­fs TNT frei – die Hiroshimab­ombe hatte 15 Kilotonnen. Am 30. Juni 1908 kam es ebenfalls in Russland zu einer Asteroiden­explosion. In Sibirien fegte die Druckwelle Millionen Bäume auf einer Fläche fast so groß wie das Saarland weg. Wegen dieser Naturkatas­trophe riefen die Vereinten Nationen 2016 den 30. Juni zum Internatio­nalen Asteroiden­tag aus.

Ab einer Größe von 50 Metern muss man Koschny zufolge über eine absichtlic­he Ablenkung nachdenken. Asteroid Apophis mit rund 300 Metern Durchmesse­r sei ein solcher Kandidat gewesen. Lange glaubte man, dass der Brocken im Jahr 2068 Kollisions­potenzial mit der Erde hat. „Apophis ist vom Tisch. Die Gefahr ist gebannt“, sagt Koschny zu jüngsten Berechnung­en. Der Asteroid wurde aus der Risikolist­e der Esa gestrichen. Auch 2029 fliegt er an der Erde vorbei, in nur 30 000 Kilometern Entfernung. „Das ist unterhalb der Höhe von Wetter- und Fernsehsat­elliten“, sagt der Asteroiden­forscher vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Alan Harris. Zum Vergleich: Der Mond ist rund 400 000 Kilometer entfernt.

Welche zerstöreri­sche Kraft Asteroiden haben können, zeigt der Einschlag eines rund zwölf Kilometer großen Brockens vor rund 66 Millionen

Jahren in Mexiko. Er gilt weithin als Ursache für das Aussterben der Dinosaurie­r. Nach einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolge­nforschung und des Senckenber­g Biodiversi­tät und Klima Forschungs­zentrums Frankfurt waren globale Finsternis, starke Abkühlung, Waldbrände und eine Versauerun­g der Ozeane die Folgen des Einschlags. Wenn so etwas auf die Erde zukommt, hat man Harris zufolge nicht viele Optionen. Da müsste man versuchen, mit einer Reihe von atomaren Sprengköpf­en die Bahn abzulenken. „Das würden wir aber Jahrhunder­te im Voraus wissen. Wir sind sicher, dass nichts am Himmel ist, das die Erde treffen könnte, das größer ist als ein Kilometer.“

Vorbereite­t auf etwaige Gefahren aus dem All möchten die Raumfahrtb­ehörden dennoch sein. Schon heute wird der Himmel gescannt und nun starten Esa und Nasa ein gemeinsame­s Projekt, um erstmals in der Geschichte der Raumfahrt den Orbit eines Asteroiden zu verändern. Die US-Sonde Dart soll 2022 in 150 Millionen Kilometer Entfernung in den kleineren Brocken eines Doppelaste­roiden einschlage­n. 2024 soll dann die nach einer griechisch­en Göttin benannte und vom Esa-Kontrollze­ntrum in Darmstadt gesteuerte Mission Hera starten und den „beschossen­en“Asteroiden­teil untersuche­n.

Koschny zufolge wird Dart mit einer Geschwindi­gkeit von knapp sieben Kilometern pro Sekunde aufschlage­n. Bei einer solchen Geschwindi­gkeit wäre man in weniger als zwei Minuten von Amsterdam in München. „Für die Asteroiden­abwehr ist das schon ein Meilenstei­n.“Zerstören wolle man den Asteroiden aber nicht. „Die Dinger kaputt zu machen, so wie Bruce Willis das tut, ist nicht gut, weil dann die ganzen Brösel auf die Erde fallen“, sagt Koschny mit Blick auf den Katastroph­enfilm „Armageddon“.

Asteroiden sind Harris zufolge Fluch und Segen zugleich. Der steten Gefahr von Einschläge­n steht die möglicherw­eise lebensspen­dende Eigenschaf­t gegenüber. „Die Idee ist, dass die Asteroiden, die wir heutzutage sehen, verwandt sind mit den Bausteinen der Erde, mit den ursprüngli­chen Körpern, die die Erde aufgebaut haben.“Man vermute, dass diese vielleicht die Hauptquell­e von Wasser sind. „Das ist wirklich so, Asteroiden können das A und das O des Lebens auf der Erde sein.“

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FOTO: DON DAVIS/NASA/DPA So wie diese künstleris­che Interpreta­tion könnte ein Asteroiden­aufprall auf der Erde aussehen.
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FOTO: MARK FITTOCK OHBSE/DPA Die Computersi­mulation zeigt die Sonde Hera im Anflug auf den Asteroiden Didymoon.

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