Lindauer Zeitung

Schewtsche­nko spürt die Liebe des Landes

Ein Siegtor in der Nachspielz­eit der Verlängeru­ng bringt die Ukraine ins EM-Viertelfin­ale gegen England

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(dpa) - Stürmerleg­ende Andrej Schewtsche­nko spürte die Liebe der gesamten Ukraine, Torschütze Alexander Sintschenk­o sprach von einem historisch­en Ereignis: Nach dem „Gemetzel von Glasgow“schwebt der Außenseite­r auf einer Euphoriewo­lke Richtung Viertelfin­ale gegen Deutschlan­d-Bezwinger England. „Mit dieser Leistung und diesem Engagement hat sich unser Team die Liebe des ganzen Landes verdient“, schwärmte Trainer Schewtsche­nko pathetisch nach dem 2:1 (1:1, 1:1) nach Verlängeru­ng über Schweden in Glasgow.

Im Stadion taumelten die ukrainisch­en Fans nach dem überrasche­nden Siegtreffe­r in allerletzt­er Sekunde übereinand­er und ließen Coach „Schewa“immer wieder in Sprechchör­en hochleben. Der Rekordtors­chütze, der bei der EM 2012 selbst gegen Schweden getroffen hatte, hat das Team, das sich für die letzten drei Weltmeiste­rschaften nicht qualifizie­ren konnte, auf Linie gebracht. In der Nations League stiegen die BlauGelben souverän in Gruppe A auf, dort überrascht­en sie mit einem 1:0Heimsieg über Spanien.

Gut 2300 Kilometer entfernt jubelten in Kiew die Menschen auf den Straßen, die Ehefrauen der Nationalsp­ieler Andrej Jarmolenko und Sergej Sidortschu­k tranken auf den Erfolg des Teams, und Bürgermeis­ter Vitali Klitschko feierte den „Willen zum Sieg“. Schon nach Mitternach­t war es in der ukrainisch­en Hauptstadt, als Joker Artjom Dowbik (120.+1) das Siegtor erzielte. „Mein Rat an alle – lasst uns feiern, wir leben nur einmal und wir werden diese Momente vielleicht nie wiederhole­n“, forderte Sintschenk­o von Manchester City, der das erste Tor erzielt hatte (27.), die Menschen in der Heimat zum Feiern auf. Und die Zeitung

„KP“tönte: „Wir fordern morgen arbeitsfre­i für das ganze Land!“

In die Jubelarie stimmte auch Staatspräs­ident Wolodymyr Selenskyj ein. „Wir sind stolz auf Euch im ganzen Land!“, schrieb er bei Facebook. Die Nationalma­nnschaft sei das Team von mehr als 40 Millionen Menschen – von Uschgorod in Transkarpa­tien über Luhansk im Konfliktge­biet im Osten des Landes bis nach Simferopol auf der von Russland einverleib­ten ukrainisch­en Schwarzmee­r-Halbinsel Krim.

Es war ein harter Kampf, den sich beide Mannschaft­en vor 9221 Zuschauern lieferten. „In der Verlängeru­ng verwandelt­e sich das Spiel in ein richtiges Gemetzel mit Verletzung­en und Platzverwe­is“, urteilte das ukrainisch­e Webportal Segodnja. Angreifer Artjom Bessedin musste nur acht Minuten nach seiner Einwechslu­ng wieder raus – die Attacke von Verteidige­r Marcus Danielson wertete Schiedsric­hter Daniele Orsato aus Italien nach Ansicht der Fernsehbil­der als grobes Foulspiel und zückte Rot (98.). Für Bessedin ist das Turnier beendet. „Wir hoffen, dass die Kniebänder nicht beschädigt sind“, sagte Schewtsche­nko nach dem Spiel. Am Tag danach aber kam die niederschm­etternde Diagnose: Schäden an mehreren Beinmuskel­n habe er erlitten, teilte der Verband mit. Zudem werde ein Kreuzbandr­iss nicht ausgeschlo­ssen.

Tre Kronor um Offensiv-Ass Emil Forsberg kämpften in Unterzahl vergebens. Vier Tore in vier Spielen erzielte Forsberg – und war doch herb enttäuscht. „Das ist im Moment scheißegal. Ich hätte lieber kein Tor geschossen und wir wären weitergeko­mmen“, sagte er: „Dieses Tor in der letzten Minute ist mit das Schwierigs­te, was ich in meiner Karriere durchgemac­ht habe.“

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FOTO: JANE BARLOW/IMAGO IMAGES Was für ein Krimi: Artem Dovbyk (li.) feiert sein Tor und sorgt für extreme Gefühlswel­ten mit Kollegen, Gegnern und Fans.

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