Lindauer Zeitung

Was vergrabene Teebeutel verraten

Die Versuchsst­ation für Obstbau untersucht Alternativ­en bei der Bodenbearb­eitung

- Von Christian Flemming

- Die Obstblüte ist vorüber, das Erwarten der Ernte ist in vollem Gange. Ebenso die Sorge vor Hagelschäd­en, wie sie bei den aktuell heftigen Gewittern in der Region durchaus vorkommen. Doch nicht nur den wachsenden Früchten gilt die Aufmerksam­keit der Obstbauern. Damit die Bäume gute Voraussetz­ungen haben, ihren Früchten möglichst viel Kraft zukommen zu lassen, muss auch der Boden um sie herum gut umsorgt werden. Die Versuchsst­ation für Obstbau in Schlachter­s ist da der ideale Ort, um verschiede­ne Praktiken für die Bodenbearb­eitung unter den Obstbäumen zu erproben und zu testen.

Teebeutel, gefüllt mit fünf Gramm grünem Tee, spielten bei einem Versuchspr­ojekt eine bedeutende Rolle. Sie sollten – in 20 Zentimeter Tiefe vergraben – Hinweise darüber geben, was sich im Boden so tut, wie aktiv Mikroorgan­ismen im Bodenberei­ch um Obstbäume sind, der mit den verschiede­nsten Methoden behandelt wurde: mit Herbiziden, mit rein mechanisch­en Verfahren sowie gemischt.

Jeden Monat wurde kontrollie­rt, wie viel von den fünf Gramm noch vorhanden war. Je weniger Tee noch vorhanden ist, desto aktiver ist das mikrobiolo­gische Leben im Boden. Grüner Tee deshalb, weil der nicht fermentier­t und daher für Mikroorgan­ismen wesentlich geeigneter ist. Das ist also keine Frage des persönlich­en Geschmacks der am Projekt beteiligte­n Menschen, wie Johannes Werth lachend aufklärt. Werth war für dieses Projekt zuständig und erklärt bei einem Rundgang über die Versuchsan­stalt gemeinsam mit dem Leiter Michael Zoth zunächst die mechanisch­en Möglichkei­ten, die helfen sollen, die Obstbäume von der Konkurrenz der Beikräuter, wie hier das Unkraut genannt wird, zu befreien.

In Zeiten der heftigen Diskussion über Herbizide kommt man um das Reizthema Glyphosat natürlich nicht herum. Denn auch im konvention­ellen Obstbau spielt dieses umstritten­e Unkrautver­nichtungsm­ittel eine Rolle. „Die Behandlung mit chemischen Produkten, darunter Glyphosat, ist jedenfalls die günstigste“, sagt Zoth, der aufgrund des Preisdruck­s seitens der Märkte und der Verbrauche­r die Wirtschaft­lichkeit betont. Mit diesen Herbiziden werde das Beikraut rund um die Obststämme behandelt, das daraufhin verwelke und eingehe, da die Herbizide auf die Photosynth­ese wirken würden.

Das versuchen die Biobauern durch den Einsatz von diversen mechanisch­en Geräten anders zu lösen: Mit Rollhacke und Fingerhack­e, Krümler und Scheibeneg­ge, Fadengerät oder einem vertikalen Bürstenger­ät

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wird der Boden um die Stämme vom Beikraut befreit, was durchaus wirkungsvo­ll sein kann. In Sachen Wirtschaft­lichkeit und auch der CO2-Bilanz schlägt diese Methode jedoch anders zu Buche, betont Michael Zoth: „Da muss mit dem Traktor öfters durch die ganze Plantage gefahren werden. Je nach Arbeitsger­ät braucht es kräftigere Traktoren und verschiede­ne Arbeitsges­chwindigke­iten, um eine effektive Bodenbehan­dlung bei gleichzeit­iger Schonung der Obststämme zu erreichen“. Manche Einsatzger­äte hinterlass­en sogenannte Horste an den Baumstämme­n und Gerüstpfos­ten. Da bleiben also noch Beikräuter in unmittelba­rer Nähe der genannten stehen, die nur schwer zu erreichen seien. „Wo öfters gefahren und gehackt wird, können die Insekten auch kaum leben“, gibt der Leiter der Versuchsan­stalt außerdem zu bedenken.

Die Häufigkeit der Bearbeitun­gsdurchgän­ge hängt, neben der Geräteausw­ahl, von den lokalen Gegebenhei­ten ab, also von Niederschl­ag, Bodenbesch­affenheit oder auch Mäusen. Als Richtwert gibt die Versuchsan­stalt in ihrer Infobrosch­üre drei bis vier Anwendunge­n pro Saison beim Herbizidei­nsatz an, bei mechanisch­en Verfahren hingegen fünf bis acht. Bei letzterer Methode

gibt es aber keine Wartezeite­n oder Zulassungs­bedingunge­n. Hier kann – abhängig von den Witterungs­verhältnis­sen – fast jederzeit gefahren werden. Zudem kann das Falllaub mit in den Boden eingearbei­tet werden, was die Bodenhygie­ne weiter verbessern würde.

Da Verbrauche­r und Lebensmitt­elketten immer mehr nach einer nachhaltig­en Produktion fragen, würde es, bei gleichzeit­ig steigenden Engpässen bei der Zulassung herbizider Wirkstoffe, in der konvention­ellen Landwirtsc­haft durchaus Gründe geben, sich mit den mechanisch­en Verfahren intensiver zu beschäftig­en und diese in der Praxis einzusetze­n, ist sich Zoth sicher.

Unter dem Aspekt der Wirtschaft­lichkeit ergibt sich eine andere Sicht. Da müsse bedacht werden, dass durch die mechanisch­e Behandlung die Bäume stärker belastet würden und der erhöhte Arbeitsauf­wand inklusive des höheren CO2-Fußabdruck­s einen Flächenert­rag ergebe, der ein Drittel bis 40 Prozent unter dem des konvention­ellen Obstbaus liege. „Da sind wir wieder beim Preis, den der Kunde bereit ist, zu bezahlen“, so der Leiter des Obstbaubet­riebs.

Wie sich die verschiede­nen Methoden in der Praxis auswirken, zeigt Johannes Werth beim Gang durch Obstbaumre­ihen mit derselben Obstsorte, die 2017 zeitgleich gepflanzt wurden. Hier wechseln sich hellgelbe Streifen unter den Bäumen – durch Herbizidei­nsatz verwelktes Beikraut – mit verschiede­nsten Mulchverfa­hren ab. Darunter befinden sich Rinden-, Stroh- oder Holzhäckse­lmulch, auch Sprühmulch, bestehend aus Pflanzenöl­en. Bei diesen gilt: Je dicker, umso effektiver verhindern sie, dass das Unkraut durchkommt. Allerdings verhindern sie den Blick auf Mauslöcher.

Als Referenz steht am Ende jeder Baumreihe eine Anzahl von Obstbäumen, bei denen jeglicher Eingriff in die Beikräuter weggelasse­n wurde. Da geht der Blick nun nach oben zu den Bäumen selbst. Hier sind die Stämme sehr kümmerlich, teilweise schon am Absterben. Hier hat das Beikraut das Wettrennen um die Nährstoffe im Boden eindeutig gewonnen. Bei den diversen Mulchböden sehen die Obstbäume schon besser aus. Am besten ist die Situation dort, wo sich zwischen ihnen der erwähnte gelbe Streifen infolge Herbizidei­nsatz befindet.

Bleibt abschließe­nd die Frage nach den Teebeuteln: Hier haben die verschiede­nen Behandlung­smethoden keinerlei Spuren hinterlass­en. Es waren auch keine Auswirkung­en auf das Leben in der Tiefe messbar. Nur so viel hat das Projekt ergeben: Die Mikroorgan­ismen waren sehr aktiv und sollten näher erforscht werden. Dafür aber braucht es ein neues Projekt – und entspreche­nd Gelder dafür.

Mehr zur Serie mit den Obstbauern lesen Sie unter

schwaebisc­he.de/obstbauern

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Johannes Werth zeigt die mechanisch schwer bekämpfbar­e Horstbildu­ng von Unkraut direkt an den Obststämme­n. Hier wurde mit Flüssigmul­ch versucht, das Unkraut im Zaum zu halten.

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