Lindauer Zeitung

„Baerbock sollte wieder selbstbewu­sster und mutiger auftreten“

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- Extreme Wetterlage­n sind ein Indikator für den Klimawande­l. Sie könnten die Bundestags­wahlen beeinfluss­en, sagt der Politologe Wolfgang Schroeder (Foto: Ausserhofe­r) von der Universitä­t Kassel im Gespräch mit Dorothee Torebko.

Setzt sich das extreme Wetter weiter so fort, wird Annalena Baerbock dann Kanzlerin?

Diesen Automatism­us wird es nicht geben. Aber für die Grünen können sich die gerade erfahrenen Wetterextr­eme trotzdem positiv auswirken, weil ihnen die größte Kompetenz und Authentizi­tät in der Beantwortu­ng klimapolit­ischer Fragen zugesproch­en wird.

Können sich die Grünen neue Wählerschi­chten erschließe­n?

Die Grünen haben bei der vergangene­n Bundestags­wahl rund acht Prozent

Zuspruch bekommen und liegen jetzt bei 19 bis 22 Prozent. Damit sind die aktiven klimasensi­blen Truppen bereits angesproch­en. Doch die Partei hat zuletzt ein Abschmelze­n des Zuspruchs gemerkt. Das könnte nun vielleicht gestoppt werden. Für die Grünen wäre das eine positive Wende. Denn es sah in den vergangene­n Wochen so aus, als seien sie im freien Fall und kämen am Ende nicht über 15 Prozent.

Gibt es Beispiele, wie Umweltkata­strophen den Grünen bei Wahlen genutzt haben?

Das drastischs­te Beispiel ist das

Jahr 2011, wo die Kernreakto­rkatastrop­he von Fukushima vor aller Augen stattfand. Parallel dazu wurde der Landtag in Baden-Württember­g gewählt. Der Weg von Winfried Kretschman­n an die Spitze des Landes ist also auch das Ergebnis einer Fokussieru­ng auf eine ökologisch­e und technische Katastroph­e. Das heißt: Wenn Extreme erfahrbar werden, ist es etwas anderes, als wenn dies nur theoretisc­h, also als Möglichkei­t, im Raum steht.

Baerbock steht in der Kritik. Diesmal geht es um Quellenang­aben in ihrem Buch. Was wiegt beim Wähler mehr: Baerbocks Fehler oder die Angst vor dem Klimawande­l?

Die Grünen können dann am ehesten von den Wetterextr­emen profitiere­n, wenn es ihnen gelingt neue und unentschlo­ssene Wähler in ihrer Tendenz hin zu den Grünen zu bestätigen. Das bedeutet aber auch, dass sie sich stark auf das Thema konzentrie­ren und ihre Kompetenz in diesem Bereich herausstel­len. Zugleich müssen sie es schaffen, dass sie die Kampagnen gegen Baerbock neutralisi­eren. Letzteres ist deshalb wichtig, weil der Wahlkampf doch eine für deutsche Verhältnis­se starke Personalis­ierung

erreicht hat. Deshalb wird es nicht möglich, einfach zu sagen: Wir sind die Klimakompe­tenten und jetzt können wir die Petitessen um Frau Baerbock vergessen.

Sollten die Grünen dazu aggressive­r in ihrer Kommunikat­ionsstrate­gie vorgehen?

Nein. Dieser konsensual­e Stil hat sich bewährt. Die Strategie sollte man nicht verändern. Doch es muss der Partei gelingen, deutlich zu machen, dass sie nichts Verwerflic­hes mache und der Umgang mit ihr unfair ist. Wenn man die Bücher von Laschet und Scholz prüfen würde, würde man vermutlich genau solche Stellen finden wie bei Baerbock. Doch die politische Konkurrenz steigt mit einer gewissen Brutalität in diese Dinge ein. Das in kurzer Zeit umzukehren, verlangt, dass die Grünen weiter geschlosse­n und aktiv hinter Baerbock stehen und die Kandidatin selbst wieder selbstbewu­sster und mutiger auftritt.

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