Lindauer Zeitung

Von wegen Zoom

- 14mal probiert, 14-mal ist nichts passiert. Ob es am Dienstag nun endlich Zoom macht? 1000-mal berührt, 1000-mal ist nichts passiert. 1000 und eine Nacht – und es hat Zoom gemacht. Land. Neue Männer braucht das Ich sprüh’s auf jede Häuserwand / „Ich such

Nun hat es doch nicht Zoom gemacht! Thomas Müller schoss zwar nur knapp daneben, aber sein erster Treffer bei einer Fußball-EM blieb ihm verwehrt. Und warum rühren wir noch einmal an diese schmerzhaf­te Wunde? Allein aus sprachlich­en Gründen. Am Montag war es im Sportteil um dieses noch fehlende EM-Tor gegangen:

Was dabei interessan­t ist: Diese Passage spielt gekonnt mit der Erinnerung an den Hit der Klaus Lage Band von 1984:

Wer diese Assoziatio­n allerdings nicht hat, der dürfte die Formulieru­ng in einem Sportartik­el etwas seltsam finden. Dass es in jenem Song nicht ums Toreschieß­en ging, sondern um eine Leibesübun­g anderer Art, sei am Rande angemerkt. Unzählige Musiktitel oder Zitate aus Musikstück­en leben – wortgetreu oder verfremdet – in der Sprache weiter und werden nicht selten zu Redensarte­n. Mit ihnen zu jonglieren, ist immer reizvoll. Aber so sehr ihr Einsatz einen Text oder eine Rede aufhübsche­n kann, so heißt es doch aufzupasse­n. Werden sie noch verstanden, sind sie zu ausgefalle­n, stimmt die Stilebene, gehen sie an zu vielen Adressaten vorbei, wirken sie unfreiwill­ig komisch – das sind Fragen, die man sich vorab stellen sollte. Ein Beispiel: In einer katholisch­en Dekanatsze­itschrift ging es unlängst um das „Jahr des heiligen Josef“, das Papst Franziskus für 2021 proklamier­t hat – Josef als Vorbild für Ehemänner und Väter. Überschrif­t des Artikels:

Es ist anzunehmen, dass der geistliche Schreiber die Quelle nicht kannte. Wer allerdings sofort an Ina Deters Song von 1982 dachte, zuckte zusammen:

Da erhebt sich dann die Frage, ob sich dieser Titel schon so verselbstä­ndigt hat, dass man ihn losgelöst von seiner Herkunft verwenden kann. Eher nicht.

Schauen wir uns noch einige Musikzitat­e an, die heute ein Eigenleben führen. Steht in den letzten schneearme­n Wintern irgendwo

so denkt man Rudi Carrells TV-Sommer-Schlager von 1975 automatisc­h mit. als Titel über dem Bericht zur Einweihung der neuen Bushaltest­elle in einem Dorf ist ganz originell – und Melina Mercouri, Milva oder Lale Andersen, die alle die Titelmelod­ie

aus dem Film von 1962 schon sangen, werden es postum verzeihen. Legion sind die Verfremdun­gen eines Dauerbrenn­ers von 1927:

und natürlich weiterhin in

wie es Friedrich Löhner-Beda einst wollte. Dazu gehört dann auch als düstere Hintergrun­dfolie, dass jener böhmisch-jüdische Textdichte­r – weil nicht mehr arbeitsfäh­ig – 1942 in Auschwitz totgeschla­gen wurde.

– die Liste ließe sich beliebig lange fortsetzen. Zum Schluss noch ein Griff in das Schatzkäst­lein des schwäbisch­en Liedguts:

So wie Thomas Müller am Dienstagab­end in der 81. Minute. Von wegen Zoom.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion,

Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

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