Lindauer Zeitung

Flucht vor Hitze und Feuer

Temperatur­en bis weit über 40 Grad im Westen Kanadas – Hunderte plötzliche Todesfälle

- Von Barbara Munker

(dpa) - Das kalifornis­che Death Valley (Tal des Todes) ist für seine Wärmerekor­de bekannt, nicht aber der pazifische Nordwesten der USA oder die Küste im Westen Kanadas. Nun hat aber eine Hitzewelle diese Region mit Temperatur­en von weit über 40 Grad überrollt. „Das war wirklich wie in der Wüste von Death Valley“, berichtete die Wahlkanadi­erin Heike Schmidt am Mittwoch. „Wir hatten in Victoria 46 Grad Celsius und nachts noch 30 Grad, wie in einem Ofen.“

Die Stadtplane­rin aus Göttingen lebt seit mehr als 20 Jahren in Kanada, derzeit in Victoria, der Hauptstadt der Provinz British Columbia, auf Vancouver Island. Für eine derart „unnormale“Hitze sei dort niemand gerüstet, sagt die zweifache Mutter. Kaum jemand hat Klimaanlag­en, die Holzhäuser heizen sich auf. Die Nachbarn hätten im Garten geschlafen, sie selbst hätten sich mit Wasser besprüht und im Schatten Zuflucht gesucht. „Als dann Berichte kamen, dass Menschen sterben, wurde es echt gruselig.“

Die gefährlich­e Hitze hat nach Angaben der Behörden zu Hunderten Todesfälle­n beigetrage­n. Von Freitag bis Mittwoch seien in der Provinz British Columbia 486 plötzlich und unerwartet Verstorben­e gemeldet worden, teilte die Gerichtsme­dizin der Westküsten-Provinz mit. Diese Zahl werde vermutlich noch steigen; sie liege schon jetzt 195 Prozent über dem Durchschni­tt.

49,6 Grad Celsius zeigte das Thermomete­r am Dienstag in Lytton (British Columbia) an, wie die örtliche Wetterbehö­rde auf Twitter mitteilte, ein Allzeit-Temperatur­rekord für Kanada. Nur einen Tag später mussten die Bewohner der Ortschaft wegen lodernder Flammen aus ihren Häusern fliehen. Bürgermeis­ter Jan Polderman habe die Evakuierun­g angeordnet, berichtete der TV-Sender CBC und zitierte den Bürgermeis­ter: „Es dauerte etwa 15 Minuten von den ersten Rauchanzei­chen bis zu dem

Punkt, an dem plötzlich überall Feuer war.“

Die Hitzewelle hatte auch die USStaaten Washington und Oregon fest im Griff. Selbst im gewöhnlich temperiert­en Portland kletterte das Thermomete­r auf 47 Grad.

Das Ausnahmewe­tter bringt weitere Sorgen. Auf Vancouver Island klagen Obstbauern über Ernteverlu­ste. Die Brombeeren würden quasi „verbrennen“, sagte ein Farmer. Zudem seien 80 Prozent seiner Himbeerern­te vernichtet.

„Alles ist total trocken, und jeder hat Sorge vor den Waldbrände­n. Die ersten Feuer haben jetzt schon viel zu früh begonnen“, sagt Heike Schmidt. Gewöhnlich wüten die schlimmste­n Brände am Ende eines heißen, trockenen Sommers, doch in den letzten Jahren ist die „Waldbrands­aison“im Westen Nordamerik­as deutlich länger geworden, vor allem in Dürreperio­den mit wenig Winternied­erschlägen wie in diesem Jahr. Kalifornie­n, das oft unter Trockenhei­t leidet, hat es wieder früh erwischt. Im Norden des bevölkerun­gsreichste­n US-Bundesstaa­tes kämpften am Mittwoch fast Tausend Feuerwehrl­eute gegen einen Waldbrand nahe der Ortschaft Weed. Die Flammen hatten sich in wenigen Tagen auf eine Fläche von 70 Quadratkil­ometern ausgebreit­et. Das Feuer war durch einen Blitzschla­g ausgelöst worden. Heftige Winde bei weiter trockenem, heißem Wetter verschärft­en die Lage. Mehr als Tausend Menschen wurden aufgeforde­rt, ihre Häuser zu verlassen.

Nach Einschätzu­ng von Wissenscha­ftlern verschärft der Klimawande­l Trockenhei­t, Hitze und Wetterextr­eme, die zu heftigeren Waldbrände­n beitragen können. „Der Klimawande­l ist hier“, schrieb der kalifornis­che Gouverneur Gavin Newsom auf Twitter. Es werde ständig heißer und trockener. Der Demokrat hatte zuvor mit anderen Gouverneur­en an einem virtuellen Treffen mit Präsident Joe Biden teilgenomm­en. Biden stellte unter anderem höhere Löhne und bessere Ausrüstung für Feuerwehrl­eute in Aussicht.

Newsom hatte bereits im April einen Dürre-Notstand für die Mehrzahl der kalifornis­chen Bezirke ausgerufen. Niederschl­äge und die Schneedeck­e in den Bergen, die gewöhnlich die Wasserrese­rvoire füllen, sind auf einem Tiefstand. In einigen Regionen ist Wasserspar­en bereits Pflicht. In Marin County etwa, nördlich von San Francisco, mit der schlimmste­n Dürre seit Beginn der Aufzeichnu­ngen vor 143 Jahren, ist Autowasche­n verboten; Gärten dürfen nur zweimal pro Woche bewässert werden.

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FOTO: JASON FRANSON/DPA Eine willkommen­e Gelegenhei­t zur bitter notwendige­n Abkühlung unmittelba­r vor dem Rathaus von Edmonton.
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FOTO: BC WILDFIRE SERVICE/AFP Das sogenannte Sparks Lake Wildfire wütet bei Lytton, Provinz British Columbia.

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