Verkehrsrowdys sind meist männlich
Der Umgang auf den Allgäuer Straßen ist oft rau
- Drängeln, mit Lichthupe dicht auffahren, den Mittelfinger zeigen und andere Autofahrer beleidigen: Der Umgang ist auf den Straßen oft sehr rau. 400 sogenannter Aggressionsdelikte im Straßenverkehr hat die Polizei im gesamten Allgäu im Jahr 2020 dokumentiert. Die Dunkelziffer ist laut Holger Stabik, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West, noch viel höher. Denn meist komme es nicht zu einer Anzeige.
Ein Blick auf die Zahlen von vor etwa zehn Jahren zeigt eine deutliche Steigerung solcher Vorfälle: 2010 verzeichnete die Polizei lediglich 100 Aggressionsdelikte, 2011 waren es 216. Doch Dominic Geißler, ebenfalls Sprecher der Polizei, mahnt hier zur Vorsicht: „Die Parameter, unter denen vor zehn Jahren Aggressionsdelikte dokumentiert wurden, waren womöglich noch ganz andere.“Will heißen: Fälle, die heute eindeutig den Aggressionsdelikten im Straßenverkehr zugeordnet werden, wurden es vor zehn
Jahren vielleicht noch nicht. Dennoch sei davon auszugehen, dass die Fälle zugenommen haben.
Auf jeden Fall verlässlich seien die Zahlen der vergangenen fünf Jahre, sagt Geißler. So gab es 2016 noch 375 Aggressionsdelikte. Worauf der Anstieg zurückzuführen ist, könne er nicht sagen: „Vielleicht sind es tatsächlich mehr Fälle, es kann aber auch sein, dass die Anzeigebereitschaft gestiegen ist.“Das hieße, dass Opfer von Aggressionsdelikten diese häufiger der Polizei melden. Außerdem habe die Aggressivität insgesamt zugenommen, auch gegenüber Polizeibeamten.
Auch Alexander Kreipl vom ADAC Südbayern nimmt mehr Aggressivität auf den Straßen wahr: „Aus einer subjektiven Wahrnehmung heraus geht es vielen so.“Besonders im innerstädtischen Verkehr spüre er einen raueren Umgang. Tobias Heilig, Pressesprecher des Kreisverbands Kempten-Oberallgäu des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), hat hingegen eine solche Entwicklung noch nicht beobachtet. Da im Straßenverkehr aber insgesamt mehr Radler unterwegs seien als früher, sei es durchaus denkbar, dass es heutzutage auch häufiger zu Konflikten mit Radfahrern komme.
Das am häufigsten auftretende Vergehen ist laut Geißler die Nötigung im Straßenverkehr. Darunter fällt zum Beispiel das Drängeln mit dichtem Auffahren und penetrantem Betätigen der Lichthupe. Das sei eine Straftat und könne mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Ebenfalls beliebt bei aggressiven Verkehrsteilnehmern sei die Beleidigung. „Der Mittelfinger kommt dabei häufig vor“, sagt Geißler.
Das Klischee, dass es sich bei den Verkehrsrowdys meist um Männer mit PS-starken Autos handelt, kann Holger Stabik nur zum Teil bestätigen: Zwar gebe es „bei den Aggressionsdelikten eine klare Dominanz der Männer“. Auf 8475 Vergehen von Männern in den vergangenen zehn Jahren kämen gerade einmal 758 Fälle von Frauen. Mit welchen Fahrzeugen die Täter unterwegs sind, könne die Polizei jedoch nicht sagen: „Auf der Landstraße kann man aber auch mit einem 45-PS-Auto drängeln.“
Grundsätzlich lässt sich laut Stabik festhalten, dass sich Aggressionen bei Frauen und Männern unterschiedlich ausdrücken. „Männer tendieren eher dazu, ihrem Ärger über aggressives Fahren oder körperliche Gewalt Luft zu machen. Frauen klären das eher verbal, beleidigen und zeigen den Mittelfinger“, sagt Stabik.
Mittel gegen die Aggressivität auf den Straßen habe die Polizei nur begrenzt: „Das entsteht ja immer aus dem Moment heraus“, sagt Geißler. Deshalb könnten diese Fälle ohne eine Anzeige kaum geahndet werden. Und zu Anzeigen komme es häufig gar nicht. „Viele schlucken ihren Ärger runter“, sagt Stabik. Die Polizei führe aber immer wieder Kontrollen durch. Besonders auf den Autobahnen seien häufig Streifen – auch in zivil – unterwegs, die Drängler und Raser erwischen.